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Berufsverbot für Ermittlungsrichter gegen die Franco-Diktatur

Elf Jahre Berufsverbot erhielt der Ermittlungsrichter Blatasar Garzón, weil er seine Befugnisse bei der Aufarbeitung von Morden während der Franco-Diktatur überschritten haben soll. Das Urteil halten viele Spanier für politisch motiviert - und dieser Fall ist nicht der einzige, der Zweifel an der Unabhängigkeit der spanischen Justiz schürt.

Von Hans-Günter Kellner | 10.02.2012
    "Schande, Schande" rufen etwa 1.000 Demonstranten, die sich auf dem Madrider Platz Puerta del Sol eingefunden haben. Am einem Reiterstandbild haben sie ein Konterfei von Baltasar Garzón befestigt, einige schreiben Solidaritätsbotschaften für den Juristen darauf. Dieser Mann sagt:

    "Der Oberste Gerichtshof macht seine Arbeit nicht. Er hat den Richter verurteilt, der die Korruption untersuchen wollte. Die Korrupten hingegen stehen nicht vor Gericht. Das passt in keinen demokratischen Staat. Im Grunde haben sie ihn verurteilt, weil er die Verbrechen des Franco-Regimes aufklären wollte. Der Oberste Gerichtshof hat der spanischen Demokratie keinen guten Dienst erwiesen."

    Die Demonstranten sprechen von Anhängern des Franco-Regimes in Richterroben und von wirtschaftlichen Interessen, die für sie hinter dem Urteil stehen. Dieser Mann meint:

    "Ein Richter wie Garzón stört in einem Justizsystem, dass sie nach ihren Vorstellungen neu gestalten wollen."

    Für die Demonstranten ist die Sache klar: Das Urteil gegen Garzón habe schon bei der Eröffnung der mündlichen Verhandlung festgestanden. Dass der Untersuchungsrichter verurteilt worden ist, weil er Rechtsanwälte abhören ließ, lässt keiner von ihnen gelten. Im spanischen Radio hält Pablo Llarena vom Richterverband APM das Urteil gegen Garzón hingegen für eine gute Nachricht:

    "Die Bürger können zufrieden sein. Der Fall zeigt, ihre Grundrechte werden garantiert. Die Justiz sanktioniert Vergehen auch dann noch, wenn einer ihrer bedeutendsten Repräsentanten betroffen ist."

    Rechtsanwalt Teodoro Mota vom spanischen Freien Anwaltsverein glaubt an einen solchen Schutz hingegen nur bedingt. Zu oft müsse er Beschwerdeanträge über Ermittlungsmethoden stellen. Doch noch nie sei deswegen ein Ermittlungsrichter vor Gericht gestellt worden. Die Anklagen gegen Garzón hält darum auch der Rechtsanwalt für konstruiert. Der Einfluss der politischen Parteien auf Spaniens Justiz sei groß:

    "Über die Ernennungen zum Obersten Gerichtshof entscheidet der Oberste Justizrat. Der besteht zwar aus Juristen, aber über die Zusammensetzung entscheiden die Parteien. Es gibt ungeschriebene Gesetze mit Quoten je nach politischer Ausrichtung der Kandidaten. Die von diesem Gremium ernannten Richter am Obersten Gerichtshof sind also nicht frei von jeder Ideologie, sie wurden ja nach ideologischen Gründen ernannt."

    So wundert den Juristen auch der Freispruch von Francisco Camps nicht. Der ehemalige Ministerpräsident der Region Valencia war der erste Angeklagte im von Garzón angestoßenen Korruptionsskandal. Die Schöffen sprachen ihn vor wenigen Wochen frei, obwohl von der Polizei abgehörte Telefonate die Abhängigkeiten zwischen Politik und Wirtschaft eindrucksvoll dokumentiert hatten. Politik spiele nur an kleinen Gerichten keine Rolle, sagt Rechtsanwalt Mota:

    "Die unabhängigen Richter sind jene, die nicht über dieses System des Justizrats ernannt werden und die an den Provinzgerichten arbeiten. Über die Besetzung der höheren Gerichte wird hingegen verhandelt. Das verhindert, dass die Justiz alleine ihrem Verfassungsauftrag gegenüber verantwortlich ist. Diese Leute stehen unter großem politischen Druck, der nichts mit dem eigentlichen Rechtswesen zu tun hat."

    Bei spektakulären Fällen geraten aber auch kleine Gerichte schnell in den Fokus. Das bekam gerade ein Untersuchungsrichter auf Mallorca zu spüren. Er ermittelt gegen ein Netzwerk aus Politikern und Unternehmern, in das auch Iñaki Urgandarin, der Schwiegersohn des Königs, verstrickt sein soll. Jetzt ist der Ermittler selbst zum Ziel einer Untersuchung geworden. Der Oberste Justizrat prüft, ob er Informationen an die Presse weitergereicht hat. Für den Sprecher des Freien Rechtsanwaltsvereins ist die Botschaft klar:

    "Es gibt Grenzen, die auch ein Richter nicht überschreiten darf. Er kann auch nicht ständig Haftstrafen gegen Polizisten wegen Misshandlungen verhängen. Er würde nie mehr aus seinem kleinen Provinzgericht raus kommen. Solche Gesetze stehen natürlich nicht in den Büchern. Aber die Richter kennen sie."