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Besuch bei den Sternen
Lange Wege für interstellare Raumsonden

Seit die Raumsonde "New Horizons" voriges Jahr an Pluto vorbeigeflogen ist, haben alle klassischen Planeten des Sonnensystems Besuch von der Erde erhalten. Denn beim Start von "New Horizons" war Pluto ja noch ein Planet. Also, auf zu neuen Ufern: Inzwischen diskutieren Wissenschaftler und Raumfahrtingenieure über nächste mögliche Ziele.

Von Guido Meyer | 29.09.2016
    Computergrafik der NASA-Sonde New Horizons
    Die NASA-Sonde "New Horizons" ist vor einigen Monaten am Pluto vorbeigeflogen. Sie könnte als Vorbild für eine interstellare Sonde dienen (imago)
    Als es Anfang des Jahres Hinweise auf einen neunten Planeten im Sonnensystem gab - "Planet Nine" -, da war die Euphorie unter den Astronomen groß. Das Sonnensystem hatte wieder seine neun Planeten. Aber noch klafft eine Lücke im Familienalbum. Und so macht sich Mark Hofstadter vom Jet Propulsion Laboratory im kalifornischen Pasadena Gedanken darüber, in welchem Zeitraum sich "Planet Nine" erreichen ließe, um das fehlende Foto zu schießen:
    "Wir könnten sicherlich eine Sonde dorthin schicken. Ihre Mission würde der von "New Horizons" ähneln, die vor einigen Monaten am Pluto vorbeigeflogen ist. Es wäre ein kleines, leichtes Raumschiff, das extrem schnell fliegen müsste. Aber wir reden hier immer noch von mehr als zehn Jahren, vielleicht sogar mehreren Jahrzehnten, ehe wir dort einträfen."
    Der Pluto, fotografiert von der Sonde New Horizons
    Der Pluto, fotografiert von der Sonde New Horizons (Nasa)
    Dass nur ein kleines, leichtes Raumschiff für solch eine jahrzehntelange Mission in Frage kommt, glaubt auch Marta Rocha vom Goddard Space Flight Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Greenbelt, Maryland:
    "Je geringer das Gewicht, desto schneller kann die Sonde fliegen. Sie sollte so klein sein, dass sie in zwei Hände passt. Ich würde sie nicht 'interstellar' nennen, sondern extrasolar. Sie würde den Rand unseres Sonnensystems erreichen."
    Mission zu "Planet Nine"
    Hier sind die Übergänge fließend. Alles, was das Sonnensystem verlässt, also 'extrasolar' wird, bewegt sich im interstellaren Raum, dem Bereich zwischen den Sternen - dort, wo eigentlich nichts mehr ist. Irrtum, meint Ralph McNutt vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel im US-Bundesstaat Maryland:
    "Es hat sich gezeigt, dass außerhalb des Sonnensystems noch eine ganze Menge los ist. Wir haben durch die Voyager-Missionen gelernt, dass die elektrisch geladenen Teilchen des Sonnenwindes dort draußen mit der kosmischen Strahlung interagieren. Es gibt also eine Wechselwirkung des Sonnensystems mit dem Rest der Milchstraße.
    Wir würden gerne Proben aus diesem Teilchenstrom entnehmen und auch Proben des interstellaren Gases außerhalb des Sonnensystems. Dann könnten wir unseren Platz in diesem Teil der Galaxis besser verstehen."
    Jupiters Schwerfeld würde der Sonde Antrieb verleihen
    Der Planet Jupiter würde für die Sonde als Schleuder funktionieren. Sein Schwerefeld würde sie einfangen und dann senkrecht aus dem Sonnensystem herauskatapultieren. Nach 27 Jahren wäre sie am Ziel: dem Rand des Sonnensystems. Auf dem Weg dorthin könnte sie noch bei dem einen oder anderen Zwergplaneten Station machen, führt McNutt aus:
    Eine künstlerische Darstellung des Planeten Proxima b mit dem Stern Proxima Centaueri am Horizont
    Eine künstlerische Darstellung des Planeten Proxima b mit dem Stern Proxima Centaueri am Horizont (dpa/Nature/M. Kornmesser)
    "Es gibt dort draußen neben Pluto noch andere große Objekte im Kuiper-Gürtel. Sie sind von der Erde aus kaum zu sehen. Der Zwergplanet Quaoar wird sich in den kommenden 50 Jahren in eine Richtung begeben, die von der Erde aus den kürzesten Weg hinaus ins interstellare Medium darstellt. Wir könnten also an diesem Zwergplaneten vorbeifliegen. Dazu müsste die Sonde allerdings über Kameras verfügen. Dies würde aber zu Lasten der anderen Instrumente gehen, die die Sonnenwindpartikel untersuchen sollen."
    Bis zu Proxima b wäre eine Sonde 50.000 Jahre unterwegs
    Fliegt eine Sonde nur lange genug durch den interstellaren Raum - und hat sie den richtigen Kurs eingeschlagen -, erreicht sie früher oder später den nächsten Stern. Proxima Centauri ist der Nachbarstern der Sonne. Im vergangenen Monat hatten Astronomen in seiner Nähe einen womöglich erdähnlichen Planeten entdeckt, Proxima b. Doch selbst mit der Geschwindigkeit der Pluto-Sonde New Horizons von 84.000 Kilometern pro Stunde würde eine Sonde mehr als 50.000 Jahre brauchen, um dieses Sternsystem zu erreichen, erklärt Ralph McNutt:
    "Wir könnten mit einer interstellaren Sonde natürlich auf Proxima b zielen und diesen Planeten ansteuern. Bei ihrer Ankunft wäre diese Sonde aber nur noch ein Artefakt, nicht mehr als eine Flaschenpost, die jemand aufsammeln könnte, der zufällig vorbei käme. Sie wird keine Daten mehr zurück zur Erde übertragen können, weil sie bei ihrer Ankunft schon lange nicht mehr über Strom verfügen wird."
    Und so bleibt das einzige Rezept für lange Reisen durch's All weiterhin die Suche nach neuen, effizienteren und zeitsparenden Antrieben.