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Betreuungsgeld
Studie sorgt für Ärger in Großer Koalition

Dass es gerade sozial benachteiligte und sogenannte bildungsferne Familien sind, die das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen, bestätigen die Ergebnisse einer neuen Studie der Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts. Damit reißen auch die familienpolitischen Gräben in der Großen Koalition wieder auf.

28.07.2014
    Kinderspielzeug hängt an einem Rahmen. Im Hintergrund spielt eine Erzieherin mit zwei kleinen Kindern
    Gerade dort, wo frühkindliche Förderung besonders wichtig wäre, wird lieber das Betreuungsgeld in Anspruch genommen, statt die Kinder in eine Kita zu schicken. (dpa / Julian Stratenschulte)
    Gerade zum ersten Geburtstag sorgt das Betreuungsgeld für Ärger in der Koalition. Denn offenbar entpuppt es sich als das, von dem die SPD immer geglaubt hat, das es ist.
    Kleindiek: "Wir müssen feststellen, dass sich die befürchteten negativen Effekte leider bestätigt haben."
    Sagt der Staatssekretär im SPD-geführten Familienministerium Ralf Kleindiek, nach dem die Ergebnisse einer noch nicht veröffentlichten Studie der Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts bekannt geworden waren. Grünen und SPD fürchten sind, dass vor allem sozial benachteiligten Familien, Eltern mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund die Prämie des Bundes in Anspruch nehmen - sie würden damit auf frühkindliche Bildung und Förderung verzichten. Die Befürchtungen der Parteien, die zur Zeit der Einführung des Betreuungsgeldes noch die Opposition stellten, sind, dass diese Kinder damit nicht dieselben Chancen haben, wie Kinder deren Eltern sozial bessergestellt sind:
    "Und gerade diejenigen, die frühkindliche Bildung, die Sprachförderung, die Unterstützung brauchen, werden, wenn man so will, durch das Betreuungsgeld von diesen Angeboten ferngehalten."
    So Kleindiek. Bestätigt sehen sich SPD und Grüne nun durch die Studie aus Dortmund bei der mehr als 100.000 Paar mit Kindern unter drei Jahren zur Betreuung ihres Nachwuchses befragt wurden. Demnach ist für über die Hälfte der Eltern ohne Abschluss oder mit Hauptschulabschluss das Betreuungsgeld der Grund, ihr Kind nicht in die Kita zu geben. Bei Eltern mit mittlerer Reife sind es laut der Studie nur 14 Prozent. Die SPD sieht es als Chance, noch mal über das Betreuungsgeld und das Angebot für Kinderbetreuung in Deutschland zu sprechen. Unterstützung bekommen sie von der Opposition. Franziska Brantner von der Fraktion der Grünen sagte, das Betreuungsgeld sei ein Schlag gegen die Chancengleichheit:
    "weswegen wir das überprüfen müssen. Auf den Prüfstand gehört es und dann hoffentlich auch bald abgeschafft."
    CSU wenig beeindruckt von Ergebnissen der Studie
    So Brantner. Lange hatte die CSU um das Betreuungsgeld gekämpft. Am Ende konnte sie sich bei einem bis in die Morgenstunden dauernden Koalitionsgipfel im November 2012 durchsetzen. - Wie zu erwarten, beeindrucken die Ergebnisse der Studie die CSU deshalb wenig. Das Argument für das Betreuungsgeld damals und heute heißt nach wie vor: Wahlfreiheit. Der Staat dürfe nicht ein Erziehungsmodell bevorzugen, außerdem könne es nicht Ziel des Staates sein, Kinder möglichst früh der Obhut ihrer Eltern zu entziehen, sagte die Vorsitzende der Landesgruppe der CSU im Bundestag, Gerda Hasselfeldt der "Passauer Neuen Presse". Der Generalsekretär der Christsozialen, Andreas Scheuer, veröffentlichte ein Statement, in dem es heißt: Die unsachliche Kritik am Betreuungsgeld sei ein Schlag gegen die Familien in Deutschland. Es sei ein fragwürdiges Menschenbild, generell Eltern zu unterstellen, sie könnten ihre Kinder nicht richtig erziehen, so Scheuer. Das Familienministerium, geführt von Manuela Schwesig, die selbst nie zu den Befürwortern des Betreuungsgeldes gehört hat, ist indes dabei die Leistung zu evaluieren. Aber am Ende entscheide das Verfassungsgericht, sagte eine Sprecherin des Ministeriums heute in Berlin. Hamburg hatte dort Anfang 2013 Klage eingereicht, weil der Stadtstaat findet, dass dem Bund beim Betreuungsgeld die Gesetzgebungskompetenz fehle.