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Bestellt und nicht abgeholt

Raumfahrt. - Seit wenigen Tagen ist Europas Raumlabor Columbus Teil der Internationalen Raumstation. Mit Columbus soll die Forschung in der Umlaufbahn eine bedeutende Rolle spielen. Doch ein anderes, ebenfalls für die ISS geplantes und gebautes Forschungsinstrument wird den Sprung in den Orbit wohl nicht mehr schaffen.

Von Dirk Lorenzen | 18.02.2008
    2010 werde man den Space Shuttle nach fast 30 Dienstjahren ausmustern, so US-Präsident George Bush bei der Verkündung seiner neuen Weltraumpolitik vor vier Jahren. Man werde die Raumstation fertig stellen und die Verpflichtungen den internationalen Partnern gegenüber erfüllen. Doch hier sagte der Präsident nur die halbe Wahrheit: Denn bei derzeit nur noch elf geplanten Shuttle-Flügen zur ISS wird der Außenposten im All ein Rohbau bleiben: Einige für die ISS vorgesehene Module und wissenschaftliche Instrumente kommen nicht mehr nach oben. Besonders hart trifft es das internationale Team um Maurice Bourquin, Physiker an der Universität Genf, das das Alpha Magnetic Spectrometer, AMS, baut.

    "Derzeit ist AMS für keinen der verbliebenen Shuttle-Starts vorgesehen. Diese Entwicklung hat uns sehr überrascht. Erst hat das Unglück der Raumfähre Columbia alles verzögert. Dann hat sich die Nutzung der Raumstation geändert. Es geht jetzt mehr um Missionen zum Mond und zum Mars. Wir verhandeln mit der Nasa und sprechen auch mit Mitgliedern des US-Kongresses. Sollte die Nasa kein Geld für einen zusätzlichen Shuttle-Flug haben, hoffen wir auf Hilfe des Kongresses, um der Nasa die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen."

    Eine fast schon verzweifelte Hoffnung. Denn der Kongress ist eher dafür bekannt, den Nasa-Etat zu kürzen als ihn zu erhöhen. Dabei steht die Bedeutung von AMS wissenschaftlich außer Frage. AMS soll messen, welche Teilchen durch den Kosmos fliegen. Die Forscher interessiert vor allem, ob es noch immer Teilchen der Antimaterie im Weltall gibt. Unmittelbar nach dem Urknall müssten Materie und Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sein. Treffen Materie und Antimaterie aufeinander, zerstrahlen sie zu purer Energie. Warum es aber offenbar etwas mehr Materie als Antimaterie gegeben hat und somit der heute beobachtbare Kosmos entstehen konnte, ist eines der größten Rätsel der Physik. AMS soll helfen, es zu lösen.

    "Die Raumstation ist ein sehr günstiger Ort für solche Forschung. Man ist oberhalb der Atmosphäre, dort oben gibt es Strom und man kann große Datenmengen zum Boden schicken. Nach Antimaterie kann man nicht am Erdboden suchen. Denn in der Erdatmosphäre zerstrahlen diese Teilchen sofort. AMS auf einen eigenen Satelliten zu setzen und mit einer anderen Rakete zu starten, wäre eine sehr teure Alternative. Mit seinen sieben Tonnen Gewicht, kommt AMS kaum mit anderen Raketen hoch."

    Schon 1998 war eine Vorstufe mit dem Space Shuttle für zehn Tage im All – Antimaterie ließ sich damals nicht entdecken. 2009 sollte das große AMS starten: Das Instrument - zwei Meter hoch, drei Meter im Durchmesser - kostet mit 1,5 Milliarden US-Dollar deutlich mehr als Europas Raumlabor Columbus. Weil heute, wenn überhaupt, nur noch sehr wenige Teilchen der Antimaterie im All existieren, ist der Nachweis entsprechend aufwändig, erklärt Maurice Bourquin.

    "Wir haben ausgerechnet, dass wir bei drei Jahren Forschungszeit im All einige wenige Teilchen der Antimaterie sehen könnten. Aber selbst das würde uns zeigen, dass es im Universum diese Art von Materie immer noch gibt."

    Jede Messung von Antimaterie im All wäre für die Forscher ein Riesensprung, um die Entstehung des Kosmos besser zu verstehen. So gilt jetzt das Prinzip Hoffnung: Schließlich hat die Nasa auch beim Weltraumteleskop Hubble die Entscheidung revidiert, es nicht mehr im All generalüberholen zu lassen. Zudem unterstützt die Nasa derzeit weiter die Fertigstellung von AMS. Ende des Jahres wird das Gerät von Genf zum Kennedy Space Center gebracht. Dann kommt es entweder doch noch nach oben oder es bleibt als sündhaft teure Investitionsruine am Boden.