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Besser Lernen im Internet

Pädagogik. - Die Pisa-Studie hat erschreckende Mängel unseres Bildungssystems offengelegt. Im ganzen Land diskutieren nun Pädagogen und Politiker, was zu tun sei. Erfolgsrezepte gibt es nicht, doch in einem Punkt scheint man sich einig: Neue Lerntechnologien, Computer und Internet müssen ausgebaut werden, weder Grundschüler noch Studenten können darauf verzichten. Auf der Learntec 2002, der 10. Europäischen Fachmesse für Bildungs- und Informationstechnologie in Karlsruhe, präsentierten öffentliche und private Anbieter ihre Konzepte zum web-basierten Lernen.

    Noch nie zuvor war die Karlsruher Learntec so groß und so international besucht. Lernen aus dem Netz und per Rechner boomt. Dass dabei Masse nicht gleich Klasse ist, hat Professor Peter Baumgartner vom Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck in einer Untersuchung herausgefunden: "Wir haben 133 Lernplattformen in einem internationalen Vergleich analysiert und festgestellt, dass viele in vielen Funktionen nur rudimentär ausgebildet sind und, was ganz wichtig ist, dass die Lernplattformen bestimmte pädagogische, didaktische Modelle abbilden. Zum Beispiel hat eine Lernplattform, die in den USA entwickelt wurde, weitaus mehr Multiple-Choice- und Skill-Practice-Übungen, die in unserem Kulturkreis weniger üblich sind." In den Plattformen spiegele sich ein bestimmtes pädagogisches Verständnis, so Baumgartner. Angebote, bei denen das reine Auswendiglernen und das Abfragen von Wissen im Vordergrund stehen, überwiegen - konstruktivistische Ansätze, in denen die Lernenden ihre Aufgaben selbst erstellen und mit anderen an Lösungen arbeiten, die vorher gar nicht feststehen, gebe es zu wenig.

    Im World Wide Web ist der Lernende zwar mit Hunderten anderen vernetzt, fühlt sich aber doch häufig allein gelassen. Peter Baumgartner hat festgestellt, dass viele Lernplattformen im kommunikativen Bereich sehr schlecht sind: "Viele Lernplattformen erlauben das eigenständige Bilden von Gruppen nicht. Nur der Lehrer darf Gruppen bilden, womit selbstgesteuertes Lernen sehr schwer möglich ist." Menschliche Nähe, eine freundliche Lehrer-Schüler-Beziehung und eine motivierende, selbstorganisierende Gruppenarbeit werden von den vorgestellten Lösungen nur ansatzweise geboten. Auch Kreativität hat nach den Beobachtungen des Innsbrucker E-Learning-Experten meist nicht den angemessenen Stellenwert: "Ich denke, dass zum Beispiel Brain-Storming oder das Entwickeln neuer Ideen, auch wenn es dazu Werkzeuge im Netz gibt, nicht ganz optimal laufen." Daneben leiden die existierenden Lernplattformen derzeit an Technologielastigkeit. Technische Funktion wird oft wichtiger genommen als Inhalte und Lernformen.

    [Quelle: Klaus Herbst]