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Bertelsmann Studie
Feindbild Islam

Mehr als die Hälfte der Deutschen fühlt sich durch "den Islam" bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt der neueste Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung. Für das Ergebnis seien die Medien mitverantwortlich, sagte der Journalist Abdul-Ahmad Rashid im Dlf, aber auch die stillen, liberalen Muslime.

Abdul-Ahmad Rashid im Gespräch mit Susanne Fritz | 15.07.2019
Sechs muslimische Frauen beten in der Sehitlik Moschee in Berlin-Neukölln. Das Foto zeigt sie von oben, aus der Vogelperspektive.
Muslimische Frauen beten in der Sehitlik Moschee in Berlin-Neukölln. (picture alliance/dpa/imageBROKER)
Mehr als die Hälfte der Deutschen sehen den Islam als Bedrohung. Er sei bereichernd, antworteten 36 Prozent der Befragten. Dies wurde in einer Nachbefragung zum Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung festgestellt. Skepsis und Ablehnung gegenüber dem Islam sind im Osten stärker verbreitet als im Westen: 57 Prozent der Ostdeutschen halten ihn für bedrohlich, im Westen sind es 50 Prozent. Der Islam werde mit dem politischen Islam gleichgesetzt und nicht als Religion, sondern als Ideologie gesehen.
Der Journalist Abdul-Ahmad Rashid,Redakteur beim ZDF und verantwortlich für das Forum am Freitag, kritisierte, dass pauschal von "dem Islam" die Rede sei. Eine ganze Religion werde gleichgesetzt mit islamistischem Terror und fundamentalistischen Einstellungen.
Abdul-Ahmad Rashid vermisst eine differenzierte Erklärung, welches Islamverständnis eigentlich gemeint sei. Laut der Studie wird Islam nicht als Religion betrachtet, sondern als politische Ideologie. Das Bild sei stark geprägt von salafistischen Gruppen und dem so genannten "Islamischen Staat". Es verunsichere Menschen zu recht, wenn sich radikale Muslime als Rechtfertigung für ihr Handeln auf den Islam bezögen. Aber auch terrorististische Anschläge in Europa und die Entwicklung des politischen Islam in der Türkei tragen nach Ansicht von Abdul Ahmad Rashid zum Bedrohungsgefühl bei, ebenso wie Konflikte um Fasten und Gebet, islamische Speisevorschriften, das Kopftuch für Minderjährige und Lehrerinnen in Schulen.
"Auch mal Muslime zur CO2-Steuer fragen"
Laut der Bertelsmann-Studie gibt es vor allem in denjenigen Regionen Deutschlands Skepsis gegenüber Muslimen, in denen besonders wenig Muslime leben. Tatsächlich sei es so, dass es bei Ford, Opel oder im Bergbau weniger Vorbehalte gegenüber Muslimen gebe, weil Nicht-Muslime und Muslime sich kennen, meint der Islamwissenschaftler Abdul Ahmad Rashid. Dabei komme es aber auf langfristige angelegte Beziehungen an und nicht auf kurze Begegnungen, wie etwa mit dem Döner-Verkäufer.
Laut Studie rückt die Berichterstattung in den Medien den Islam in einen negativen Zusammenhang und trägt damit zu Vorbehalten bei. Der Fokus der Medien liege immer noch auf dem politischen Islam, der sich nicht mit westlichen Werten vereinbaren lasse, so Rashid. Viele positiven Aspekte des Islam würden nur selten thematisiert. In der Tat erscheine die Berichterstattung oftmals sehr einseitig. Muslimisches Leben in Deutschland soll nach Ansicht des ZDF-Journalisten in seiner ganzen Breite dargestellt werden. So könne man Muslime auch mal in anderen, als in religiösen Kontexten vorstellen, "zum Beispiel als Bürger dieses Landes, die sich zur CO2 Steuer oder Mietpreisbremse äußern." Stattdessen werden Muslime in den Medien vor allem als fromm dargestellt. Der Islam ist aber, so Abdul Ahmad Rashid, viel individueller und es gebe keine eindeutige Definition dafür, wer Muslim ist.
Auch die Politikerin und Psychologin Lale Akgün teilt die Ansicht, dass das Bild der Muslime in Deutschland zumindest im Fernsehen verzerrt sei. Im Deutschlandfunk sagte sie auf einer Podiumsdisskussion:
"Dass zum Beispiel bei den Talk-Shows im Fernsehen immer diejenigen eingeladen werden, die besonders exotisch aussehen. Also am besten eine Frau im Hischab und ein Mann, der sich als Imam bezeichnet, aber eben im Nachthemd auftritt, damit man auch sieht, wie fromm er ist. Letztendlich kommen die anderen, die Aufgeklärten, Säkularen viel zu kurz in den Medien. Ich glaube, dass auch in der Bevölkerung ein Bild entsteht, als würden alle Muslime sehr fromm sein, als würden sie alle dem orthodoxen Islam angehören. Das wiederum befeuert rechte Parteien, die daraus auch ihre Monition beziehen. Natürlich sollen die Medien berichten, aber ihre einseitigen Gesprächspartner, die orthodoxen fundamentalistischen Muslime, die sichtbar bei der Mehrheitsbevölkerung Erstaunen, wenn nicht Angst hervorrufen, sorgen dafür, dass ein schiefes Bild in Deutschland über den Islam und die Möglichkeiten des Islams entsteht."
Schweigende Mehrheit
Liberale Muslime sind oft Einzelkämpfer und werden nicht als Vertreter der Mehrheit der Muslime wahrgenommen, sagt Rashid. Liberale müssten sich in einem Verband zusammenschließen, aber bislang seien solche Versuche gescheitert. Die schweigende Mehrheit der liberalen Muslime müsse sich mehr Gehör verschaffen. Nur so könne deutlich werden, dass es eine Pluralität der Muslime in Deutschland gebe. Denn die Vertreter der konservativen Verbände vertreten auch nur die konservativen Muslime und nicht die Mehheit der Muslime, auch wenn sie sich manchmal anders darstellen, meint Rashid.
Der Islam wird in Deutschland als Bedrohung empfunden. Aber Muslime werden auch ihrerseits von Rechtsradikalen bedroht. Gerade erst hat es eine Bombendrohung gegen die Kölner Moschee gegeben. Nach Ansicht von Abdul Ahmad Rashid habe sich die Situation in den vergangenen Jahren leider "hochgeschaukelt". Die Drohung habe sich gegen die DITIB-Moschee gerichtet. Durch die Berichterstattung sei der falsche Eindruck entstanden, die DITIB Moschee sei ein Hort fanatisierter Erdogan-Anhänger.