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Besser vorsorgen

Das "Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention" sollte eigentlich 2005 in Kraft treten und die Gesundheitsvorsorge zu einer Säule der gesundheitlichen Versorgung aufbauen. Das rot-grüne Gesetzesprojekt geriet dann aber in die Mühlen des vorgezogenen Wahlkampfes. Auch die Große Koalition hatte die Verabschiedung des Gesetzes in ihren Vertrag geschrieben. Nun geht die Legislaturperiode auf die Zielgerade - ein Präventionsgesetz gibt es noch immer nicht.

Von Eva Hillebrand | 11.04.2009
    "Es ist ziemlich erholsam hier. Das macht viel Spaß. Man macht Sportarten, die man früher so nicht gemacht hat, wie Nordic Walking, oder wie hier Aquajogging, wobei meine Sportart ist halt Joggen, mal sehn. Meine Frau, die wird mit Sicherheit was mitnehmen, Aquajogging hat sie schon gesagt und Nordic Walking, das ist Klasse."
    So klingt Prävention: Aquafitness im Centrovital in Berlin.
    Ein kleines Hallenbad mit Wellnessatmosphäre, zirka 15 Teilnehmer planschen vergnügt im Wasser.
    "Das Centrovital ist ein Gesundheitszentrum, das medizinisch therapeutische Dienstleistungen mit dem Konzept von präventiver Vorsorge und dem Komfort eines Viersternehotels verbindet. Und zwar geht es darum, dass Menschen bei uns gesund werden können, sie können gesund bleiben und können sich dabei erholen, also es soll sich letztlich auch wohl anfühlen."

    Tahani Adnan vom Centrovital. Das neueste Gesundheitsprodukt dort ist die Hauptstadtkur: Ein Hotelaufenthalt inklusive Prävention und Wellness. Ein Programm für Gesunde, die sich für ihre Gesundheit etwas leisten wollen. Präventionskurse dieser Art werden von den Krankenkassen mit 80 Prozent bezuschusst. Je nach Paket und je nach Krankenkasse sind das zwischen 60 und 150 Euro, das entspricht den Beträgen, die Kassenmitglieder für Präventionskurse an ihrem Wohnort erhalten. Das Gesundheitshotel allerdings rundet die Pakete noch mit Lockangeboten ab, wie beispielsweise einer Wohlfühlmassage oder einem Kochkurs.
    Die Krankenkassen wollen mit ihren Präventionsangeboten dem ungesunden Leben zuleibe rücken: Rauchen, Alkoholgenuss, falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. Zugleich soll gesundes Verhalten gefördert und eingeübt werden. Da es sich dabei häufig um eine unspezifische, eben eine Vorbeugung für alle Fälle handelt, haben sich die Präventionsangebote der Krankenkassen im Laufe der Jahre immer wieder geändert - je nach Mode. Um aber ja nicht den Eindruck von Beliebigkeit aufkommen zu lassen, haben die Kassen einen Präventionsleitfaden entwickelt. Joan Panke vom Spitzenverband des medizinischen Dienstes der Krankenkassen:

    "Der Präventionsleitfaden stellt Qualitätskriterien dar, die praktisch für die Kurse und die Kursanbieter zutreffen müssen. Ohne diese Qualifikation kann kein Kurs durchgesetzt werden, das heißt die Kurse können gar nicht erst stattfinden, wenn die Qualifikationen nicht erfüllt werden. Es werden auch manchmal falsche Kurse zunächst zugelassen, dann wird den Verbänden Bescheid gegeben, dass diese Kurse wieder raus müssen oder noch mal evaluiert werden sollen und dann wieder rein können in den Kursleitfaden."
    Prof. Rolf Rosenbrock ist Leiter der Abteilung Public Health im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, das Thema - Ungleichheit von Gesundheitschancen und deren soziale Bedingungen - auf der politischen Agenda zu halten.
    Er kritisiert, manche Kassen nähmen es durch den wachsenden Wettbewerbsdruck mit dem medizinischen Nutzen der Präventionsangebote nicht immer ganz genau.

    "Tatsächlich beobachten wir, dass die einzelnen Kassen, die nicht so sehr an die Beschlüsse ihrer Spitzenverbände gebunden sind, dann im Zweifel doch lieber mal schnell das Erholungswochenende oder den Inlineskatingkurs und so weiter als letztlich doch Werbegeschenk verteilen und das mit der Überschrift Prävention zu Unrecht versehen."
    Die Lebenserwartung der Menschen in der westlichen Welt hat sich im Laufe der letzten 150 Jahre nahezu verdoppelt. Diese Entwicklung ist nur zu 20 bis 40 Prozent auf medizinische Interventionen zurückzuführen. Eine viel größere Rolle spielen offenkundig die besser gewordenen Lebens- und Arbeitsbedingungen, die enormen Fortschritte bei Bildung, Hygiene und Ernährung, und die - im Vergleich zu früheren Jahrhunderten - doch geringere Umweltbelastung.
    Dem Trend zum längeren und besseren Leben folgten allerdings die Wohlstandskrankheiten auf dem Fuße. Sie belasten das Gesundheitssystem enorm und dem gesunden Lebensstil kommt zunehmend die Bedeutung eines moralischen Imperativs zu. Dabei zeigt sich der Gesundheitsbegriff über längere Zeit hinweg betrachtet als durchaus relativ. Im Altertum galt als gesund, wer genussfähig war, im Mittelalter wer glaubensfähig war und heute dürfen sich die zu den Gesunden zählen, die - arbeitsfähig sind. Diesen Zustand möglichst lange zu erhalten - daran muss gearbeitet werden. Vorbeugen, Voruntersuchen. Der Präzision der Diagnostik scheinen keine Grenzen gesetzt. Dr. Manfred Lütz, Neurologe, Theologe und Autor des Buches "Lebenslust":

    "Ja, die Frage ist: Was ist überhaupt gesund? Jemand hat mal gesagt: Gesund ist ein Mensch, der nicht ausreichend untersucht wurde: Wenn man bei einem Menschen 20 Untersuchungen macht, sind nur noch 36 Prozent gesund. Machen Sie 50 Untersuchungen, haben alle irgendeinen pathologischen Wert. Das müssen sie dann weiter kontrollieren, und dann ist letztlich jeder irgendwie krank."
    Ob das frühe Wissen über eine eventuell ausbrechende Krankheit immer nützlich ist, wird immer noch kontrovers diskutiert. Dennoch sind einige Krebsvorsorgeuntersuchungen inzwischen ein Muss. Wer an Krebs erkrankt und in Sachen Vorsorgeuntersuchung säumig war, wird an den Behandlungskosten, wenn auch bislang marginal, beteiligt. Es gibt Maluspunkte, das heißt Punkteabzug, ähnlich wie bei der Autosünderkartei in Flensburg. Umgekehrt wird Gesundheitsvorsorge belohnt. Bonuspunkte sind inzwischen ein Werbeinstrument der Krankenkassen.

    "Das heißt, wenn die Krankenkassen dazu übergehen, den gesunden Bereich des menschlichen Lebens sozusagen mitzuorganisieren, mit diesen Bonus-Malus Systemen geht das ja schon los, dann wird es tendenziell totalitär. Die Bonus-Malus-Systeme leben ja davon, dass man sagt: Wenn jemand auf Kosten der Solidargemeinschaft seine Gesundheit ruiniert, dann soll er gefälligst mehr Krankenkassenbeiträge bezahlen, als wenn jemand Körner isst und durch die Wälder rennt. Wie wollen sie das eigentlich kontrollieren?"
    Rolf Schwanitz, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit, SPD.

    "Ich bin nicht der Auffassung, das Präventionsfragen durch einen Malus, ich könnte auch sagen, durch eine Bestrafung organisiert werden kann. Solche Strafen, sind immer kurzfristig in ihrer Wirkungsweise. Wir reden aber bei Prävention über etwas ganz anderes. Wir reden über Langfristfragen in der Gesellschaft und die sind aus meiner Sicht nicht durch Strafe, sondern die sind nur durch Information und auch durch bewusstseinsverändernde und auch Verhältnisse gestaltende Dinge zu erreichen."
    Bislang mündete Präventionspolitik zumeist in Appelle und Kampagnen, die für das immer Gleiche warben: Bewusstere Ernährung und mehr Bewegung. Jüngste Beispiele: Die Initiative "Jeden Tag 3000 Schritte extra" sowie der Nationale Aktionsplan "IN FORM".
    "Wenn ich jetzt sehe, wie das Kampagnenkonzept benutzt wird, dann sehe ich eigentlich dahinter den fehlenden politischen Willen. Das sind doch ganz überwiegend Statements, die aus dem Fenster gehalten werden, damit man gesehen wird, wie man diese Statements spricht. Ich kann nicht erwarten, dass die Bevölkerung ihr Bewegungsverhalten verändert, wenn die Bundesgesundheitsministerin zehnmal mit einigen Promis und irgendwelchen lokalen Gruppen 3000 Schritte lang Spaziergänge unternimmt. Also, das ist einfach unplausibel","
    bemerkt Rolf Rosenbrock, der auch dem Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen angehört. Professor Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam ist ebenfalls skeptisch.
    ""Ich glaube, dass man nicht zu optimistisch sein darf, was die Breitenwirksamkeit dieser Kampagnen angeht. Die Älteren erinnern sich sicher noch an die Trimm-Dich-Bewegung, die es vor, glaube ich, 30 Jahren da mal gab, in der alten Bundesrepublik. Es wurden überall "Trimm Dich"- Pfade angelegt, die jetzt so langsam schon verrottet sind, aber man sieht sie manchmal noch in der Landschaft. Und trotz dieser damaligen Kampagne, sind ja die Deutschen im Durchschnitt schwerer geworden."
    Noch sind wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss Primärprävention auf die Gesundheit hat, rar. Keine Wissenschaft ist so wankelmütig, wie die von Essen und Trinken - schließlich wird auch im Auftrag der Ernährungskonzerne geforscht. Der Bodymaßindex wird zum Gesundheitsthermometer und Normen für das korrekte Körpergewicht werden eingeführt, doch wie lange werden sie gültig sein bis sie von neueren Erkenntnissen und neuen Ess- und Mess-Standards abgelöst werden? Mit Erhebungsmethoden aus der Medizin, die nur dort greifen, wo es eindeutige statistische Werte gibt, kommt man nicht weit.

    "Mit anderen Worten, ich kann sehr leicht messen, wenn ich ein Gesundheitsprogramm in einer Schule mache, ob hinterher der Anteil der Raucher von 38 auf 28 gefallen ist und dann habe ich zumindest kurzfristig einen Erfolg von zehn Prozent. Beim Impfen ist es noch einfacher. Wenn ich eine gute Impfung gegen Kinderlähmung und so weiter habe, kann ich praktisch die Krankheit ausrotten. Wenn ich eine medizinische Intervention evaluiere, messe ich: Wie viele Menschen sind nach fünf Jahren wieder gesund, oder haben überlebt. Das ist ein klarer Endpunkt. Der Endpunkt von Prävention ist ein langes gesundes gelungenes Leben. Das wirft völlig andere Messprobleme auf."
    Die Kriterien zur Evaluation von Präventionsprogrammen entstehen nicht von heute auf morgen.
    "Vieles, was wir heute in der Prävention machen, beruht auf zwei Prinzipien. Es beruht auf dem Prinzip der Analogie: Wir wissen, etwas hat woanders schon einmal funktioniert, deshalb sind wir optimistisch, dass es auch jetzt funktioniert, und der Plausibilität. Das klingt sehr weich, aber die Plausibilität ist ein ziemlich hartes Kriterium. Wir wissen sehr viel über Beweggründe, Variationsbreiten von menschlichem Verhalten und viele der Interventionen, die heute zum Beispiel als gesundheitsdienlich verkauft werden sind einfach unplausibel."
    Ohnehin erreichen solche Botschaften über die Vorzüge des gesunden Lebens meist nur jene, die ihrer am wenigsten bedürfen. "Preaching to the converted" nennt man das: zu denen predigen, die schon bekehrt sind. Die meisten Gesundheitskampagnen zielen ab auf Individualprävention; sie richten sich vorwiegend an den Mittelstand, an die Eigenverantwortlichen, die Aufgeklärten, jene, die willens und oft auch fähig sind, ihren Lebensstil zu ändern.
    Unterteilt man die deutsche Bevölkerung entsprechend ihrem sozialen Status in fünf Schichten, so tragen Angehörige des unteren Fünftels von der Wiege bis zur Bahre ein doppelt so hohes Risiko, ernsthaft zu erkranken oder vorzeitig zu sterben, wie Angehörige des oberen Fünftels. An diesem unteren Fünftel, das der Gesundheitsförderung am meisten bedarf, gehen die gängigen Präventionsangebote aber vorbei.
    Genau hier setzt das so genannte gesundheitsförderliche Setting an, ein Ansatz, der in der Primärprävention auch hierzulande zunehmend an Einfluss gewinnt. Setting - damit ist die Lebenswelt im Alltag gemeint. Das kann der Betrieb sein, die Schule, die Kindertagesstätte, Freizeit- und Senioreneinrichtungen, der Stadtteil. Anders, als die Verhaltens- oder auch Individualprävention, die den Einzelnen in die Verantwortung nimmt, konzentriert sich die Settingprävention auf Einrichtungen an denen Menschen zusammentreffen. Alle Akteure, die etwas verändern wollen, setzen sich zusammen und diskutieren: Was stört, was belastet uns, wo liegen die Konflikte, was können wir verändern. Partizipation ist der Schlüsselbegriff. Im Rahmen der HIV-Aidskampagnen wurde dieser komplexe Präventionsansatz hierzulande schon sehr erfolgreich umgesetzt. Professor Rolf Rosenbrock war einer der Hauptinitiatoren:

    "Und das ist immer ein unglaublich fruchtbarer Ansatz und wir finden ihn auch in sozial benachteiligten Stadtteilen, wo die Interessierten sich zusammensetzen und dann sehen: Wo sind Spielräume, wo wir gemeinsam etwas entwickeln können und das löst Entwicklungen aus, die sind immer wieder überraschend und anrührend und auch gesundheitlich wirksam. Und das ist, man kann es überspitzt sagen, ein Ansatz, ein gesundheitsförderliches Setting zu schaffen, so etwas wie eine synthetisch induzierte soziale Reformbewegung im jeweiligen Bereich."
    Vor allem die SPD wollte die Settingprojekte verbindlich im "Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention" verankern. Das Gesetz war lange geplant und sollte eigentlich 2005 in Kraft treten und Prävention neben Kuration, Pflege und Rehabilitation zur vierten Säule der gesundheitlichen Versorgung aufbauen. Durch die ausdrückliche Berücksichtigung im Gesetz, wären die Settingprojekte gegenüber der kassengetragenen Individual- oder auch Verhaltensprävention gestärkt worden. Das rot-grüne Gesetzesprojekt geriet dann aber nicht, wie geplant, in den Vermittlungsausschuss sondern in die Mühlen des vorgezogenen Wahlkampfes. Auch die folgende Große Koalition hatte die Verabschiedung des Gesetzes in ihren Vertrag geschrieben. Nun geht die Legislaturperiode auf die Zielgerade - ein Präventionsgesetz gibt es noch immer nicht. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen der Koalitionspartner.

    Dabei ist der Handlungsbedarf ist groß. Rolf Schwanitz:

    "Wir haben ein Ausgabevolumen in den gesetzlichen Krankenkassen ungefähr von 250 bis 260 Milliarden Euro, pro Jahr, und dort machen die Erkrankungen, die wir als Volkskrankheiten bezeichnen, die wir auch mit hoher Wahrscheinlichkeit von Fehlernährung und von Bewegungsmangel verursacht einschätzen können, einen großen Anteil aus, wir schätzen ein Drittel von dieser Zahl."

    Ein Promille dieser Zahl, nämlich 250 Millionen Euro, aufgebracht von den Sozialversicherungen, stände der Primärprävention laut Gesetzentwurf zu und würde auf drei Handlungsebenen verteilt. 50 Millionen Euro gingen an die "Stiftung Prävention und Gesundheitsförderung" angesiedelt auf Bundesebene. Dort säßen Vertreter der Sozialversicherungsträger, also der Gesetzlichen Krankenversicherungen- die Privaten wollen außen vor bleiben - der Rentenversicherung, der Unfallversicherung und der Pflegeversicherung. Außerdem vertreten sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Robert-Koch-Institut. Die Stiftung soll Präventionsziele und Qualitätsstandards formulieren, diese evaluieren und Aufklärungskampagnen starten.
    100 Millionen Euro sind im Gesetzentwurf vorgesehen für die Sozialversicherungsträger, damit diese ihre laufenden Projekte, wie beispielsweise die Individual- und betriebliche Prävention fortführen können.
    Auf Länderebene soll - so heißt es im Gesetzentwurf - in jedem Bundesland ein Präventionsrat entstehen, zuständig für die Mittelvergabe an Initiatoren von Settingprojekten. Dafür sind ebenfalls 100 Millionen Euro eingeplant. Das wären 40 Prozent der Präventionsmittel. Eine enorme Steigerung, denn momentan stehen den Settingprojekten sechs Prozent zur Verfügung. Dieser Gedanke, die Gelder für Settingprojekte in einem Topf zusammenzuführen und von den Ländern verteilen zu lassen, fand auch im zweiten Anlauf zum Gesetzgebungsverfahren im Oktober 2007 keine Zustimmung bei der CDU. Das Präventionsgesetz scheiterte erneut. Annette Widmann Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU- Fraktion.
    "Man kann natürlich sagen, und das war der Ansatz der SPD: Um Qualität zu erreichen, stellen wir alles in Frage, und modellieren alle Maßnahmen neu. Oder man kann sagen: Nicht alles, was an Präventionsmaßnahmen in der Vergangenheit geleistet wurde, war zwar effizient, es gab auch manches, was sicher verbesserungswürdig war. Aber das, was sich bewährt hat, insbesondere in der betrieblichen Gesundheitsvorsorge und in der betrieblichen Prävention, das muss nicht erst in Frage gestellt werden, und wieder mühsam zurückgeholt werden in die Krankenkassen, sondern auf dem kann man aufbauen - und da haben sich die Geister am Ende geschieden, in welchem Ausmaß bürokratische Institutionen notwendig sind oder nicht."
    Klaus Schwanitz, parlamentarischer Staatsekretär im SPD-geführten Gesundheitsministerium verortet die Meinungsverschiedenheit an anderer Stelle:

    "Zunächst erst einmal ist klar, keiner will bestehende Strukturen zerschlagen, sondern wenn es in einem Land schon einen Präventionsrat gibt, oder eine Arbeitsgemeinschaft, dann soll die natürlich als Struktur auch genutzt werden. Der harte Dissenspunkt zwischen uns, der SPD, und der CDU/CSU auf der anderen Seite, ist der Streit, ob künftig auch weiterhin über die Primärprävention, jede Kasse allein, isoliert für sich entscheiden soll. Und da sagen wir klar: Nein! Man muss moderne Prävention in die Lebenswelten der Leute holen, wo momentan überhaupt keine Prävention stattfindet. Zum Beispiel im Wohnquartier, zum Beispiel dort, wo Arbeitslosigkeit ist. Das geht alles nicht, wenn man jede Kasse allein nach ihren noch dazu Marktinteressen zur Anwerbung von Versicherten weiterhin ausschließlich agieren lässt."
    Annette Widmann-Mauz fürchtet, dass Krankenkassen zu Bittstellern ihres eigenen Beitragsgeldes würden, spricht gar von Vergesellschaftung. Sie sieht die Notwendigkeit von Settingprojekten ein und will sie unterstützen, aber bitte nicht durch weniger Wettbewerb zwischen den Krankenkassen.
    "Der Gesundheitsfonds wird sicherlich dazu führen, dass Krankenkassen stärker im Wettbewerb untereinander stehen und bei den Dimensionen, die Volkskrankheiten, die durch Lebensweise beeinflussbar sind, auch in den Kosten gestaltbar sind, bei der Bedeutung, die Prävention hat, in Zukunft, wird es sicherlich auch ein Wettbewerbsvorteil sein, wenn Krankenkassen entsprechend strukturiert und gut gemanagt ihre Patientinnen und Patienten und Versicherten im System leiten."

    "Moderne Prävention muss hochanteilig Settingprävention sein, im Lebensweltenbereich und da darf Wettbewerb keine Rolle spielen. So wie wir das in den Schulen heute schon bei der Zahnprophylaxe haben. Dort handeln auch alle Krankenkassen zusammen und so muss das in der Kindertagesstätte auch sein."
    Die Fronten sind verhärtet. Doch wenn die Settingprogramme nicht in eine verbindliche Organisationsstruktur eingebunden werden, wie es das Präventionsgesetz vorsah, blüht ihnen vermutlich weiterhin nur ein Schattendasein im Rahmen von Modellprojekten. Angeblich ist das Präventionsgesetz noch nicht gänzlich gestorben.

    Sollte es in der nächsten Legislaturperiode also zu einem erneuten Anlauf kommen, wird die Zukunft der Settingprojekte entscheidend von der Besetzung des Bundesgesundheitsministeriums abhängen.