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Bescheidener Meister des Jazz

Benny Carter war einer der großen Akteure in der Anfangszeit des Jazz. Ihm gelang als erstem Afroamerikaner der Sprung in die Filmmusikbranche von Hollywood. Doch seinen Wurzeln blieb er durch seine Club-Auftritte stets treu. Am 8. August 1907 wurde der Komponist und Bandleader in New York geboren.

Von Günther Huesmann | 08.08.2007
    "”I was standing there? But were you waiting for me to fall down? - So, habe ich gestanden? Haben Sie etwa von mir erwartet, dass ich umfalle?"",

    sagte der 90jährige Benny Carter einer Journalistin, die sich wunderte, dass er wie ein junger Gott auf der Bühne gestanden habe.

    Benny Carter ist neben Johnny Hodges der wichtigste Altsaxophonist der Swing-Ära. Noch Anfang der 1920er Jahre galt das Altsaxophon als eine bizarre Soundmaschine. Benny Carter machte es zu einem Instrument von swingender Noblesse. Zuvorkommend, elegant und eloquent – Musiker nannten ihn "The King". Er selbst hielt den parfümierten Saxophonklängen der Swing-Ära einen Sound wie aus Diamanten entgegen. Geschliffen klar, brillant und strahlend. Lou Donaldson:

    "Er phrasierte anders. Er war eher wie die Typen, die beim Bebop landeten. Er hatte etwas Fließendes. Er bewegte sich die ganze Zeit."

    Geboren wurde Benny Carter am 8. August 1907 in New York. Als erster beeinflusste ihn der Duke-Ellington-Trompeter Bubber Miley, ein Mann aus der Nachbarschaft. Monatelang sparte Benny auf eine Trompete. Aber die Übungsstunden, die er sich leisten konnte, reichten nicht aus, um das Instrument zu meistern. Schnellere Erfolge versprach das Saxophon, Frankie Trumbauer wurde seine große Inspiration. Benny Carter phrasierte wunderschöne Soli, auf eine fast magische Weise klangen schwierige Dinge bei ihm einfach. Diese Meisterschaft in musikalischer Ökonomie trug ihm die Bewunderung von Modernisten wie Miles Davis ein:

    "Für sich genommen ist Benny Carter eine ganze Schule des Jazz."

    Mit seinen Arrangements schlug Carter neue Kapitel im orchestralen Jazz auf. Seine Stücke für Duke Ellington und Fletcher Henderson halfen, den mutigen Schritt vom traditionellen Jazz zu den moderneren Klängen der Swing-Ära zu wagen. Er aber meinte:

    "Ich bin kein Big-Band-Mann. Ich bin ein Dilettant."

    Das war eine gewaltige Untertreibung. Der Arrangeur Benny Carter lieferte in den zwanziger Jahren zum ersten Mal eine Vorstellung davon, was ein Saxophonsatz in einer Big-Band ist. Vorher gab es in Jazzorchestern allenfalls Bläser-Trios, meist aus Klarinetten. Der Autodidakt Carter jedoch multiplizierte den Saxophon-Sound. Er schuf mehrstimmige Saxophongeflechte, in denen all die vielen Saxophone klingen wie ein einziges großes Instrument. Der Jazzhistoriker Leonard Feather:

    "Niemand schreibt für Saxophon Sätze mit so viel Können und Flair wie Benny Carter."

    Gab es überhaupt ein Instrument, das er nicht spielen konnte? Er glänzte mit Trompetensoli, er spielte Klarinette genauso flüssig wie Saxophon, stemmte die Posaune mit Bravour, griff in die Klaviertasten. Benny Carter war der erste Multiinstrumentalist des Jazz. Bei ihm war das Jonglieren mit vielen Instrumenten keine Zirkusnummer, sondern Ausdruck einer grenzenlosen Fantasie. 1935 zog es ihn nach Europa. Unzähligen europäischen Musikern hat er das Vokabular des Jazz nahe gebracht. Zurück in den USA, gründete Carter 1938 ein eigenes Orchester. Es wurde zu einem Synonym für musikalische Exzellenz. Für den Tagesbedarf der Swing-Ära war seine Big-Band zu elegant, trotzdem war ihr Einfluss groß. Danny Barker:

    "Wenn du es in jenen Tagen bis in die ‚Benny Carter’s Band’ gebracht hattest, war das wie eine Eintrittkarte. Dann konntest du mit Chick Webb oder Fletcher Henderson oder in jeder anderen Band spielen. Es war wie der Sprung von der Zweiten in die Erste Baseball-Liga.”"

    Nur wenige Jazzmusiker waren so lange aktiv wie er – 80 Jahre lang stand er auf den großen Bühnen der Welt, bis weit über seinen 95. Geburtstag blies er Soli voller Eleganz und Esprit. Am 12. Juli 2003 starb er. Bis zuletzt hatte er seine Noblesse und seinen trockenen Humor bewahrt.

    "”I don’t care how I sound. Only how do I look. - Ich kümmere mich nicht darum wie ich klinge. Nur darum, wie ich aussehe."