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Betriebskindergarten
U3-Platz für auswärtige Kinder umstritten

Seit einem halben Jahr haben Eltern von ein- bis zweijährigen Kindern einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Die Kommunen hatten große Schwierigkeiten, den Anspruch umzusetzen. In Bochum eröffnet jetzt eine betriebliche Kindertagesstätte für Kleinkinder unter 3 Jahren, die laut Kindergartengesetz "Kibiz" gar nicht vorgesehen ist.

Von Kai Rüsberg | 21.02.2014
    Aufregung bei den Eickhörnchen. In der neu eröffneten Kindertagesstätte müssen sich die 22 Kleinkinder in den ersten Tagen noch eingewöhnen.

    Eine Umstellung ist es auch für die Firma Eickhoff. Die Maschinenhersteller ist der Betreiber dieser ganz modern eingerichtete U3-Betreuung für Kleinkinder. Anja Wiedelmann will besonders den jungen Kolleginnen und Kollegen einen besonderen Service bieten und hat für sie Plätze reserviert.

    "Ab August sind wir komplett ausgebucht mit 10 Plätzen. Gerade jüngere Absolventen, die schauen auch darauf, Vereinbarkeit von Familie mit Beruf."

    Weitere 12 Plätze stehen zunächst auch Eltern aus der Nachbarschaft des Werkes offen. Ab 2015 könnte dann die ganze Einrichtung von Mitarbeitern belegt sein. Die international ausgerichtete Firma will sich mit der integrierten Kinderbetreuung im Wettbewerb um begehrte Fachkräfte als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, sagt Antje Althoff.

    "Aus meiner Sicht bringt das viel für die Familie und spart Zeit. Man muss das Kind nicht vor der Arbeit noch wegbringen und hat die Nähe, weil das Kind auch auf dem Gelände ist."

    Eigentlich ist Antje Althoff eine abgebrühte Vertragsverhandlerin im Unternehmen. Doch beim Projekt Kindertagesstätte hätte sie beinahe die Waffen strecken müssen:

    "Es war eine große Diskussion, weil es einen Unterschied macht, ob ein Mitarbeiter aus Bochum kommt oder nicht."
    Betriebliche Kinderbetreung nicht vorgesehen

    Betriebliche Kinderbetreuung passt in Nordrhein-Westfalen nämlich offenbar nicht in das Förderschema des Kindertagesstättengesetzes, kurz Kibiz. Dort gilt bislang die Devise, dass die Betreuung kommunal organisiert wird.

    "Wir stellen aber Mitarbeiter ein, die nicht nur aus Bochum kommen. Unserer Auffassung nach trägt das Kibiz dem keine Rechnung. Flexibilität und Mobilität sind in der Arbeitswelt gefragt. Das bildet das Kibiz nicht ab. Eine Betriebskita kann da sehr helfen. Nur wenn man an der Stadtgrenze Halt machen muss, ist das nicht in Ordnung."

    Der im Bochumer Jugendamt zuständige Bereichsleiter Jörg Klingenberg steht vor einem Dilemma. Einerseits soll er den Eltern eine freie Wahl der Unterbringung ihrer Kinder ermöglichen, andererseits müsste er auswärtige Kinder ablehnen.

    "Im Grunde wäre es so, dass ein Bochumer Kindergarten nur Bochumer Kinder aufnehmen darf. Im Grunde genommen, ist das eine nicht durchdachte Gesetzesvorlage. Weil es gab ja die Wahlfreiheit von 1996, aber das ist noch keiner darauf gekommen, dass interkommunal auszulegen."

    Gesetzlich vorgegebene Versorgungsquote kommunal schwer zu erreichen
    Tatsächlich ist die Stadt Bochum froh über jeden neuen U-3 Platz, der dazu beiträgt, dass die gesetzlich garantierte Versorungsquote erreicht wird. Daher hat sie sich entschlossen, die Kosten für die auswärtigen Kinder freiwillig zu übernehmen. Außerdem hofft die Stadt auf eine Neuregelung des Kibiz-Gesetzes, die einen finanziellen Ausgleich zwischen den Kommunen vorsieht, sagt Klingenberg.

    "Da sind manche Kommunen nicht davon begeistert. Beispiel: Bochum ist ne Stadt mit Arbeitseinwanderern. Das haben manche kleine Kommunen im Umkreis nicht. Daher sind die nicht begeistert, wenn es um den Ausgleich geht."

    Auch der Deutsche Städtetag hat seine Bedenken angemeldet. Zur Zeit wird in NRW ein Gesetzesentwurf erarbeitet. Geplant ist, dass er noch vor der Sommerpause abgestimmt wird.