Dienstag, 19. März 2024

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Bertelsmann kauft Simon & Schuster
"Die Bibliodiversität wird gefährdet"

Bertelsmann baut seine Position auf dem globalen Buchmarkt weiter aus. Das Unternehmen aus Gütersloh übernimmt den angeschlagenen US-Verlag Simon & Schuster. Damit ist die zunehmende Konzentration im internationalen Verlagswesen nicht mehr aufzuhalten, sagte Verleger Stefan Weidle im Dlf.

Stefan Weidle im Gespräch mit Miriam Zeh | 26.11.2020
Der Veranstaltungsraum der Bertelsmann-Bilanzpressekonferenz, fotografiert am 22.03.2016 in Berlin. Nach einem jahrelangen Umbau des Unternehmens vermeldet der Medienkonzern einen Gewinnsprung um mehr als 90 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro.
Nach jahrelangem Umbau vermeldete Bertelsmann im März 2016 einen Gewinnsprung um mehr als 90 Prozent. Nun expandiert der Medienkonzert auch auf dem US-amerikanischen Buchmarkt. (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
Erst Ende 2019 wurde das Medien-, Dienstleistungs- und Bildungsunternehmen Bertelsmann Alleineigentümer von Penguin Random House, der größten Publikumsverlagsgruppe der Welt. Nun kauft der Konzern auch den angeschlagenen US-Verlag Simon & Schuster mit Bestseller-Autoren wie Stephen King und John Irving für umgerechnet 1,83 Milliarden Euro (2,175 Milliarden US-Dollar). Der Deal steht zwar noch unter Vorbehalt. Doch Bertelsmann erwartet keine Probleme mit dem Kartellamt. Man rechne mit einem Kaufabschluss im Laufe des nächsten Jahres, hieß es aus Gütersloh.
Überraschend kommt die Übernahme keineswegs. Seit einigen Jahren verstärken sich Konzentrationsprozesse auf dem globalen Buchmarkt. Große Medienkonzerne und international agierende Konzernverlage kaufen immer mehr kleine und mittelständische Verlage auf. "Diese Riesenkonzerne haben kein Interesse an entlegener Literatur, kein Interesse an Autoren, die nicht wahnsinnig viel verkaufen", kritisiert Verleger Stefan Weidle die Entwicklung. "Die ganze Bibliodiversität wird damit gefährdet. Der Mainstream nimmt immer weiter zu." Weidle leitet den 1993 gegründete Weidle Verlag. Hier erscheint vor allem Literatur der 1920er und 30er Jahre, darunter auch viele Autoren, die damals ins Exil gehen mussten und nach 1945 schnell in Vergessenheit gerieten.
Konsequenzen für Literaturagenturen
Betreffen wird der Verkauf von Simon & Schuster vor allem die Literaturagenturen, vermutet Weidle. "Die haben jetzt einen Player weniger." Weil die Rechte an kommerziell erfolgreichen Autorinnen und Autoren in der Regel in verdeckten Versteigerungsrunden dem zahlungskräftigsten Verlag zugesprochen werden, gehen hier zum Teil horrende Summen über den Tisch. "Dabei fehlt jetzt einer. Simon & Schuster wird kein Gebot mehr gegen Penguin Ramdom House abgeben", so Weidle. Auf dem US-amerikanischen Buchmarkt, seinem wichtigsten Auslandsmarkt, stärkt Bertelsmann seine Präsenz damit erheblich. "Die können im Grunde Marktpreise diktieren, wenn sie das wollen."
Auch mit einer übergreifenden Marketingsstrategie wird zu rechnen sein. Bestsellertitel, die ein ähnliches Publikum ansprechen, können nun schließlich innerhalb der Bertelsmann-Verlage so platziert werden, dass sie sich gegenseitig möglichst wenig Konkurrenz machen.
Buchpreisbindung schützt die deutsche Verlagsvielfalt
"Es gibt vielleicht Chancen für kleine Verlage, dass sie Autoren an Land ziehen können, die bislang in großen Verlagen waren, aber dort ihr Soll nicht erfüllt haben", gibt Weidle zu Bedenken. Insgesamt könne man die Konzentrationsprozesse auf dem Buchmarkt aber nicht mehr aufhalten. "Die Zeiten sind vorbei." In Deutschland garantiert die Buchpreisbindung bislang eine vielfältige Verlagslandschaft. "Wir haben hier unsere Nischen", so Kleinverleger Weidle. "Die werden dank der Kulturstaatsministerin gehütet. Ich hoffe, dass wir eine solche Entwicklung wie in den USA nie kriegen werden." Zwar gebe es auch im deutschen Verlagswesen immer wieder Übernahmen. Seit 2002 gehört etwa der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch zur Verlagsgruppe Holtzbrinck. "Aber wir Kleinen leben daneben schon lange und es wird für uns auch nicht schlechter."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.