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Bertelsmann-Europastudie
Mehr Einkommen durch den EU-Binnenmarkt

Im Schnitt haben die Deutschen durch den EU-Binnenmarkt 1.000 Euro mehr Einkommen im Jahr. Allerdings gibt es große regionale Unterschiede. Und auch in Gesamt-Europa wird manche Region regelrecht abgehängt - mit Wirkung auf die politische Stimmung.

Von Roswitha Böhm | 08.05.2019
    Hände halten Euroscheine.
    Im Schnitt haben die Deutschen laut Bertelsmann-Studie 1.000 Euro mehr Einkommen. (Unsplash / Christian Dubovan)
    Der freie Handel innerhalb der EU beschert jedem Deutschen im Schnitt über 1.000 Euro mehr Einkommen im Jahr als ohne EU-Binnenmarkt. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Allerdings gibt es bei den Einkommensgewinnen große regionale Unterschiede, sagt der Leiter der Studie, Dominic Ponattu.
    "Je exportorientierter man ist, je stärker der Mittelstand ist, je wettbewerbsfähiger die Firmen sind, desto stärker profitiert man."
    In Deutschland führt der Regierungsbezirk Oberbayern die Liste mit knapp 1.500 Euro Einkommen mehr pro Kopf im Jahr an. Danach folgen die Regionen Hamburg und Stuttgart. Vergleichsweise wenig profitieren die neuen Bundesländer vom EU-Binnenmarkt. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegen die Einkommensgewinne unter 700 Euro pro Person jährlich.
    "Hier ist es wichtig, gegenzusteuern, durch einen Infrastrukturausbau, gerade in Regionen, die schlechter an den Wettbewerb angebunden sind. Dazu gehört aber auch die digitale Infrastruktur. Die muss sich deutlich verbessern, um dafür zu sorgen, dass sich Unternehmen dort stärker ansiedeln, dass Unternehmen wettbewerbsfähig sein können."
    Deutschland ist eines der Länder, welches am stärksten profitiert
    Im EU-Vergleich gehört Deutschland zu den zehn Ländern, die finanziell am stärksten vom gemeinsamen Binnenmarkt profitieren. Das liegt auch an der geografischen Lage. Denn laut Studie haben zentral gelegene Staaten einen Vorteil gegenüber der Peripherie. Und: Die großen Gewinner sind überraschenderweise nicht die größten Volkswirtschaften, sagt Studienleiter Ponattu:
    "Einige Regionen profitieren in besonderem Maße. Das sind vor allem kleine Volkswirtschaften, die hoch technologisiert, exportorientiert und international sind."
    Darunter Luxemburg und Irland. Die stärksten Einkommensgewinne kann die Schweiz verbuchen, die zwar kein EU-Mitglied, aber Teil des Binnenmarktes ist. Insgesamt kommt die Studie zu dem Ergebnis: Europaweit profitieren alle Länder vom freien Handel. Das aber unterschiedlich stark. Und: Die Unterschiede nehmen zu. Was sich laut Dominic Ponattu auf die politische Stimmung auswirken könnte.
    "Keiner möchte die abgehängten Regionen durchfinanzieren, gleichzeitig merken die Menschen in den abgehängten Regionen, dass sie politisch nicht priorisiert werden. All das ist eine sehr, sehr schwierige Melange und führt dazu, dass Populismus durchaus gestärkt werden könnte."
    Um zu berechnen, wie stark sich der EU-Binnenmarkt auf das Einkommen der Europäer auswirkt, haben die Forscher eine Simulation zugrunde gelegt:
    "Vergleichswert ist immer eine Welt, in der es keinen EU-Binnenmarkt gibt. Und berechnet haben wir das, indem wir uns angeschaut haben, wie viel an zusätzlichen Kosten des Handels würden auftreten, wenn es den Binnenmarkt nicht mehr gäbe."
    Derzeit hypothetisch, klar. Außer für Großbritannien. Laut Studie würde jeder Brite im Schnitt rund 775 Euro an Einkommen im Jahr verlieren, wenn das Land aus der EU austritt.