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Berufsbezeichnung
Wann ist ein Ingenieur ein Ingenieur?

Bis Januar 2016 muss die EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung umgesetzt werden. In Deutschland betrifft das auch die Ingenieurgesetze, die jedes Bundesland für sich festlegt. Einige Länder planen allerdings im Zuge dessen weitere Änderungen am Ingenieurgesetz, was zu heftigem Widerstand bei den anderen Ländern führt. Kritiker befürchten eine Aufweichung des Berufsbildes.

Von Stephanie Kowalewski | 21.09.2015
    Gerüstbauer arbeiten auf einer Baustelle.
    Der Verband Deutscher Ingenieure fordert eine bundesweit einheitliche Regelung dafür, wer die Berufsbezeichnung Ingenieur führen darf. (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    In den Ingenieurgesetzen regeln die Bundesländer vor allem, wer sich überhaupt Ingenieur nennen darf. Bisher gab es zwar 16 Ingenieurgesetze, aber nur eine bundesweit einheitliche Definition, erklärt Lars Funk vom Verein Deutscher Ingenieure, VDI.
    "Man darf sich Ingenieur nennen, wenn man einen entsprechenden akademischen Abschluss hat. Also man muss in einem technischen Bereich studiert haben mit mindestens drei Jahren Dauer."
    Eine gute und ausreichende Regelung sei das, meint auch Hans-Henning von Grünberg, Präsident der Hochschule Niederrhein. Und obwohl es seit der Bologna-Reform den Titel Diplom-Ingenieur nicht mehr gibt, wird auf den Bachelor- und Masterabschlüssen eines technischen Studiums immer noch vermerkt, dass sich die Absolventen auch Ingenieur nennen dürfen.
    "Dieser Titel ist was Heiliges"
    "Der Ingenieur ist sozusagen ein urdeutscher Titel, der mit 150 Jahren Technikgeschichte zu tun hat, und der auf gar keinen Fall gefährdet werden darf. Dieser Titel ist was Heiliges."
    Doch das Heiligtum wird bedroht, meinen Hochschulen, Ingenieure und Arbeitgeber. So äußern die Hochschulrektorenkonferenz und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände "massive und grundsätzliche Bedenken" gegen die Pläne wie Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Ingenieurgesetze novellieren wollen. Sie kritisieren besonders, dass die Studienqualität künftig nicht mehr durch das übliche Akkreditierungsverfahren gesichert werden soll, sondern durch die Ingenieurkammern der Länder. Die Hochschulrektoren sehen darin einen gravierenden Eingriff in ihre Autonomie.
    "Wir haben ein Qualitätssicherungsverfahren in Deutschland, was sehr gut funktioniert. Da braucht man es nicht ein zweites Mal durch eine Ingenieurkammer bestätigen zu lassen, die im Übrigen, das ist vielleicht der allerwichtigste Punkt, zwei oder drei Prozent aller tätigen Ingenieure nur umfasst. Es ist ja eigentlich nur eine Ständevertretung für die Ingenieure, die freiberuflich tätig sind. Und insofern ist es absolut nicht klar, warum die nun ausgerechnet den Hochschulen sagen dürfen, wann dürft ihr diesen Ingenieurtitel vergeben und wann nicht."
    Viele Kritiker reiben sich verwundert die Augen, sagt Lars Funk vom VDI, dass die eher kleinen Ingenieurkammern in machen Bundesländern zukünftig sogar die Studieninhalte mitbestimmen sollen. Sie befürchten ein deutschlandweites Durcheinander.
    "In Sachsen hat man definiert, dass Ingenieurstudiengänge Studiengänge seien, die über mindestens 80 Prozent MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik verfügen. In Hessen ist man hingegangen und hat gesagt, 50 Prozent MINT-Fächer sind völlig ausreichend. Und an diesem Beispiel kann man vielleicht sehen, wie die Dinge jetzt auseinander laufen. Und es ist eine große Sorge, dass wir da zukünftig nicht mehr einheitlich in Deutschland geregelt haben, wer sich denn überhaupt Ingenieur nennen darf."
    Das könnte dazu führen, meint Lars Funk, dass ein Ingenieur aus Bayern demnächst Schwierigkeiten hat, in Sachsen anerkannt zu werden. Und für die Unternehmen würde es auch komplizierter, Ingenieure einzustellen. Das sei das Gegenteil von Bürokratieabbau und mehr Mobilität, ärgert sich Hans-Henning von Grünberg.
    "Und das Groteske ist, dass das, was die hier vorhaben, die Ländergrenzen wieder hochzieht und es gerade schwieriger macht. Also das geht völlig in die falsche Richtung."
    Befürchtungen, dass das Anerkennungsverfahren komplizierter wird
    Deshalb spricht er sich gemeinsam mit seinen Kollegen aus der "Hochschulallianz für den Mittelstand" gegen die Novellierungspläne aus. Befürchtet wird auch, dass das Anerkennungsverfahren komplizierter wird, was den dringend benötigten Zuzug ausländischer Ingenieure erschweren könnte, glaubt Lars Funk vom VDI:
    "Auch da gehen die Meinungen auseinander. Wenn jemand in Italien ein Maschinenbaustudium abgeschlossen hat und uns das über eine Urkunde nachweist, sollten wir nicht hingehen und anfangen zu prüfen, ob die Hochschule in Italien jetzt genau die gleichen Studieninhalte vermittelt hat wie in Deutschland. Wenn jemand einen solchen Abschluss nachweist, dann sollten wir ihn auch schnell anerkennen."
    Genau das war im Übrigen auch das Ziel der Bolognareform, dass ein Bachelor in Krakau genauso viel wert ist, wie einer in Rom oder Berlin oder Stuttgart. Diese Krefelder Studierenden wünschen sich jedenfalls, dass sie sich nach ihrem Abschluss auch weiterhin bundesweit Ingenieur nennen dürfen.
    "Ich finde das sehr schön, dass ich als Informatiker auch Ingenieur bin. Das ist ja vielleicht auch ein bisschen wie mit dem Doktor, der halt eben so die Krönung darstellt, finde ich da den Titel nicht schlecht. Also das sollte schon einheitlich sein."
    "Und das versuchen wir, jetzt noch zu erreichen", betont Lars Funk vom VDI, "dass es da im Grunde bei der alten Regelung bleibt. Wir sind ganz vorsichtig optimistisch".