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Betreten verboten

Dem Mellensee südlich von Berlin droht die Privatisierung - genau wie unzähligen anderen Gewässern in den neuen Bundesländern auch. Doch mit dem Verkauf stehen vor allem Fischer vor dem beruflichen Aus.

Von Axel Flemming | 06.08.2009
    Der langgestreckte See südlich von Berlin plätschert vor sich hin. Durch das Schilf rechts und links fällt das Auge auf ein paar Segelboote. Das Nordufer ist direkt vom Ort Mellensee aus zugänglich und lädt eigentlich zum Baden ein.
    "Dies ist keine Badestelle!", belehrt ein Schild die Besucher. Das Strandbad Mellensee mit Sandstrand, Spielplatz und einer weiten Wiese befindet sich am Ostufer. Eine kleine Straße trennt den See vom Grundstück der Familie Gebauer. Die betreibt dort eine Fischräucherei, eine Gaststätte und einen kleinen Laden.

    Jochen Gebauer parkt gerade seinen Transporter. Schon seit DDR-Zeiten ist er Fischer. Die ungewisse Zukunft des Sees verunsichert auch ihn und bedroht seine wirtschaftliche Existenz. Deshalb sammelt er Unterschriften gegen eine mögliche Privatisierung des Mellensees.

    "Was ich zu befürchten habe: die Pachtverträge laufen in zwei Jahren aus. Wir wissen noch nicht, was danach kommt. Das dauert ja länger bis die Fische so groß sind, dass man sie wieder fangen kann. Also beim Aal muss man mindestens fünf Jahre warten. Und beim Karpfen oder Hecht müsste man zwei Jahre warten, eh man die Erträge rausholen kann. Und wenn man so kurzfristige Pachtverlängerungen hat, dann kann man eben nicht planen!"

    Aber der Treuhand-Nachfolger BVVG, die Bodenverwertungs- und -verwaltungs- GmbH, will für den klammen Staat den restlichen Besitz zu Geld machen. Sie privatisiert in den ostdeutschen Ländern für das Bundesfinanzministerium die ehemals volkseigenen Flächen. Äcker, Wiesen, Wälder und eben auch Seen. Eine komplizierte Rechtslage:

    "Es geht darum, dass es einen Einigungsvertrag gibt und der Einigungsvertrag sieht ein Finanzvermögen und ein Verwaltungsvermögen vor, in das das ehemalige Volkseigentum gesplittet wird. Und soweit es sich um Finanzvermögen handelt, wird das ehemalige Volkseigentum privatisiert, handelt es sich um Verwaltungseigentum, kann es den Kommunen, Kreisen und Ländern zugeordnet werden."

    Und das wäre kostenlos. Carsten Preuß wohnt in Zossen, nicht weit weg vom Mellensee:

    "Der ist noch nicht zur Privatisierung ausgeschrieben, weil er noch nicht der BVVG gehört. Er wird vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen irgendwann zugeordnet werden müssen. Dieses Amt hat auch schon eine Zuordnung vorgenommen. Es hat aber den See zunächst mal dem Land Brandenburg zugeordnet. Gegen diese Zuordnung klagt die BVVG. Sie möchte, dass der See der BVVG, also dem Bund zugeordnet wird, und dann erst kann die Privatisierung erfolgen."

    Sollte die BVVG sich gegen das Land Brandenburg durchsetzen, würde der See privatisiert. Der Widerstand dagegen wächst zwar, aber eine erste Unterschriftenaktion im Internet fand innerhalb der vorgeschriebenen drei Wochen nicht genügend Unterstützer. Preuß geht jedoch davon aus, dass die Petition erst nach der Bundestagswahl behandelt wird und hofft, bis dahin, die nötigen 50 000 Unterschriften zusammen zu bekommen. Sie sollen den Bundestag dazu bewegen, den Verkauf weiterer Seen in den neuen Bundesländern auszusetzen. Für so ein Moratorium hat sich auch der SPD-Bundestagabgeordnete Peter Danckert ausgesprochen:

    "Der Betrag ist gar nicht groß, der da erzielt werden kann, wenn man das mal zugrunde legt. Und das ist das Befremdliche, dass dieser Privatisierungsauftrag von der BVVG konsequent durchgesetzt wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen."

    Ziel der Petition ist es, Gewässer künftig als Verwaltungsvermögen anzusehen, so dass sie Gemeinden, Städten, Kreisen oder Ländern als Eigentum kostenlos übertragen werden können. Denn die Kommunen haben in den seltensten Fällen genug Geld, um ein Gewässer zu kaufen. Der Mellensee etwa soll 400.000 Euro kosten. Eine utopische Summe für Bürgermeister Frank Broshog.

    "Wir haben für den Erwerb von Gewässern in der Größenordnung, wie es beispielsweise bei dem Mellensee ist, in keiner Weise irgendwelche Spielräume. Auch wenn wir darüber nachdenken würden, irgendwelche Kredite aufzunehmen, würde uns das von der Kommunalaufsicht nicht erlaubt werden."

    In Ostdeutschland wurden in den vergangenen sieben Jahren ungefähr 10 000 Hektar Seen und Teiche privatisiert. Das brachte der BVVG (und damit dem Bund) rund 15 Millionen Euro ein. In der Folge verstehen manche Bürger die Welt nicht mehr. Der Besitzer des Wandlitzsees etwa bat die Kommune zur Kasse, weil sie dort ein Strandbad betreibt. Anglervereine und Segelclubs müssen plötzlich für ihre Stege bezahlen, Besitzer von Kähnen und Ruderbooten für ihre Liegeplätze. Auch der Verkauf von Grundstücken in Potsdam führte zu Konflikten. Die bislang öffentliche Nutzung der Ufer am Groß-Glienicker See und am Griebnitzsee wurde eingeschränkt.

    Rund drei Kilometer lang ist das Südufer des Griebnitzsees.
    Zu DDR-Zeiten war hier die Grenze, die Nordseite gehörte zu West-Berlin. Die Straßen am Griebnitzsee bilden ein schickes Villenviertel, mit Häusern von klein bis klobig, noch verfallen oder schon prunkvoll saniert. Die Stadtverwaltung will den geschichtsträchtigen ehemaligen Postenweg der DDR-Grenztruppen zu einem Uferpark umgestalten.

    Bürgermeister Burkhard Exner:

    "Wir haben schon 1991 beschlossen, dass hier ein Bebauungsplan aufgestellt wird, der den existenten Kolonnenweg für die Öffentlichkeit sichert, das war ja eine wesentliche Errungenschaft 1989/90 folgende, dass aus diesem ehemals völlig unzugänglichen Kolonnenweg ein Weg für die Öffentlichkeit wurde, für Fußgänger, für Radfahrer, für alle. Und die Stadt hat seit 1991 nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir die Öffentlichkeit sichern wollen."

    Aber die Anrainer sahen in dem von der Stadt geplanten Uferpark ihre Eigentumsrechte verletzt. Zehn von ihnen haben Normenkontrollanträge beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht und bekamen Recht. Anwalt Christoph Partsch, der acht der Anrainer vor Gericht vertrat und selbst ein Grundstück am See besitzt:

    "Das war historisch nie ein Weg, sondern das waren immer private Gärten, die Stadt Potsdam hat letztlich hier die Restitution mit allen Mitteln verzögert, dass die Gärten nicht zurückgegeben wurden, an die Eigentümer und dadurch ist hier dieser Interregnumszustand entstanden."

    Jetzt versperrt ein zwei Meter hoher dunkelgrauer Metallzaun den Weg. Schwarze Schrift auf einem gelben Schild warnt: "Privatbesitz. Betreten verboten. Zuwiderhandlungen werden zur Anzeige gebracht" Das empört Passanten:

    "Wir finden die Art und Weise, wie das von den Anrainern gemacht worden ist, eine Zerstörung der Landschaft ist, und natürlich für diejenigen, die den Uferweg benutzt haben, nicht nur für die Potsdamer, sondern auch für die vielen Berliner, eigentlich eine sehr schlechte Lösung ist."

    Potsdam muss nun den weiteren Rechtsweg einschlagen und will auch die Möglichkeit einer Enteignung prüfen. Anwalt Christoph Partsch,

    "Es besteht keine Notwendigkeit für eine Enteignung, weil die Stadt Potsdam ja sehr wohl eigene Grundstücke hat, und damit das Ufer zugänglich machen kann."

    Bloß eben nicht durchgängig. Ein Uferweg sieht anders aus.