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Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Das Bundesverfassungsgericht hat 1986 deutlich gemacht, dass zwischen privatem Radio und Fernsehen und dem öffentlich-rechtlichen ein qualitativer Unterschied besteht. Die Richter urteilten, dass die gebührenfinanzierten Programme die Grundversorgung sicherstellen sollen.

Von Hartmut Goege | 04.11.2011
    "Das Bundesverfassungsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 1986 für Recht erkannt. Römisch erstens, arabisch erstens, Paragraph 3, Absatz 3, Satz 4 des niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 23. Mai 1984, ist mit Artikel 5, Absatz 1, Satz 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig."

    Am 4. November 1986, 10 Uhr morgens, begann Roman Herzog, damals Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, mit einer 90-seitigen Urteilsverlesung. Gegen Mittag war klar: Das Gericht hatte wesentliche Punkte des niedersächsischen Rundfunkgesetzes von 1984 gekippt. Über 200 SPD-Bundestagsabgeordnete hatten dagegen geklagt. Sie sahen in dem Gesetz einen schweren Verstoß gegen Artikel 5 des Grundgesetzes, der lautet:

    "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet."

    Was war der Hintergrund? Als 1984 das von der CDU forcierte Privatfernsehen startete, hatte sich Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht gleich ein eigenes Mediengesetz gegönnt. Darin sollte das Ministerium als oberste Landesbehörde für Lizenzvergaben von Privatprogrammen zuständig sein. Das hätte unter Umständen der Landesregierung in Hannover die Möglichkeit verschafft, unliebsamen Veranstaltern Lizenzen zu verweigern. Zuviel Staatseinfluss, wie die Verfassungshüter fanden. Denn schon 25 Jahre zuvor war im sogenannten 1. Rundfunkurteil ausdrücklich festgestellt worden, Rundfunk und Fernsehen müssen staatsfern organisiert werden. Egon Schunck, Sprecher des Bundesverfassungsgerichtes 1961:

    "Artikel 5 verlangt jedenfalls, dass dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staate noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird."

    Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte jahrelang ein eigenes privates Regierungsfernsehen aufbauen und hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ihm die politische Unabhängigkeit von Rundfunk und Fernsehen ein Dorn im Auge war, zumal er in den Führungsetagen der Sender ohnehin Parteigänger der oppositionellen SPD vermutete.

    "Das ist eine Hinterlassenschaft der englischen Besatzung. Damals glaubte sie, sie würde demokratisch handeln und der Demokratie helfen, wenn sie die öffentliche Meinung möglichst in die Hände der SPD gäbe. Und an dieser harten Nuss knabbern wir jetzt noch."

    Die Nuss wurde schließlich geknackt. Waren seit Gründung der Bundesrepublik Radio und Fernsehen ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Anstalten vorbehalten, so war seit Beginn der 80er-Jahre der Unionskurs Richtung Privatfunk verfassungsrechtlich nicht mehr zu stoppen.
    Schon 1981 hatten die Karlsruher Richter im 3. Rundfunkurteil eine duale Ordnung von privaten neben den öffentlich-rechtlichen Anstalten erlaubt. Das neue Urteil 1986 machte allerdings deutlich, dass zwischen privatem Radio und Fernsehen und öffentlich-rechtlichem ein qualitativer Unterschied zwangsläufig existiere. Denn, so Roman Herzog:

    "Die Programme privater Anbieter vermögen der Aufgabe umfassender Information nicht im vollen Ausmaß gerecht zu werden. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass die Rundfunkprogramme privater Anbieter Informationen nicht in der vollen Breite der Meinungen und kulturellen Strömungen vermitteln werden."

    Das Gericht stellte deshalb ausdrücklich fest, zentrale Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender sei die Grundversorgung. Private seien ausschließlich auf Werbeeinnahmen angewiesen.

    "Die Anbieter stehen deshalb vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit, möglichst massenattraktive unter dem Gesichtspunkt der Maximierung der Hörer und Zuschauerzahlen erfolgreiche Programme zu möglichst niedrigen Kosten zu verbreiten."

    Objektiv könnten alle mit dem Urteil zufrieden sein, fand der damalige ARD-Prozessbevollmächtigte und Rundfunkrechtler Professor Herbert Bethge:

    "Es bestätigt den Stellenwert zwar des privatrechtlichen Rundfunks, aber man muss auch ins Kalkül ziehen, dass für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr gute Aussagen getroffen worden sind. Seine Pflicht zur essenziellen Grundversorgung ist bestätigt worden."

    Und damit auch unmissverständlich eine Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.