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Bessere Modelle für bessere Vorhersagen

Meteorologie. - Die Wettervorhersage scheint trotz wachsender Rechnerkapazität immer noch eine Art Glücksspiel zu sein. Das Problem ist, dass die Klima- und Wettermodelle zu grob sind, um das oft sehr lokale Wetter ausreichend vorherzusagen. Auf der Meteorologentagung im englischen Reading diskutierten die Experten daher über eine Verbesserung ihrer Werkzeuge.

06.09.2002
    Von Volker Mrasek

    In Zeiten sommerlicher Rekordniederschläge und Hochwasser-Pegel zeigt sich einmal mehr: Klimaforscher und Wetterfrösche besitzen das gleiche Handwerkszeug. Wenn sie nicht nur ein paar Stunden, sondern Tage oder Wochen in die Zukunft schauen wollen, dann brauchen auch Meteorologen dafür "globale Zirkulationsmodelle". Das sind jene aufwändigen Rechensimulationen, die das Wettergeschehen auf der ganzen Erde nachstellen und nur von Supercomputern bewältigt werden. Wenn die Öffentlichkeit gerade in diesen Tagen frühere Warnungen vor katastrophalen Unwettern verlangt, dann geht es deshalb im Kern um die Frage: Lassen sich die - relativ groben - globalen Modelle in diesem Sinne verbessern? Doch da geben sich Meteorologen wie Ulrich Damrath vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach bedeckt:

    Es ist vor allem das Problem der horizontalen Auflösung. Die normale Verlagerung von Niederschlagsfeldern im Rahmen von Tiefdruckgebieten, an Kaltfronten, an Warmfronten - das ist etwas, was ein globales Modell gut kann. Wenn jetzt aber diese Kaltfront oder Warmfront auf ein Hindernis trifft - sei es das Sauerland, sei es jetzt 'mal der Schwarzwald oder der Thüringer Wald, das Erzgebirge - dann ...

    ... ja, dann sind die groben Modelle überfordert. Denn ein einzelnes deutsches Mittelgebirge ist schon zu klein, um in der simulierten Rechner-Welt aufzutauchen. Überhaupt ist die Niederschlags-Vorhersage ein Schwachpunkt der globalen Zirkulationsmodelle. Das bestätigen jetzt Analysen in verschiedenen Wetterzentren, an denen auch Damrath beteiligt war und deren Ergebnisse er in Reading vorstellte:

    Also, man kann so ein paar Grundthesen aufstellen, zumindest / wie sie sich aus dieser Studie ergeben. Niederschlag ist im Winter leichter vorherzusagen als im Sommer. Die Vorhersage-Qualität ist am besten für geringe Niederschläge. Für extreme Niederschläge ist sie nicht so gut. Und alle Modelle haben die gleichen Schwierigkeiten.

    Warum es jahreszeitliche Unterschiede in der Niederschlagsprognose gibt, ist leicht nachzuvollziehen. Denn es deckt sich mit den Erfahrungen, die wir alle machen. Auch Meteorologen wie William Gallus von der Universität Iowa in den USA:

    Im Winter bedeckt Regen meist ganze Landstriche, und das mit gleicher Stärke. Ausgelöst wird er durch das Aufeinandertreffen von Kalt- und Warmfronten. Das sind großräumige Prozesse. Sie werden von den Modellen sehr gut erfasst. Im Sommer dagegen fällt Niederschlag oft örtlich, hervorgerufen durch kleinräumige Konvektionsprozesse, also wenn erwärmte Luft aufsteigt. Das heißt: Man kann im Sommer mit einer Prognose furchtbar daneben liegen. Man sagt den Wolkenbruch für einen Punkt voraus, der trocken bleibt. Stattdessen trifft es den zehn Kilometer entfernten Nachbarort, und zwar völlig unvorbereitet.

    Auch dass sich ein schwacher Regen mit ein, zwei Millimetern pro Tag leichter prognostizieren lässt als ein Extrem-Niederschlag mit zehn oder zwanzig Millimetern, hat ganz ähnliche Gründe. Denn ein Landregen tritt in aller Regel großflächig auf, der Wolkenbruch aber halt örtlich. Die Prognosen der Wetterfrösche sind in den letzten Jahren durchaus besser geworden. Doch lediglich im Fall von leichten und mittleren Niederschlägen. Bei der Vorhersage starker Sommer-Regenfälle treten die Meteorologen eher auf der Stelle. Auch in Iowa übrigens, wo Universitätsforscher Gallus auch eine andere Entwicklung mit Sorge sieht:

    In der Meteorologie haben wir das letzte Jahrzehnt genossen. Dass sich die Rechenleistung von Computern so erhöht hat, war wundervoll. Wir konnten unsere Modelle und unsere Vorhersagen dadurch immer weiter verbessern. Aber neuerdings müssen wir erkennen, dass das womöglich nicht mehr länger der Fall ist. Viele meiner Kollegen hier in Reading berichten, dass eine höhere Auflösung im Modell offenbar keine Fortschritte bei der Niederschlagsvorhersage mehr bringt.

    Schlechte Aussichten also für schnellere Unwetter-Warnungen durch die Wetterdienste. Allerdings betreibt der Deutsche Wetterdienst ja auch noch ein viel feineres regionales Vorhersagemodell. Das kann extremen Regen über Mitteleuropa immerhin 48 bis 72 Stunden im voraus erkennen. Besser geht es heutzutage nicht.