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Beta-Carotin
Ein Naturstoff steigert die Haltbarkeit von Plastik-Solarzellen

Bei Solarzellen denkt man üblicherweise an jene großen, silberblauen Module auf dem Hausdach. Doch es gibt auch andere Konzepte, zum Beispiel spezielle Plastikfolien, die Sonnenlicht in Strom umwandeln. Ein dänisches Physikteam hat nun eine Methode gefunden, deren Lebensdauer deutlich zu verlängern.

Von Frank Grotelüschen | 06.08.2020
Ist das Abfall oder kann das in den Mixer? Auch das Grün von Karotten landet bisweilen im Smoothie.
Der natürliche Farbstoff Beta-Carotin, der auch in Möhren vorkommt, könnte organische Solarzellen schützen (dpa / picture alliance / Gentsch)
"Ihre Fabrikation ist preiswert, und ihre Effizienz ist recht gut. Sie sind sehr leicht und außerdem biegsam. Das macht sie für eine Reihe von Anwendungen interessant, für die sich gewöhnliche Solarzellen aus Silizium nicht so gut eignen."
Vida Engmann schwärmt von ihnen: Solarfolien aus Plastik, im Fachjargon organische Solarzellen genannt. Da sie dünn und biegsam sind, lassen sie sich zum Beispiel in gekrümmte Gebäudeoberflächen integrieren, aber auch in Kleidung und Rucksäcke. Den Durchbruch aber haben die stromliefernden Folien noch nicht geschafft. Und das hat vor allem einen Grund, sagt Engmann, Physikerin an der Süddänischen Universität in Sønderborg.
"Ihr Schwachpunkt ist die Haltbarkeit. Fällt Licht auf die Polymere der Solarzelle, reagieren sie mit Sauerstoff. Dadurch wird ein Oxidationsprozess in Gang gesetzt, der die Polymere nach und nach zersetzt. Und dann funktioniert die Zelle nicht mehr so gut."
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Schutz nach dem Vorbild der Natur
Wie lässt sich dieser Zerfallsprozess stoppen? Bislang versuchte es die Branche unter anderem damit, die Solarzelle in einen anderen Kunststoff einzuschließen – ein Schutzmantel, der das Eindringen von Sauerstoff verhindern soll. Nur: Der Erfolg ist bislang eher mäßig, durch den Schutzmantel sickert nach wie vor schädlicher Sauerstoff in die Zelle ein. Also ließ sich das Team von Vida Engmann eine andere Strategie einfallen.
"Wir dachten uns: Ähnliche Prozesse finden ja auch in der Natur statt. Auch Bäume und Blätter sind organisches Material, und ebenso wie eine Solarzelle sind sie ständig dem Licht ausgesetzt. Trotzdem hat die Natur einen Weg gefunden, dass sich die Blätter nicht so schnell zersetzen. Und zwar macht sie das durch Stoffe, die eine schützende Wirkung entfalten, zum Beispiel Beta-Carotin."
Beta-Carotin steckt nicht nur in Karotten und ist für den Menschen gesund, und zwar als Vorstufe von Vitamin A. Beta-Carotin kommt auch in den Blättern von Bäumen vor. Dort unterbindet es unter anderem die Bildung einer chemisch reaktiven Sauerstoff-Variante, die den Blättern ansonsten arg zusetzen würde.
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Bisher bloß im Labor ein Erfolg
Würde man also Beta-Carotin in eine organische Solarzelle einbringen, könnte es dort ebenfalls eine Schutzwirkung entfalten? Um das herauszufinden, startete Engmanns Team eine ausgiebige Versuchsreihe. Das Resultat:
"Das Beta-Carotin konnte die Bildung von chemisch reaktivem Sauerstoff tatsächlich sehr schön unterdrücken. Die Zugabe einer kleinen Prise hat völlig genügt, es reichten drei Mengenprozent. Dadurch hat die Solarzelle nicht so schnell abgebaut. Und unterm Strich lieferte sie sechsmal mehr Leistung als zuvor."
Ein ermutigendes Ergebnis, aber einsatzreif ist die Technik noch nicht. Denn bislang konnte Vida Engmann nur Miniaturausgaben der Carotin-Solarzelle herstellen, nur wenig größer als eine Briefmarke. Doch das soll sich bald ändern.
"Das wäre die Sache, die man als nächstes machen müsste – die Hochskalierung unserer Technik auf einen industriellen Maßstab. Aber das sollte kein Problem sein, keine wirkliche Hürde. Und dann könnten die Hersteller unsere Technik einfach übernehmen und Beta-Carotin verwenden, um ihre Zellen haltbarer zu machen."