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Berliner Trinkwasser
Belastung mit Sulfat nimmt zu

Ohne Trinkwasser könnten wir nicht leben. In Berlin wird das zunehmend zum Problem, denn das Trinkwasser ist immer stärker mit Sulfat belastet. Umweltverbände sehen machen dafür vor allem einen Hauptschuldigen verantwortlich: den Tagebau.

Von Anja Nehls | 20.11.2015
    Ein Tropfen Wasser kommt aus einem Wasserhahn.
    Ein Tropfen Wasser kommt aus einem Wasserhahn. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Berlin gewinnt zu einem großen Teil das Trinkwasser aus der Spree – und der Sulfatgehalt der Spree ist in den letzten Jahren stark angestiegen – besonders stark in den letzten zwei Jahren. Das heißt, die Berliner Wasserbetriebe fürchten, dass der gesetzlich vorgeschriebene Grenzwert von 250 Milligramm Sulfat pro Liter bald nicht mehr eingehalten werden kann, sagt Stefan Natz von den Berliner Wasserbetrieben:
    "Sulfat ist nichts Giftiges, sondern Sulfat wirkt laxierend, abführend. Wenn Sie sich zum Beispiel einige Mineralwasser ansehen, dann haben die immens höhere Sulfatwerte durchaus gewollt. Aber mit Trinkwasser macht einfach jeder alles, von der Babynahrung bis zum Tee. Und deswegen hat der Gesetzgeber gesagt, 250 Milligramm. Darüber müssen wir auch gar nicht diskutieren, das ist unsere Vorgabe und die haben wir einzuhalten."
    Aber das wird zunehmend schwierig, denn das Sulfat entsteht durch die Tagebaue, den Kohleabbau in der Lausitz, also da wo die Spree herkommt. Um Braunkohle zu gewinnen, muss der Grundwasserspiegel abgesenkt werden. In den Bodenschichten sind Verbindungen aus Eisen und Schwefel enthalten und die reagieren, wenn der Wasserspiegel abgesenkt wird mit der Luft und es entsteht Sulfat. Und das landet dann wieder in der Spree.
    Dass das Problem in letzter Zeit so groß geworden ist, hängt mit dem Wetter zusammen, sagt Wilfried Lücking vom BUND:
    "Also jetzt in den letzten zwei Jahren hat es dadurch zugenommen, dass wir einfach geringere Niederschläge haben als vorher. Die Zeit um 2010 und früher war sehr stark geprägt von Niederschlägen, dadurch war der Anstieg nicht so stark, weil das verdünnt wurde."
    Und weil man das Wetter nicht beeinflussen kann, muss also eine andere Lösung her, fordern Umweltverbände – und zwar vor allem von Vattenfall. Hauptquellen des Sulfats sind nämlich einerseits die stillgelegten Tagebaue der ehemaligen DDR, als auch die noch aktiven Tagebaue von Vattenfall. Damit ist Vattenfall für ungefähr 60 bis 70 Prozent des Sulfateintrags in die Spree verantwortlich. Bei Vattenfall verweist man auf einen seit 2009 mit den Ländern Brandenburg und Sachsen abgestimmten Sulfatmanagementplan. Weil es aber technisch schwierig und immens teuer ist, die Entstehung von Sulfat beim Braunkohleabbau zu verhindern, setzt Vattenfall auf andere Lösungen, sagt Thomas Koch verantwortlich für die Wasserwirtschaft bei Vattenfall:
    "Zum ersten steht bei uns immer die Verdünnung des Sulfates an, das heißt, wir nutzen mit unseren Einleitungen auch immer die Einleitungen aus den Tagebaurestseen zur Verdünnung des Sulfats.
    Zum anderen besteht die Möglichkeit, das Sulfat direkt aus dem Einzugsbereich der Spree herauszuhalten und in andere Einzugsgebiete überzuleiten, wie wir das zum Beispiel in das Einzugsgebiet der Neiße tun."
    Zusätzliche Auflagen gefordert
    Das aber löst das Problem nicht, sondern verlagert es nur, kritisiert zum Beispiel Rene Schuster von der Grünen Liga Cottbus:
    "Die Behörden, die für die wasserrechtlichen Erlaubnisse beim Tagebau zuständig sind, die müssen zusätzliche Auflagen verbindlich festlegen. Das können sie, das ist im deutschen Wasserrecht ein Grundsatz, dass man nachträgliche Auflagen machen kann."
    Ob es beim heutigen sogenannten Sulfat-Gipfel, einem Arbeitstreffen von Berlin und Brandenburg auf Staatssekretärsebene, darum gehen wird, dazu wollte sich die Berliner Umweltverwaltung nicht äußern.
    Tatsache ist aber, dass letztendlich die Berliner Wasserbetriebe dafür verantwortlich sind, dass der gesetzliche Grenzwert eingehalten wird, auch wenn ganz andere das Problem verursacht haben:
    "Es gibt mehrere technische Varianten, vor allem physikalische Varianten, wie man das Sulfat aus dem Trinkwasser entfernen könnte. Technisch ist das möglich, aber man müsste halt investieren, aber letztlich müsste man den Betrieb bezahlen und der kostet auch wieder Energie.
    Das heißt, wir müssten zusätzlichen Strom aufwenden und Strom kostet Geld und kostet Klima. All das wollen wir nicht."
    Keine Lösung in Sicht
    Und höhere Preise für das an sich sehr gute Berliner Trinkwasser will auch niemand. Eine Lösung für das Problem ist also bis jetzt nicht Sicht. Ein vermehrtes Kalken der Abbaukippen könnte nützen, sagen die einen. Das helfe allerdings nur gegen einen zu niedrigen pH-Wert des Wassers, nicht gegen das Sulfat, sagen die anderen. Mit der Braunfärbung des Spreewassers hat das Sulfat übrigens nichts zu tun. Die Braunfärbung entsteht durch Eisenoxid – das allerdings auch eine Folge des Braunkohletagebaus ist.