Donnerstag, 18. April 2024

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Bestechungsvorwürfe um WM-Vergaben
Die US-Justiz macht ernst

US-Strafermittler klagen an, dass die WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 gekauft waren. Mit ihrer Anklage zielt die US-Justiz einen Warnschuss für die unfähigen Kollegen in der Schweizer Bundesanwaltschaft, kommentiert Thomas Kistner. Die Schweizer Ermittler stehen wie Hobbydetektive da.

Von Thomas Kistner | 07.04.2020
Jack Warner (l.) 2009 mit Sepp Blatter
Rund um die Vergabe der WM 2018 nach Russland soll der umstrittene karibische Sportfunktionär Jack Warner (li.) Millionen bekommen haben. (imago Sportfoto)
Die neue US-Anklage zum Korruptionskomplex um den Fußball-Weltverband FIFA wirkt dünn belegt – zugleich verfährt sie hart wie nie mit den WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022: Beide seien gekauft worden, hält das Dokument fest. In nie dagewesener Klarheit.
Das erweckt einen pikanten Verdacht: Die weitreichende, schwach unterfütterte Anklage wurde in großer Eile erstellt. Und Tatsache ist, dass niemand mit einem solchen Vorstoß gerechnet hat – in einer Zeit, da wegen des Coronavirus' der ganze Planet stillsteht. Aber warum die Eile?
Warnschuss für die Schweizer Bundesanwaltschaft
Sieht man, was sich in all den Korruptionsermittlungen rund um die FIFA in der Schweiz so tut, dürfte diese Anklage ein lauter Warnschuss an eine Partei sein, die schon länger den wachsenden Unmut der US-Justiz auf sich zieht: Ein Warnschuss für die abenteuerlich unfähigen Kollegen in der Schweizer Bundesanwaltschaft.

Die haben es ja geschafft, ihre gesamten Fußballermittlungen, zwei Dutzend an der Zahl, zum Kippen zu bringen. Die bizarren Geheimtreffen des Behördenchefs Michael Lauber mit dem affärengestählten FIFA-Boss Gianni Infantino stoßen für alle Beklagten die Tür weit auf, sie können und werden ihre Prozesse wegen Befangenheit der Bundesanwaltschaft anfechten.
FIFA-Präsident Gianni Infantino und Rinaldo Arnold verschwitzt nach einem Fußballspiel bei der FIFA in Zürich
FIFA-Präsident Gianni Infantino (r.) pflegt beste Kontakte zur Schweizer Bundesanwaltschaft (picture alliance / KEYSTONE / ENNIO LEANZA / dpa)
So, wie es die Beklagten im deutschen WM-Sommermärchen 2006 bereits tun. Mit Erfolg, dieser Prozess ist de facto so gut wie geplatzt, in wenigen Tagen wird Vollzug gemeldet.
Die Kumpanei stört massiv
Das erzürnt die Amerikaner. Sie arbeiten seit acht Jahren am globalen Korruptionskomplex der Fußballwelt, haben große Erfolge erzielt und wollen jetzt an die wichtigsten Leute heran, an die FIFA-Vorstände.
Da ist die Kumpanei zwischen FIFA-Patron und selbstgefälligen Schweizer Szenejuristen das letzte, was es braucht. Denn das bringt sämtliche Verfahren in Gefahr, in die so viele Millionen Dollar und Schweizer Franken aus Steuergeldern verschiedener Länder geflossen sind.

Die US-Justiz macht ernst: Das lässt die Schweizer Ermittler wie Hobbydetektive dastehen. Und bedrohlich ist es für Infantino. Denn wenn die Amerikaner im angekündigten Verfahren Stimmkäufe bei der WM-Vergabe an Katar nachweisen, drohen diesem Turnier, das erst in zweieinhalb Jahren stattfindet, gewaltige Konsequenzen.
Im Nebel stehen die Hochhäuser der Skyline von Doha, Katar, am 15.0.2014.
In Katar soll im Dezember 2022 die WM stattfinden. Korruptionsvorwürfe gibt es seit der Vergabe. (dpa/EPA/Yoan Valat)
Es absagen und an einen anderen Ausrichter vergeben kann nur die FIFA, das aber wird Infantino unterlassen. Deutlich ist zu sehen, dass ihn Katar fest im Griff hat - womit auch immer.
Katar drohen unschöne Auswirkungen
Er hat es nicht geschafft, die WM 2022 auf 48 Teilnehmer aufzublasen und auf Katars Nachbarstaaten zu verteilen.
Und als Laubers Leute kürzlich ein Korruptionsverfahren im Kontext von WM-Fernsehrechten gegen Katars Spitzenvertreter Nasser al-Khelaifi eröffnen wollten, zog die FIFA ihre Klage im letzten Moment zurück. Erstaunlich – warum nur? Und wie kann sie sich als Opfer bezeichnen, wenn sie nicht jeder Geldspur entschlossen nachgeht?
Die FIFA gerät bereits ins Wackeln. Und wenn die US-Justiz Katar 2022 tatsächlich als korrupt brandmarkt, wird das Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeiten rund um das Event haben. Für Sponsoren und für TV-Vermarkter, denen die Amerikaner dann Auflagen erteilen könnten.
Ganz abgesehen davon, dass dieses Winter-Wüsten-Event ohnehin eines ist, das sich die globale Fußballgemeinde niemals gewünscht hat.