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Beutekunst bleibt unbequemes Thema

Unter dem Titel "Trophäen-Verluste-Äquivalente" hat in Moskau ein internationales Symposium stattgefunden. Museumsdirektoren, wie Martin Roth von der Staatlichen Kunstsammlung Dresden, diskutierten über den Umgang mit Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg. Und über die Frage, ob gestohlene Werke an die Herkunftsländer zurück gegeben werden müssen.

Von Robert Baag | 28.02.2009
    Stillstand wieder in Bewegung umzuwandeln, neue Ansätze dafür zu finden - diesem Ziel verschrieben hatte sich beim umstrittenen Thema "Beutekunst" das erste Internationale Moskauer Symposium mit dem Titel: "Trophäen-Verluste-Äquivalente: Kulturgüter als Kriegsopfer - Forschungsstand und Perspektiven".

    "Man könnte diese Tagung als Politikum begreifen. Aber ich finde, es wäre eine Missinterpretation. Es ist explizit keine politische Veranstaltung, sondern es ist eine Fachveranstaltung."

    Damit setzte Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, bewusst das Leitmotiv dieses zweitägigen Gedankenaustausches in Moskau, zu dem er zusammen mit dem deutschen Historischen Institut in Moskau, Historiker und Museumsmitarbeiter in die russische Hauptstadt eingeladen hatte. Den Anstoß, zumindest indirekt, so Roth habe dabei der russische Kulturminister Avdejev gegeben, der in einem seiner ersten ins Deutsche übersetzten Interviews zum Stichwort "Trophäenkunst / kriegbedingt verbrachte Kunst- und Kulturgüter" erklärt habe:

    "Wir können über alles reden, aber lassen Sie uns vor allen Dingen erst mal darüber reden, wo die russischen Objekte, wo die russische Kunst verblieben ist."

    Auch wenn - wohl im Sinn der Veranstalter - die hohe Politik während dieser beiden Tage nicht prominent in Erscheinung getreten ist, machte der stellvertretende russische Kulturminister Andrej Bussygin zum Auftakt deutlich, dass diese wissenschaftlich orientierte Tagung Chancen habe, auch für die beteiligten Regierungen neue Perspektiven zu eröffnen:

    "Der lange Zeitraum seit dem Krieg hat das Gefühl des Verlustes nicht betäuben können, sondern es im Gegenteil verschärft, er hat es nicht beruhigt, sondern noch stärker aufgewühlt. Die kommenden Jahre halten noch viele Entdeckungen, neue wissenschaftliche Herangehensweisen bereit. Deren Ergebnisse werden dann vielleicht erlauben, die aktuelle Gesetzgebung vieler europäischer Staaten zu korrigieren, neue Wege zu finden, die schwierigen Gespräche über die praktische Rückführung von Kunst- und Kulturgütern wiederzubeleben."

    Die russischen Kunst- und Kultur-Verluste während des Zweiten Weltkriegs nicht in die sich seit über anderthalb Jahrzehnte hinziehenden bilateralen Gespräche aufgenommen zu haben, warf der emeritierte Bremer Osteuropa-Forscher und Trophäenkunst-Experte Wolfgang Eichwede explizit der deutschen Seite vor:

    "Auf Regierungsebene waren dies leere Worte. Das muss einfach in dieser Härte und Schärfe gesagt werden. 'Die russischen Verluste sind nicht unsere Sache.' Das ist hinter verschlossenen Türen gesagt worden. Auf der offiziellen Ebene war das Einbeziehen der russischen Verluste doch eher eine Sonntagsrede."

    Doch auch Eichwede sieht Chancen, wieder Bewegung in die festgefahrenen Positionen Berlins und Moskaus zu bringen. Vorbilder dafür gebe es bereits unterhalb der so genannten hohen Politik:

    ""Wir haben ja eine Reihe von Einzelfalllösungen Anfang des Jahrzehnts gehabt. Immer gab es deutsche Gegenleistungen. Es ist einfach nicht möglich, diese Frage ohne deutsche Gegenleistung zu lösen. Wir haben die Ausfuhrgenehmigung für die 101 Blätter aus Bremen gehabt - Gegenleistung: Wir haben das Bernsteinzimmer-Mosaik zurückgegeben. Die deutsche Seite hat das Kirchenfenster in Frankfurt/Oder bekommen - parallel dazu hat eine deutsche Firma eine Kirche in Novgorod wieder aufgebaut. Also: Das waren Reißverschlusslösungen."

    Ekaterina Geneva, Generaldirektorin der Staatlichen Bibliothek für Ausländische Literatur in Moskau, plädierte ebenfalls für einen Dialog, für ein internationales Netzwerk der Forscher, der Museen und Archive, um vermisste Kunst- und Kulturgüter - Beispiel: das Petersburger "Bernsteinzimmer" - vielleicht doch noch aufzuspüren. - Die aktuelle Rolle der Politik sieht sie skeptisch:

    "Das Problem ist übertrieben politisiert worden. Deswegen haben Politiker heute hier auch nicht teilgenommen. Sonst hätten sie nämlich eine Position formulieren müssen. Aber außer diesem über zehn Jahre alten russischen Gesetz, das eine Rückführung dieser Kunst und Kulturgüter verbietet, haben wir nichts dergleichen."

    Die deutsche Position wiederum beharrt nach wie vor weiter auf der Rückführung aller dieser Gegenstände. Sie argumentiert dabei mit dem geltenden Völkerrecht. Zwei Positionen, die so bislang nicht zu vereinen waren. Wolfgang Eichwede:

    ""Die Beutekunst war in den letzten 15 Jahren immer so ein Päckchen, das man als Last mit sich herumgetragen hat. Die deutsche Politik muss das umbauen. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir nicht alles zurückbekommen und dass wir auch Dinge anerkennen, dass sie mal nun so sind. Unsere ganze Überlegung muss sein: Aus Beute - Botschafter der Kultur zu machen."