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Bestände gefährdet

Am Dienstag treffen sich in Brüssel die für Fischerei zuständigen Minister der Europäischen Union. Es gilt, die Fangquoten für das kommende Jahr auszuhandeln. Auf der Tagesordnung ganz oben dürfte vor allem der Rotbarsch stehen. Um zwei Drittel sollte die Gesamtfangquote nach Meinung von Fischereiexperten reduziert werden - da ist Widerstand zu erwarten von denen, die mit dem Fisch Geld verdienen.

Von Lutz Reidt | 20.12.2004
    Der Rotbarsch zählt zu den bevorzugten Speisefischen der Deutschen. Seine Heimat sind die tieferen Meeresbereiche des Nordatlantiks, von Grönland im Westen über Island bis nach Norwegen im Osten. Offenbar geht es dem Rotbarsch weitaus schlechter als bislang angenommen, sagt Professor Gerd Hubold von der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg:

    Es hat sich herausgestellt, dass möglicherweise dieser Bestand deutlich abgenommen hat in den letzten Jahren, und zwar stärker als wir das bisher belegen konnten, so dass in diesem Jahr eine vorsorgliche Reduzierung um zwei Drittel - was also sehr erheblich ist - ausgesprochen wurde. Und diese Reduzierung der Rotbarschfänge um zwei Drittel trifft auch die deutsche Fischerei in erheblichem Maße - wenn sie denn so umgesetzt wird!

    Zweifel an der Umsetzung sind berechtigt. Als deutsches Mitglied des Internationalen Rates für Meeresforschung hat es Gerd Hubold oft genug erlebt, dass die Empfehlungen der Fachleute von den Fischereipolitikern - wenn überhaupt - nur halbherzig angenommen wurden.

    Bestes Beispiel ist der Kabeljau in der Nordsee. Das dritte Jahr in Folge empfehlen die Fischerei-Experten ein Fangverbot, damit sich der Restbestand wieder erholen kann. Doch bislang sind die Politiker mit ihren Entschlüssen eher den Forderungen der Fischer gefolgt, die verbliebenen Kabeljaus auch noch fangen zu dürfen.

    Wissenschaftler wie der Fischereibiologe Dr. Kornelius Hammer folgen bei ihren Empfehlungen dem Vorsorgeprinzip - dies auch den Fischern zu vermitteln, ist schwierig:

    Natürlich. Für einen Fischer, der fängt, springen die Fische immer an Deck, wollen aus der Nordsee in sein Netz und er darf nicht. Das ist natürlich eine Situation, die dem Fischer nicht leicht zu erklären ist. Nichtsdestotrotz: Wenn man die Entwicklung der Fischereibestände über die Jahre betrachtet, dann sieht man eindeutig für fast alle Bestände, dass im Laufe der Jahre der fischereiliche Druck auf die Bestände immer größer geworden ist und kontinuierlich die Biomasse letztendlich auch niedriger geworden ist. Das ist eine Tatsache, da können auch die Fischer nicht drum herum. Letztendlich bauen wir die Bestände für die Fischer auf. Wir versuchen, möglichst viele Bestände möglichst langfristig auf einem möglichst hohen Niveau zu bekommen überhaupt - für das Wohl der Fischerei! Das darf man dabei nicht vergessen.

    Der Kabeljau-Bestand in der Nordsee könnte sich bei einem Fangstopp innerhalb von drei bis vier Jahren soweit erholen, dass er wieder wirtschaftlich befischt werden könnte. Das zeigen neueste Modellrechnungen des Internationalen Rates für Meeresforschung. Ein solches Regenerationsvermögen hat der Rotbarsch im Nordatlantik dagegen nicht, mahnt Gerd Hubold:

    Wir müssen bedenken, dass beim Rotbarsch - wenn wir hier Fehler machen - dieser Bestand über viele, viele Jahre sich nicht wieder aufbauen wird. Im Gegensatz zu einer fruchtbaren, schnelllebigen Art wie dem Kabeljau ist beim Rotbarsch ein Fehler in der Bewirtschaftung praktisch nicht mehr gut zu machen; das heißt, der Rotbarsch muss erst mal viele Jahre heranwachsen, bevor er überhaupt erstmalig sich reproduziert; und wenn er sich dann fortpflanzt, erzeugt er eine relativ kleine Anzahl von Larven, die er lebend zur Welt bringt. Insofern müssen wir hier auch eine deutliche Warnung aussprechen, dass man hier auf jeden Fall sehr vorsorglich an die Bewirtschaftung herangeht.

    Dass dieses Vorsorge-Prinzip durchaus langfristig erfolgreich sein kann, zeigt das Beispiel des Herings in der Nordsee. Ende der 70er Jahre noch war sein Bestand dermaßen überfischt, dass ihn erst ein totaler, mehrjähriger Fangstopp retten konnte. Ähnliches würde sich Gerd Hubold nun auch für den Kabeljau in der Nordsee wünschen:

    Der Hering ist weniger fruchtbar als der Kabeljau, hat eigentlich noch weniger Potenzial. Und die Tatsache, dass es beim Hering gelungen ist, zeigt, dass wir hier sehr gute Voraussetzungen haben. Wir haben damals genau sagen können, welche Fischereien geschlossen werden müssen; und als man das dann ernsthaft umgesetzt hat, hat sich dieser Herings-Bestand sehr, sehr schnell auf sehr große Größen wieder erholt. Wir haben heute einen Herings-Bestand in der Nordsee, der größer ist als jemals zuvor und auch sehr ausgiebig genutzt werden kann.