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Bestechungsgeld für U-Boot-Aufträge

Das hoch verschuldete Portugal hat für über 800 Millionen Euro zwei deutsche U-Boote erstanden. Überschattet wird der Ankauf von einer Korruptionsaffäre. In München müssen sich zwei ehemalige Ferrostaal-Manager wegen der Zahlung von Schmiergeldern vor Gericht verantworten.

Von Tilo Wagner | 15.12.2011
    Im ruhigen Brackwasser eines Marinestützpunktes vor den Toren Lissabons liegen zwei nagelneue U-Boote. Über 2000 Kilometer Küste muss Portugal kontrollieren. Außerdem hat das Land exklusive Nutzungsrechte an einer riesigen Wirtschaftszone im Atlantik. Dazu kommt die Bekämpfung des internationalen Drogenhandels. Von Südamerika gelangen die Drogen über Westafrika in die portugiesischen Gewässer. Zudem will Portugal auch in Zukunft einen bedeutenden Marinestützpunkt der NATO behalten. Der Sicherheitsexperte José Anes sieht viele Gründe, die für die teure Neuanschaffung sprechen:

    "Unsere Marine befindet sich in einem schlechten Zustand. Viele Schiffe sind überaltert, uns fehlen zusätzliche Mittel. Die Anschaffung der U-Boote war sehr umstritten. Auch ich habe die Bedeutung nicht sofort verstanden. Doch die Boote können viele Aufgaben übernehmen, etwa im Schutz vor elektronischer Kriegsführung und im Cyberkrieg. Sie sind für Portugals Sicherheitskonzept von zentraler Bedeutung."

    Doch an den beiden Kriegsschiffen hat sich bereits jede Menge Ärger entzündet.

    Das Essener Unternehmen Ferrostaal hat die Boote vor über einem Jahr geliefert. 880 Millionen Euro haben sie gekostet – immerhin ein halbes Prozent der portugiesischen Staatsausgaben von 2010. Und das in Zeiten, in denen drastisch gespart werden muss. Wer so viel Geld für Rüstung ausgibt, erhält normalerweise entsprechende Gegenleistungen. Teile der Kriegsgeräte werden vor Ort gebaut oder montiert, sodass der Auftraggeber einen Mehrgewinn durch neue Arbeitsplätze und Technologietransfer hat. Doch im Falle der U-Boote lief es wie so häufig für Portugal in den letzten Jahrzehnten. Der Staat bezahlte die Rechnung an ausländische Militärkonzerne, Gegenleistungen jedoch gibt es so gut wie keine. Woran das liegt?

    "Die Hauptschuld für diese schlechten Geschäfte tragen die zuständigen portugiesischen Behörden und Ministerien. Denn sie haben es versäumt, eine nationale Strategie festzulegen, wie Gegenleistungen für militärische Rüstungsimporte festgelegt werden können. Zudem hat die portugiesische Industrie keinen Druck aufgebaut, dass die Gegenleistungen tatsächlich umgesetzt werden. Und dann sind da noch die ausländischen Unternehmen, die von den Schwächen in Portugal bewusst profitiert haben. An die vertraglich festgelegten Gegenleistungen hat man sich selten gehalten."

    Der ehemalige sozialistische Abgeordnete Joaquim Ventura Leite hat vor ein paar Jahren im Parlament eine Untersuchungskommission zu den portugiesischen Militärgeschäften geleitet. Er erhebt schwere Anschuldigungen:

    "Wir haben herausgefunden, dass die portugiesischen Behörden bei den Verhandlungen von Rüstungsimporten und Gegenleistungen entweder vollkommen inkompetent oder sehr nachlässig sind. Wenn sie nicht inkompetent oder nachlässig waren, haben sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bestechen lassen."

    Der Verkauf der beiden deutschen U-Boote an Portugal scheint diese Vermutung zu bestätigen. Denn die Korruptionsvorwürfe treffen nicht nur die deutschen Manager, die dem Honorarkonsul Portugals in München 1,6 Millionen Euro Schmiergeld bezahlt haben sollen. Die Staatsanwaltschaft in Lissabon hat zwei Verfahren eingeleitet, in denen portugiesischen Behörden und Unternehmen Bestechung und Betrug vorgeworfen werden.

    Wann der Prozess um das U-Boot-Geschäft in Portugal beginnt, ist derzeit allerdings unklar. Laut Presseberichten fehlt der Staatsanwaltschaft das nötige Geld, um wichtige Dokumente aus dem Münchner Prozess vom Deutschen ins Portugiesische übersetzen zu lassen.