Donnerstag, 28. März 2024

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Betreuungsgeld
"Das Gesetz ist neutral gestaltet"

Die CSU-Familienpolitikerin Silke Launert ist davon überzeugt, dass das Betreuungsgeld nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt. "Das Gesetz ist neutral gestaltet", sagte Launert im DLF. So wie der Staat Kita-Plätze finanziere, dürfe er auch die Betreuung zu Hause fördern.

Silke Launert im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 14.04.2015
    Silke Launert (CSU) spricht am 04.07.2014 in Berlin vor dem Bundestag.
    Silke Launert (CSU) ist Mitglied im Familienausschuss des Bundestags (dpa / Soeren Stache )
    "Ein Kinderbetreuungsplatz in einer Kita kostet circa 1.000 Euro im Monat", rechnete Launert vor. Das zahle der Staat für fremd betreute Kinder. Es sei ungerecht, wenn Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuten, kein Geld bekämen: "Das finde ich auch nicht richtig." Sie selbst habe dem Betreuungsgeld zu Anfang kritisch gegenübergestanden. "Ich dachte, man schiebt uns wieder in diese Ecke: an den Herd." Inzwischen sehe sie aber, dass die Leistung gut angenommen worden sei. "Es ist klar: Ein zweijähriges Kind, ein einjähriges Kind braucht rund um die Uhr Betreuung - und das gibt es nicht zum Nulltarif. Es ist gut, dass wir Fremdbetreuung haben, aber es ist auch gut, wenn wir Mütter haben, die Zeit haben für ihr Kind."
    Das Bundesverfassungsgericht berät seit heute über die Frage, ob das Betreuungsgeld für Kleinkinder mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Geklagt hat der Hamburger Senat, der die staatliche Leistung aus mehreren Gründen für verfassungswidrig hält und die Abschaffung verlangt. Die Leistung wurde 2013 auf Betreiben der CSU eingeführt. Demnach erhalten Eltern 150 Euro pro Monat, wenn sie ihr Kleinkind nicht in einer staatlich geförderten Kita oder von einer staatlich geförderten Tagesmutter betreuen lassen

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Das Betreuungsgeld war eins der großen Streitthemen der letzten, der schwarz-gelben Bundesregierung. Es war ein Projekt der CSU und die Idee war, dass Familien, die ihre Kinder nicht in eine Kita schicken, dafür eine Ausgleichszahlung bekommen. Inzwischen sind das 150 Euro pro Kind und Monat. Das Gesetz wurde von den Gegnern von Anfang an kritisiert als Herdprämie und als Zeichen einer völlig antiquierten Familienpolitik. Seit heute nun befasst sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dem Betreuungsgeld, denn die Gegner, die sehen es auch als verfassungswidrig an.
    Am Telefon ist jetzt Silke Launert, CSU-Abgeordnete im Bundestag. Sie sitzt dort im Familienausschuss. Schönen guten Tag, Frau Launert!
    Silke Launert: Guten Tag, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Frau Launert, könnte dieses Verfahren in Karlsruhe das schnelle Ende des Betreuungsgeldes sein?
    Launert: Ich hoffe natürlich nicht. Es gab ein Gesetzgebungsverfahren, es gab die Mehrheit dazu und das Betreuungsgeld wurde beschlossen, und ich würde es schon sehr bedauerlich finden, wenn die Verfassungshüter immer den besseren Gesetzgeber spielen. Denn letztlich demokratisch legitimiert sind die Verfassungsrichter nicht, sondern nur der Gesetzgeber.
    Armbrüster: Aber ich höre da bei Ihnen heraus, dass es durchaus berechtigte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geben könnte?
    Launert: Ach, wissen Sie, ich glaube es nicht. Nur ich habe in den letzten Jahren ja schon so manche Überraschung vom Bundesverfassungsgericht erlebt, und daher - wie heißt es so schön: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
    "Auch das Erziehungsgeld nutzen mehr Frauen"
    Armbrüster: Dann lassen Sie uns mal kurz über die Streitthemen sprechen. Der Stadtstaat Hamburg sagt - der klagt ja gegen das Gesetz -, das Betreuungsgeld fördert nicht die Gleichberechtigung, und das ist ja immerhin ein Ziel, das im Grundgesetz festgeschrieben wurde, und belegt das auch mit Zahlen. 95 Prozent der Bezieher des Betreuungsgeldes sind demnach Bezieherinnen, also weiblich. Von Gleichberechtigungsförderung kann hier wirklich keine Rede sein, oder?
    Launert: Es geht nicht darum, ob etwas Gleichberechtigung fördert, sondern es gibt nur dann einen Verstoß gegen Artikel drei Grundgesetz, wenn ein Gesetz sozusagen gegen diese arbeitet, die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Das Gesetz ist neutral gestaltet. Natürlich hat es faktisch Auswirkungen, weil mehr Frauen das nutzen. Das haben wir übrigens auch beim Bundeserziehungsgeld, dann können wir das auch verwerfen. Sie haben alle möglichen Regelungen, wo sich Frauen manchmal anders verhalten wie Männer, sozusagen mehr Frauen oder mehr Männer betroffen sind. Wenn wir jedes Mal das als einen ausreichenden Verstoß ansehen würden, das würde einfach zu weit gehen.
    Armbrüster: Jetzt reden wir hier aber über das Betreuungsgeld. Die anderen Gesetze können ja durchaus auch noch irgendwann mal in Karlsruhe landen. Meinen Sie denn nicht, dass das möglicherweise ein Grund ist, für die Richter zu sagen: Das müssen wir uns tatsächlich mal näher ansehen, wenn es de facto dazu führt, dass Frauen zuhause bleiben und sich um die Kindererziehung kümmern anstatt arbeiten zu gehen?
    Launert: Wir reden hier von der Betreuung eines ein- und zweijährigen Kindes. Wir reden nicht davon, dass das Kind mit fünf nicht in den Kindergarten kommt, dass das zehnjährige Kind immer noch zu Hause ist. Das heißt, wir reden hier von einem Zeitraum, den wir auch beim Elterngeld inzwischen haben, bei den zweijährigen und einjährigen Kindern. Und ich sage, ich bin die Erste, die dafür kämpft, dass Frauen, nachdem sie vielleicht zwei Jahre ausgeschieden sind, wenn sie Kinder haben, wieder in einen Beruf kommen, da eine Unterstützung erfahren, wieder Karriere machen können. Aber zu sagen, das darf nicht sein, das geht zu weit, weil es einfach viele Frauen auch gibt, die gerne für ihr einjähriges Kind zuhause wären.
    Armbrüster: Aber es ist ja gerade das Argument der Gegner, dass man sagt, wir fördern damit im Grunde diese veraltete Struktur, dass Frauen zu Hause bleiben, und eigentlich sollte es doch Aufgabe der Politik sein zu sagen, wir wollen dafür sorgen, dass auch mehr Männer zu Hause bleiben, dass wir da ein gleiches Spielfeld schaffen für beide Geschlechter.
    Launert: Die Politik - eigentlich muss sich der Staat neutral verhalten. Das ist eine Verfassungsvorgabe. Es ist eine Verfassungsgarantie, dass es das Recht und die Pflicht der Eltern ist, ihre Kinder auch selbst zu betreuen. Und es ist eine Verfassungsgarantie, dass die Eltern Wahlfreiheit haben, wie sie das machen wollen, ob sie sich selbst um die Kinder kümmern wollen, oder das fremden Personen überlassen. Der Staat mischt sich da ein. Er fördert ganz bewusst, zum Beispiel beim Elterngeld - ich unterstütze das natürlich -, aber auch bei den Kitas, was ich auch unterstütze, ein anderes Rollenmodell: Wir wollen, dass die Eltern jetzt alle arbeiten - das unterstützt der Staat. Er mischt sich also eigentlich in die freie Willenswahl, die verfassungsrechtlich gewährleistet ist, ein. Und dann darf er oder muss er meiner Ansicht nach sogar im Gegenzug auch die andere Wahl mit unterstützen, die nämlich auch verfassungsrechtlich gewährleistet ist.
    "Es ist ein Erfolg - vor allem bei Frauen, die mehrere Kinder haben"
    Wir müssen überlegen: Ein Kinderbetreuungsplatz in einer Kita, der kostet zirka tausend Euro im Monat. Für dieses Kind gibt es ungefähr tausend Euro im Monat, je nach Eigenanteil vielleicht nur noch 800 oder 500. Das zahlt der Staat für dieses Kind, das fremdbetreut wird. Und umgekehrt das Recht, zu Hause zu bleiben fürs Kind, die Mama, die zu Hause bleibt für ihr Kind, für dieses Kind gibt es nichts. Das finde ich auch nicht richtig.
    Armbrüster: Jetzt können wir sagen, dass der Staat eigentlich die Wahlfreiheit genau mit der Kita-Garantie herstellt. Man kann jetzt wählen, man gibt sein Kind entweder in eine Betreuungseinrichtung, oder man lässt es zu Hause. Fertig!
    Launert: Ja. Nur der, der zu Hause ist, kann in der Regel nicht arbeiten und hat Nachteile in der Rente und so weiter. Wissen Sie, ich war intern in der CSU nicht die größte Freundin des Betreuungsgeldes. Das gebe ich gerne zu. Aber ich habe inzwischen gesehen, wer davon profitiert. Und es ist ein Erfolg. Es nehmen immer mehr an. Ich sehe, dass es gerade die Frauen sind, die mehrere Kinder haben. Mit einem kann man vielleicht schnell wieder einsteigen, aber wenn Sie zwei, drei hintereinander kriegen, wird es schwer und dann setzt man ein paar Jahre aus. Und ich kann Ihnen sagen, für diese Frau, die schwanger ist mit einem zwei Jahre alten Kind, sind 150 Euro viel. Und die sagt, lasst mich noch ein paar Jahre zu Hause, ich will einfach die ersten Jahre für mein Kind zu Hause da sein. Ich finde das nicht verwerflich.
    Armbrüster: Hat eine Frau es denn eigentlich schwer in der CSU, wenn sie nicht so ganz hundertprozentig überzeugt ist vom Betreuungsgeld?
    Launert: Ich persönlich bin überzeugt inzwischen vom Betreuungsgeld. Ich war am Anfang nicht so dafür, weil ich dachte, man schiebt uns wieder in diese Ecke, an den Herd. Deshalb war ich nicht so dafür.
    Armbrüster: Und in der Lage, hatten Sie es da schwer?
    Launert: Nein. Wir haben fachlich diskutiert, ganz klar. Natürlich gab es interne Diskussionen, aber das ist genau der demokratische Prozess. Aber in der Sache selbst fand ich es nie einen Skandal zu sagen, dass eine Mutter die Unterstützung kriegt, wenn sie für ihr einjähriges Kind oder ihr zweijähriges Kind noch zu Hause bleibt. Ganz im Gegenteil: Es entspricht dem Bedürfnis auch vieler Mütter. Und ich erlebe das - und ich arbeite selbst und ich habe selbst zwei kleine Kinder -, dass man heutzutage zu sehr das andere nur noch favorisiert und das andere Erziehungsmodell komplett ablehnt. Früher war das Gegenteil. Früher hatten wir das eine Rollenmodell und jetzt scheinen wir offensichtlich zu sehr ins andere Extrem zu gehen. Denn eins ist klar: Ein zweijähriges Kind, ein einjähriges Kind braucht rund um die Uhr Betreuung, und das muss jemand machen. Das gibt es nicht zum Nulltarif. Und da ist es gut, dass wir Fremdbetreuung haben, aber es ist auch gut, wenn wir Mütter haben, die Zeit haben für ihre Kinder.
    Armbrüster: Kritiker sagen aber auch, dieses Geld hält gerade die Kinder aus den Kitas fern, die dort eigentlich eine Menge lernen könnten, zum Beispiel die deutsche Sprache, wenn es darum geht, also Kinder zum Beispiel mit Migrationshintergrund, aus bildungsfernen Familien. Da sagen die Eltern vielleicht lieber, dann nehmen wir im Monat besser die 150 Euro mit.
    "Das schnelle Lernen der Sprache ist besonders im Kindergartenalter ausgeprägt"
    Launert: Zum Beispiel was die Sprache anbelangt, da gibt es Untersuchungen, dass dieses schnelle Lernen der Sprache besonders im Kindergartenalter ausgeprägt wird. Die Kinder lernen sehr schnell im Kindergartenalter diese Sprache. Es ist nicht zwingend so, das ist schon das einjährige oder zweijährige, sondern es gibt Untersuchungen, dass die Kinder das auch schnell mit drei Jahren lernen, mit vier Jahren im Kindergarten.
    Armbrüster: Aber besser wäre doch sicher früher.
    Launert: Aber es gibt auch Studien, die sagen, dass Kinder gerade in den ersten zwei, drei Jahren die Bindung brauchen. Und ob Sie es glauben oder nicht: Für Kinder ist auch eine schlechte Mama wichtig. Es wird immer so getan, als müsste man, wenn Eltern nicht perfekt sind, denen die Kinder wegnehmen. So ist es nicht! Kinder brauchen und lieben diesen Bezug auch zu einer Mutter, die nicht perfekt ist.
    Armbrüster: Frau Launert, ich will noch mal auf ein Argument zurückkommen, das in Karlsruhe eine ganz zentrale Rolle spielt. Das ist ein eher juristisches Argument. Da sagt die Hansestadt Hamburg, das Betreuungsgeld sei eigentlich gar keine Angelegenheit des Bundes, sondern es sollte eigentlich Ländersache sein, weil sich der Bund immer nur dann einmischen darf, wenn es tatsächlich um Bedürftigkeit geht, wenn ich das mal so grob zusammenfassen darf. Was machen Sie mit diesem Argument, dass das eigentlich Ländersache sein sollte?
    Launert: Ja, das ist natürlich ein formales Argument. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Dann darf der Bund aber auch nicht mehr künftig die Kitas fördern. Wenn das die Länder wirklich wollen? Wissen Sie, der Bund zahlt mit für die Kitas. Ich denke, dann kann er auch die Familienförderung betreuen als Aspekt der Familienfürsorge bei dem Betreuungsgeld. Da muss man dann auch da einen Gleichlauf haben.
    Armbrüster: Und mit den 150 Euro, sind Sie da einverstanden? Ist das das, was uns ein Kind pro Monat in diesem Alter wert sein sollte?
    Launert: Darüber können wir uns streiten. Streng genommen, wenn ich überlege, dass der Staat vielleicht fast tausend Euro für einen Kita-Platz zahlt, kann man natürlich sagen, ist das viel zu wenig. Denn natürlich ist es eigentlich zu wenig. Nur auf der anderen Seite sage ich: Wenn Sie ein zweijähriges Kind haben und schon wieder schwanger sind mit dem nächsten, dann freuen Sie sich, wenn Sie wenigstens die kriegen.
    "Streng genommen wären 1.000 Euro Betreuungsgeld fair"
    Armbrüster: Aber dann könnten wir sagen, wenn der Staat tausend Euro pro Kind und Kita-Platz zahlt, dann könnten das auch die Eltern kriegen, wenn wir wirklich von Wahlfreiheit sprechen.
    Launert: Streng genommen wäre es so. Nur dann haben wir erst recht das, was Sie angesprochen haben: diese Tendenz, dass Menschen, die wenig verdienen, natürlich bei tausend Euro im Monat pro Kind dann vielleicht wirklich Kinder bekommen, um dieses Geld zu haben. Aber streng genommen wäre das an sich so auch fair. Da gebe ich Ihnen recht. Abgesehen davon, dass das der Bund so schnell nicht zahlen wird können.
    Armbrüster: Das glaube ich auch nicht. Interessante Streitfragen sind es trotzdem, die uns sicher in den kommenden Wochen und Monaten weiter beschäftigen werden, weil sich das Bundesverfassungsgericht seit heute mit dem Betreuungsgeld befasst. Silke Launert haben wir gehört, die CSU-Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Vielen Dank, Frau Launert, für Ihre Zeit heute Mittag.
    Launert: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.