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Berlusconis energiepolitische Pläne

Fast 25 Jahr ist es her, dass die italienische Bevölkerung den Ausstieg aus der Atomenergie beschloss: Doch wie in Deutschland, hat auch in Italien längst der "Ausstieg aus dem Atomausstieg" begonnen.

Von Karl Hoffmann | 07.01.2011
    Kurz vor Weihnachten wurde in den italienischen Medien eine bemerkenswerte Medienkampagne gestartet:

    "Ich bin gegen die Kernenergie, denn ich habe Angst um meine Kinder. - Ich bin dafür , denn in 50 Jahren können meine Kinder nicht nur auf fossile Brennstoffe zählen. Kernkraftwerke sind problematisch - aber sie sind sicher."

    Ein ungewöhnlicher Werbespot der beim ersten Hinhören nicht verrät, was da von wem an den Mann gebracht werden soll. Und der mit einer wichtigen Frage endet:

    "Und du? Bist du für oder gegen die Kernenergie? Oder hast du dich noch nicht entschieden?"

    Hinter der Werbekampagne steckt ein Konsortium mit mächtigen Wirtschaftsinteressen. Energiekonzerne wie E-on und Edison, die Maschinenbauer Ansaldo und Alstom, der italienische Unternehmerverband und nicht zuletzt ENEL und EDF, die größten Stromerzeuger in Italien beziehungsweise Frankreich. 20 Millionen Euro gibt ENEL für die Überzeugungsarbeit aus, die vor einem Jahr von Ministerpräsident Berlusconi persönlich angeordnet wurde: 23 Jahre nach ihrer Abschaffung per Volksentscheid sollen die Italiener zur Wiedereinführung der Atomkraft bewegt werden. Berlusconi hat bereits acht Druckwasserreaktoren in Frankreich bestellt. Teil seines gigantischen Energiekonzepts - und das Geschäft der Zukunft. In Libyen sicherte sich Berlusconi die Freundschaft des Diktators El Ghaddaffi und gleichzeitig Gas- und Erdöllieferungen bis zum Jahr 2046 mit einem spektakulären Kotau vor der Volksversammlung in Tripolis.

    Eine persönliche Entschuldigung für die Kriegsverbrechen, begangen von italienischen Soldaten in Libyen vor dem 2. Weltkrieg. Mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin und dem türkischen Regierungschef Erdogan verbindet ihn sowohl eine herzliche Männerfreundschaft wie auch die knapp 30 Milliarden Euro schweren Gaspipeline-Projekte "South Stream" und "Nabucco". Wikileaks veröffentlichte jüngst brisante Depeschen des römischen US-Botschafters über angebliche russisch-italienische Machenschaften, die zu einer offiziellen Anfrage des Oppositionspolitikers Franceschini führten:

    "Putin soll Berlusconi eine prozentuale Beteiligung an den Pipelines versprochen haben . Wir fordern Ministerpräsidenten auf, diesen Verdacht auszuräumen."

    Berlusconi tat es, eher beiläufig.

    "Man sollte nicht auf Äußerungen drittklassiger Funktionäre hören, die nur weitergeben, was sie in linken Zeitungen gelesen haben."

    Unter Berlusconis Regie expandieren die mächtigen Energiekonzerne Enel und Eni Europa- und weltweit. Enel betreibt nicht nur ein Kernkraftwerk in der Slowakei, sondern hat soeben 260 Windräder bei Siemens bestellt. Eni -in Deutschland unter dem Namen Agip bekannt - gehört zu den 20 größten Energiekonzernen weltweit und wird von Umweltschützern wegen der rücksichtlosen Ausbeutung seiner Borfelder etwa in Afrika immer wieder kritisiert. Die von Berlusconis Regierung kontrollierten Unternehmen -der Staat ist nach wie vor größter Einzelaktionär - sollen auch in Zukunft ein zentral gesteuerte Energieversorgung sichern. Individuelle Energiegewinnung und damit die Autonomie der Bürger dank erneuerbare Energiequellen sind dem Geschäftsmann Berlusconi ein Gräuel.