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Beutekunst
"Dieses Werk gehört nach Dresden"

Eine Zeichnung des flämischen Künstlers David Teniers d.J. galt nach dem Zweiten Weltkrieg als verschollen in der damaligen Sowjetunion. Jetzt kehrt sie in die Staatsgemäldesammlung Dresden zurück. "Wir haben es mit einem angemessenen Finderlohn erworben", sagte Stephanie Buck, Direktorin des Kupferstichkabinetts, im Dlf.

Stephanie Buck im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 04.02.2019
    Sie sehen das Residenzschloss, aufgenommen Anfang 2017 in Dresden.
    Das Residenzschloss in Dresden. Über eine halbe Million Zeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien vom Mittelalter bis heute werden hier im Kupferstichkabinett bewahrt (picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Stefan Koldehoff: Kälte, Eis – und keine Spur von Tauwetter: nicht draußen auf der Straße – da wird’s, zumindest hier in Köln gerade wieder etwas wärmer. Aber in der Debatte zwischen Deutschland und Russland über die so genannte "Beutekunst": über jene Kunstwerke und Kulturgüter also, die Soldaten der "Roten Armee" bei Kriegsende in die Sowjetunion abtransportiert haben – güterzugweise. Man hatte drüber gesprochen, erst zwischen Bonn und Moskau, dann zwischen Berlin und Moskau. Seit einigen Jahren schon herrscht nun aber Eiszeit. Und noch in der vergangenen Woche hat der russische Kulturminister – wir haben berichtet – erklärt: So lange es die Sanktionen gegen Russland gibt, gebe es keinerlei Gespräche über die Beutekunst. Nun kommt aus Dresden die Nachricht, dass die dortigen Staatlichen Kunstsammlungen eine wichtige Altmeisterzeichnung des Flamen David Teniers des Jüngeren zurückbekommen – und zwar aus Moskau. Stephanie Buck, die Direktorin des Dresdner Kupferstichkabinetts, habe ich gefragt, wie das denn möglich war.
    Stephanie Buck: Ja, wir haben 2016 eine Email bekommen von Christie’s in London, und da wurde eben mitgeteilt, dass ein Blatt, das vermutlich die Tenier-Zeichnung sei, aufgetaucht sei. Es war zur Auktion eingereicht worden und weil die Kollegen von Christie’s als Auktionshaus auch selbst Restitutionsfragen oder Provenienz-Recherchen anstellen, haben die erst mal identifiziert, dass es sich um unser Blatt handeln könnte. 1987 wurde im Verzeichnis der vermissten Zeichnungen des Dresdner Kupferstichkabinetts publiziert, und dort, in diesem Verzeichnis, ist dieses Blatt abgebildet. In einer kleinen Schwarz-Weiß-Abbildung und von daher musste man erst mal sicherstellen, dass tatsächlich das Blatt auf der Abbildung identisch war mit dieser Abbildung.
    Übereinstimmungen bis zu kleinsten Punkten gesucht
    Koldehoff: Wie konnte das gelingen? Gibt es Stempel, gibt es Inventarnummern?
    Buck: Es fehlen sowohl Stempel als auch Inventarnummern, aber wir haben eben von der Beschreibung her und von den fast identischen Maßen ein Werk schon in unserem Verzeichnis von 1738 erstmalig aufgeführt. Und ich war dann auch persönlich dort, und wir haben Margret Klinge, die die weltweit bedeutendste Tenier-Expertin ist, einbezogen und haben dann durch einen sehr minutiösen Abgleich von schwarz-weiß-Foto und dem Blatt die Identität bestimmt. Also da waren bis zu den kleinsten Pünktchen auf dem Papier eben Übereinstimmungen zu treffen und von daher konnte man dann nachher auch mit Sicherheit sagen: ‚Das ist das Blatt‘.
    Koldehoff: Nun ist ja der Kunsthandel, Frau Buck, nicht nur, wie man an dem Fall sieht, manchmal sehr sorgfältig, sondern in der Regel auch sehr diskret. Haben Sie jemals erfahren, wie dieses Blatt zu Christies gekommen ist?
    Buck: Nein, das ist wirklich ein privater Einlieferer gewesen. Und wie er wiederum an dieses Blatt gekommen ist, das wissen wir nicht.
    Hinweise auf Überführung in die Sowjetunion
    Koldehoff: Was weiß man denn über die Geschichte dieser Zeichnungen. Also, wir wissen, dass sie 1945 als sogenannte Beutekunst abhandengekommen, sprich: wahrscheinlich in die damalige Sowjetunion gebracht wurde…
    Buck: So ist es. Die Bestände des Kupferstichkabinetts wurden ja ausgelagert nach Schloss Wesenstein und 1945 gingen einige Werke in diesem Kontext verloren. Es ist höchstwahrscheinlich, dass das Werk dann in die damalige Sowjetunion überführt wurde, weil auf der Rückseite in kyrillischen Buchstaben ein Wort notiert ist. Von daher gibt es einen Hinweis auf die Sowjetunion. Aber weiter Unterlagen fehlen uns da vollständig.
    Koldehoff: Warum hat man sich denn – sie haben ja in ihrer Pressemitteilung auch geschrieben, wir haben dafür was bezahlt, es ist sozusagen zurückgekauft worden für einen angemessenen Preis – warum haben Sie sich entschieden, dieses Bild zurückzukaufen? War das eine wichtige Zeichnung? Hat das eine kunsthistorische oder eine Bedeutung im Sammlungszusammenhang für Dresden?
    Buck: Also, wir haben es nicht, wir haben es tatsächlich mit einem angemessenen Finderlohn erworben. Es ist tatsächlich ja die Position, dass diese Werke nach Dresden gehören.
    "Wir würden das für jedes Blatt versuchen"
    Koldehoff: Aber Sie hätten so einen Versuch für jedes Blatt, das zurück nach Dresden kommen könnte, unternommen?
    Buck: Wir würden auf jeden Fall jedes Blatt, das in dieser Art und Weise auftaucht sicherlich versuchen wieder zurückzuführen, um die Sammlung zu komplettieren. Also dieses Werk ist ein ganz typisches Beispiel, eine sehr, sehr schöne Zeichnung, die uns auch fehlt, weil wir sonst von Tenier keine eigenhändigen Werke haben. Ein weiteres ist verschollen, also innerhalb der Liste der verlorenen und vermissten Zeichnungen ist es zu verzeichnen. Wir würden das tatsächlich für jedes Blatt versuchen.
    Koldehoff: Auf dieser Liste stehen ja noch ganz viele andere Werke, nämlich nicht nur aus dem Kupferstichkabinett, sondern auch aus den anderen Abteilungen der Staatsgemädesammlungen. Haben Sie die Hoffnung, dass man darüber in absehbarer Zeit auch zwischen den Staaten wieder wird sprechen können?
    Buck: Das ist wirklich eine politische Frage. Wir versuchen auf jeden Fall, die Werke des Kupferstichkabinetts und die Kollegen der Gemäldegalerie versuchen die Gemälde und die anderen Kollegen versuchen natürlich jeweils ihre Sammlungen zu komplettieren. Und ob da auf einer politischen Ebene gesprochen wird oder eben mit dem Kunsthandel oder wie auch immer, finde ich: Das ist auf jeden Fall sehr notwendig und grundsätzlich ist natürlich zu hoffen, dass auf allen Ebenen gesprochen wird.