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Beschwerdemanagement
Worauf es bei der Kommunikation mit dem Kunden ankommt

Wenn sich Kunden bei einem Unternehmen beschweren, gedulden sie sich im Durchschnitt eine Woche lang, bis sie eine Antwort bekommen. Dauert es länger, beginnen sie sich zu ärgern. Zu dem Ergebnis ist ein deutsches Forscherteam gekommen. Unternehmen könnten aber noch mehr tun, um Kunden bei der Stange zu halten.

Von Simon Schomäcker | 09.08.2018
    Eine Mitarbeiterin der Minijob-Zentrale beantwortet am 10.04.2013 in Cottbus (Brandenburg) im Callcenter die Frage eines Anrufers.
    Unternehmen sollte ihre Kunden nicht zu lange warten lassen (dpa / picture alliance / Stefan Schaublitzer)
    Stefanie Winiarz arbeitet für das Duisburger Unternehmen EUClaim. Die Firma hilft Fluggästen, etwa bei Annullierungen oder verpassten Anschlussflügen ihre Rechte durchzusetzen und ihr Geld zurückzubekommen.
    "Weil die Airlines in fast 80 Prozent der entschädigungsberechtigten Ansprüche gar nicht reagieren. Und wenn die Airlines reagieren, werden meistens als Grund die außergewöhnlichen Umstände wie Streiks oder schlechtes Wetter vorgeschoben, teilweise auch unberechtigt."
    Rolle der Zeit beim Beschwerdemanagement
    Warum viele Fluggesellschaften so reagieren, darüber können die Rechtsexperten nur mutmaßen. Klar ist aber: Der Geduldsfaden von Kunden hält nur für eine gewisse Zeit. Das bestätigt eine allgemeine Studie des Fachbereichs Dienstleistungsmanagement an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Gemeinsam mit Studierenden hat Professor Jens Hogreve untersucht, welche Rolle die Zeit beim Beschwerdemanagement spielt. Die Forscher haben dabei Dienstleistungsfirmen wie Airline, Paketzusteller sowie Serviceunternehmen à la EUClaim betrachtet. Im zweiten Schritt wurden Szenarien mit Probanden durchgespielt. Sie mussten unterschiedlich lang auf Reaktionen zu ihrer Beschwerde warten. Das Ergebnis:
    "Es gibt so etwas wie eine Periode der Nachsicht oder der Toleranz. Und die liegt so zwischen drei, vier, fünf, sechs, sieben Tagen, also einer Woche, wo kein Anstieg zu erwarten ist bei den Erwartungen in der Kompensationsleistung. Weil der Kunde natürlich möchte, dass man sich Mühe gibt, dass man sich Gedanken macht bei der Fehlergutmachung."
    Innerhalb einer Woche können Stefanie Winiarz und ihre Kollegen von EUClaim zwar den Kunden antworten, selten aber einen Beschwerdefall lösen.
    "Das ist davon abhängig, wie machen die Airlines mit, wie schnell geht’s vors Gericht, geht man gegebenenfalls noch in Berufung. Aber wir sagen eigentlich, dass man sich im Durchschnitt schon zwischen sechs und acht Monaten gedulden müsste."
    Statusupdates können helfen
    Solch eine klare Kommunikation zwischen Anbieter und Kunde ist wichtig, betont Jens Hogreve. Denn damit lässt sich die Periode der Nachsicht ausdehnen. Außerdem können Statusupdates, ähnlich wie bei Paketdiensten, helfen. Doch es darf auch nicht zu viele Infos auf einmal geben:
    "Das haben wir genannt einen "Too-much-of-a-good-thing-effect". Also zu viele Information hilft doch nicht."
    Wegen seines speziellen Geschäftsmodells hat EUClaim einen gewissen Vorteil gegenüber üblichen Anbieter-Kunden-Beziehungen: Der Kunde zahlt nur, wenn die Firma einen Fall gewinnt: Dann behält das Unternehmen 22,5 Prozent der von den Airlines gezahlten Entschädigungssumme ein. Eine Konstruktion, die möglicherweise auch die Nachsicht der Kunden bei Beschwerden erhöht. Das Forscherteam um Jens Hogreve stellte bei seinen allgemeinen Forschungen zudem Toleranzunterschiede bei Stammkunden und Neukunden fest.
    "Wenn ich einen Anbieter sehr gut kenne, dann vertraue ich ihm, dann weiß ich, er wird alles in meinem Sinne tun, um mich zufriedenzustellen. Deswegen habe ich etwas mehr Zeit. Anders ist es bei Kunden, die bei einem Anbieter vielleicht zum ersten Mal etwas nachgefragt oder eingekauft haben, weil sie direkt einen starken Anstieg der Erwartungen zeigen. Also direkt wird’s teuer."
    Kunden möglichst individuell behandeln
    Will heißen, dass Kunden nach längerer Wartezeit eine höhere Entschädigung fordern könnten. Jens Hogreve empfiehlt Unternehmen, Kunden immer individuell zu behandeln. Das bedeutet, sie im Beschwerdefall etwa nicht bloß mit Standardantworten abzuspeisen, wie es viele Dienstleistungsfirmen nach wie vor tun. Stefanie Winiarz geht da anders vor.
    "Sollte doch mal eine Abteilung länger brauchen, passen wir das tagesgenau an, dass wirklich der Kunde weiß, OK, jetzt muss ich mich vielleicht mal auf zwei oder drei Wochen einstellen – wirklich, um dem Kunden auch einen Halt zu geben und zu sagen, wir sind da und der nächste Schritt erfolgt dann, dass man sich einfach betreut fühlt."