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Besuch wider Willens

Im August 1959 kam mit Dwight D. Eisenhower der erste amerikanische Präsident nach Deutschland. Der Besuch sollte vor allem die Bürger und Bundeskanzler Konrad Adenauer beruhigen.

Von Claus Menzel | 26.08.2009
    Eigentlich hätte sich der Gast am liebsten gedrückt: In den führenden Zeitungen seines Landes war dringend vor den Missverständnissen gewarnt worden, die sich aus diesem Besuch ergeben könnten, seine Mitarbeiter hatten so gut wie einstimmig die schwersten Bedenken geäußert, und er selbst verspürte offenbar auch nicht gerade die allergrößte Lust. Nur hatte Amerikas Botschafter in der Bundesrepublik die politischen Folgen einer möglichen Absage in so drastischen Tönen geschildert, dass Präsident Dwight D. Eisenhower dann doch bereit war, im Rahmen einer Europareise, an diesem 26. August 1959 in Bonn den deutschen Bundeskanzler, Konrad Adenauer, zu treffen.

    "Es ist mir eine große und von Herzen kommende Freude, Sie auf deutschem Boden im Namen der Bundesrepublik Deutschland willkommen heißen zu können. Es hat mich immer wieder ergriffen, dass an der Eingangspforte Ihres Landes in New York das große Monument der Freiheit steht. Ich habe Ihnen, Herr Präsident, wiederholt im Namen der Deutschen zum Ausdruck bringen können, dass wir in dieser so ungewöhnlich schwierigen und auf uns allen lastenden Zeit gerade in den Vereinigten Staaten den Bannerträger der Freiheit in der Welt sehen."

    Keine Frage: Es bestand Gesprächsbedarf. Schließlich drohte genau das einzutreten, was der alte Mann im Bonner Palais Schaumburg immer befürchtet hatte: eine Verständigung der Westmächte mit der Sowjetunion ohne Rücksicht auf die Interessen der Deutschen. Die Alarmsignale jedenfalls waren kaum zu überhören.

    Nicht genug damit, dass ausgerechnet Dwight D. Eisenhower Gespräche mit Vertretern der DDR längst nicht mehr so kategorisch ausschloss wie die Bonner Regierung sich dies vorstellte – mit Charles de Gaulle hatte in Frankreich ein Politiker die Macht übernommen, der die politische Einheit des Westens dem nationalen Interesse seines Landes eindeutig unterordnete. Und auf die Briten, so schien es, war ohnehin kein Verlass mehr, nachdem ausgerechnet der konservative Premierminister Harold McMillan Sympathien für den europäischen Abrüstungsplan des polnischen Außenministers Rapacki erkennen ließ. Vor allem aber: Als der amerikanische Außenminister John Foster Dulles im Mai 1959 an Krebs gestorben war, hatte Konrad Adenauer seinen mächtigsten Verbündeten verloren. Nicht ganz ohne Grund stand dessen Nachfolger, Christian Herter, im Verdacht, den Amerika-Besuch des sowjetischen Parteichefs Nikita Chruschtschow im September 1959 organisiert oder sogar initiiert zu haben.

    Was Wunder also, dass die Bonner Regierung die Stipp-Visite des amerikanischen Präsidenten mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. An Streicheleinheiten für seinen empfindlichen Gastgeber ließ es Dwight D. Eisenhower denn auch nicht fehlen.

    "Für Ihre Willkommens-Wünsche und den herzlichen Empfang, den Ihre Landsleute, Herr Bundeskanzler, mir und meiner Begleitung bereitet haben, bin ich Ihnen zutiefst dankbar. In meinem Land ist der Name Adenauer zum Symbol für die Entschlossenheit der Deutschen geworden, stark und frei zu bleiben. Wenn es darum geht, diese Entschlossenheit durchzusetzen, steht dass amerikanische Volk an ihrer Seite und es überbringt ihnen durch mich die besten Wünsche für den Erfolg. Und das amerikanische Volk steht an ihrer Seite in der Versicherung, dass sich die freien Deutschen in Berlin darauf verlassen können, auch künftig das Privileg der Freiheit zu genießen. Wie Sie Herr Bundeskanzler, freue ich mich auf unsere Gespräche."

    So ganz zufrieden mit dem Ergebnis der Gespräche konnte der Kanzler freilich nicht sein. Ganz anders als die Deutschen sahen die Amerikaner in Chruschtschows Berlin-Ultimatum vom November 1958 nur den letzten und obendrein recht schlappen Versuch der Russen, das Berlin-Problem in ihrem Sinn zu lösen und danach aber zu vernünftigen Abrüstungsverträgen zu kommen.

    Einmal mehr freilich bewies auch Konrad Adenauer, dass er die Zeichen der Zeit durchaus zu deuten wusste. Falls es um Berlin künftig keinen Ärger mehr gebe, erklärte er, könnte die Bundesrepublik durchaus bereit sein, Botschafter nach Prag und Warschau zu schicken, obwohl dort doch auch Botschafter der DDR amtierten.