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Besetzt die Wall Street!

Seit mehr als zwei Wochen besetzen Aktivisten von "Occupy Wall Street" die Liberty Plaza in New York. Dabei entwickeln sie neue Formen des Protests.

Von Christian Lehner | 04.10.2011
    Der Mensch als Lautsprecher: "The People's Microphone", so bezeichnen die Aktivisten von "Occupy Wall Street" ihre Methode der Nachrichtenverbreitung. Als sie vor zwei Wochen den Zuccotti Park besetzt haben, wurde ihnen von der Polizei die Benutzung von Megafonen untersagt. Die Organisatoren improvisierten. Viele Stimmen wurden zu einem Ruf.

    ""Die Gruppe wiederholt, was der jeweilige Sprecher sagt", "

    so Jen Miller, die als menschlicher Verstärker mitmacht. Die Sekretärin kommt jeden Tag nach der Arbeit zum "Liberty Square", wie der Park mittlerweile von den Demonstranten genannt wird.

    ""Die Konzerne wollen uns doch bloß ruhig stellen mit Reality-TV, Konsum und Missinformation. Wir wollen den Menschen zeigen, was da wirklich läuft"."

    "Gegen die Gier der Wall Street. Für soziale Gerechtigkeit" , das ist der gemeinsame Nenner von "Occupy Wall Street". Hinter dieser Forderung versammeln sich viele verschiedene Menschen: linke Aktivisten, Studenten, die aufgrund der Wirtschaftskrise um ihre Zukunft bangen oder Lehrer wie Justin Widders:

    ""Schulbudgets werden gekürzt während die die Hedge Fond Manager und CEOs fette Boni kassieren und kaum Steuern zahlen. Die Politik hat versagt, jetzt müssen eben die Menschen ran"."

    Widders ist u.a. für die Verpflegung des Camps zuständig. Über Social Media wie Twitter oder Facebook organisiert er Nachschub. Die Reaktionen sind enorm. Es mangelt nicht an Essen und Trinken. Alles wird über Spenden finanziert:


    ""Ich habe unsere Website mit der eines Pizza-Bäckers nebenan verlinkt. Schon am ersten Tag wurden 500 Stück zugestellt! Mittlerweile gibt es sogar eine vegane Version und den sogenannten "Occu-Pie", also eine spezielle Mischung, ganz zu unserer Aktion passend. Bestehend aus 99 Prozent Käse und einem Prozent Schwein"."

    "Occupy Wall Street" orientiert sich am Arabischen Frühling, an den jüngsten Besetzungsaktionen in Barcelona und Israel. Auch in Manhattan bewähren sich die neuen Methoden der Protestkultur: anstatt an einem Tag demonstrierend durch die Stadt zu ziehen, wird ihr Zentrum über einen unbestimmten Zeitraum hinweg besetzt. Das Camp funktioniert dabei als Anlaufstelle, Wohnstatt und Kommunikationszentrum.

    ""Der Unterschied ist: Wir bleiben!", erklärt Allison Bortch, eine der vielen SprercherInnen von Occupy Wall Street. "Außerdem artikulieren wir nicht nur unsere Unzufriedenheit, wir versuchen auch, Demokratie vorzuleben. Jeder kann beitragen, was er will. Alle Entscheidungen werden im Kollektiv getroffen. Wir teilen unser Essen und wir geben uns gegenseitig ein Dach übern Kopf"."

    Das Camp am "Liberty Square" verfügt über ein Medienzentrum, eine Küche, einen Sanitätsbereich und eine Art Parlament, die sogenannte General Assembly, in der die Aktionen des Tages diskutiert und beschlossen werden. Die Welt ist via Live-Stream dabei. Transparenz ist den Aktivisten wichtig.

    Anfangs von den großen Medien des Landes ignoriert, hat die "Occupy Wall Street" Aktion mittlerweile deutlich an Fahrt aufgenommen. Prominente wie der Filmemacher Michael Moore oder der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz bekunden ihre Solidarität. Und die Übergriffe der überforderten New Yorker Polizei generieren auch bei der Sensationspresse Aufmerksamkeit.

    Die Aktivisten setzten dabei auf die Strategie der friedlichen Besetzung diverser Finanzinstitutionen oder von Wahrzeichen wie etwa der Brooklyn Bridge.

    In den vergangenen zwei Wochen sind insgesamt 800 Demonstranten vorübergehend festgenommen worden. Bürgermeister Bloomberg räumt das Recht auf Protest ein, hat aber angedeutet, dass er die "Occupy Wall Street" Aktion nicht mehr lange dulden werde, eine Ansage, die auf die Demonstranten nur wenig Eindruck gemacht hat:

    ""Wir bleiben hier, bis sich etwas ändert am Zustand des Landes", verspricht die Aktivistin Lacy McAuly. "wir bleiben, bis die da oben in ihren Penthouses und Büros ein Einsehen haben und wir alle in einer sozial gerechten Welt leben können"."