Donnerstag, 25. April 2024

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BEV-Pleite
Energieexpertin: Vorsicht bei Billigstromtarifen

Ehemalige Kunden der Bayerische Energieversorgungsgesellschaft BEV müssen mit finanziellen Einbußen rechnen, sagte Ines Rutschmann vom Verbraucherportal "Finanztip". Das Unternehmen sei Verbraucherschützern schon vor der Insolvenz aufgefallen - auch wegen zweifelhafter Praktiken beim Kundenservice.

Ines Rutschmann im Gespräch mit Georg Ehring | 01.02.2019
    Ein grünes Stromkabel mit einem grünen Stromstecker liegt auf Euro Geldscheinen und Centmünzen.
    Rückzahlungsforderungen statt günstigem Strom: Wenn Billigstromanbieter zahlungsunfähig werden, bleiben Kunden häufig auf ihren Ansprüchen sitzen. (dpa / Jens Kalaene )
    Georg Ehring: Wieder eine Pleite in der Energiewirtschaft: Die Bayerische Energieversorgungsgesellschaft BEV ist insolvent. Die vergangenen Jahre haben gelehrt: Auch größere Versorger können zusammenbrechen. Unternehmen wie Care-Energy, Flexstrom oder Teldafax waren teilweise sehr bekannt und auch umstritten. BEV war vor allem bei Kunden beliebt, die möglichst niedrige Preise wollen.
    Mit günstigen Tarifen und der Aussicht auf Bonuszahlungen konnten Kunden nämlich ordentlich sparen. Rund eine halbe Million Kunden soll das Unternehmen zuletzt gehabt haben. Darüber, was jetzt auf sie zukommt, spreche ich mit Ines Rutschmann vom Verbraucherportal "Finanztip". Guten Tag, Frau Rutschmann!
    Ines Rutschmann: Guten Tag, Herr Ehring!
    Guthaben werden nicht mehr in voller Höhe ausgezahlt
    Ehring: Frau Rutschmann, müssen die Kunden von BEV jetzt finanzielle Einbußen befürchten?
    Rutschmann: Das ist leider zu befürchten. Zunächst erst mal ist zu sagen, die BEV ist jetzt nicht mehr der Energieversorger dieser Kunden, sondern die Grundversorger sind eingesprungen. Die BEV liefert kein Gas und keinen Strom mehr. Auf was sich aber die Kunden einrichten müssen, ist, dass sie möglicherweise etwaige Guthaben, die sie gegenüber der BEV haben – oder auch diese Bonuszahlungen, die Sie angesprochen haben, – eben nicht mehr erhalten oder nur einen Bruchteil davon.
    Ehring: Diese Guthaben, die könnten bei BEV eine größere Höhe haben.
    Rutschmann: Ja, diese Guthaben können eine größere Höhe haben. Also, mir sind Kunden bekannt, die von der BEV zwei- oder dreistellige Beträge noch erhalten müssten. Und diese Guthaben werden jetzt vom Insolvenzverwalter natürlich nicht ausgezahlt, sondern erst, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist – vor April wird das nicht erwartet. Dann kann man das zur Insolvenztabelle anmelden und dann besteht eben die Möglichkeit, dass man im Zuge des Insolvenzverfahrens einen Bruchteil davon auch wiedererhält.
    Dass die Guthaben in dieser Höhe vorliegen, liegt daran, dass die BEV häufig sehr hohe Abschlagszahlungen vereinbart hat mit den Kunden, also höher als der Verbrauch eigentlich an Kosten erwarten ließ. Das bedeutet dann, dass auf den Abrechnungen eigentlich den Kunden ein Guthaben zusteht. Aber wie gesagt, dieses wird jetzt nicht mehr ausgezahlt, solange das Insolvenzverfahren läuft.
    Kunden mussten ihre Rechte einfordern
    Ehring: Das Unternehmen war ja Verbraucherschützern schon vorher aufgefallen. Hängt das mit diesen ungewöhnlich hohen Guthaben zusammen? Oder was gab es da noch für Auffälligkeiten?
    Rutschmann: Die BEV ist Verbraucherschützern, aber auch uns durch verschiedene Dinge aufgefallen. Zum einen durch diese hohen Bonuszahlungen und niedrigen Preise in ihren Angeboten. Nach unseren Untersuchungen waren die meist nicht kostendeckend. Das heißt, der Versorger hat im ersten Versorgungsjahr mit den Kunden nichts verdient beziehungsweise Minus gemacht. Der Gedanke dahinter ist, dass der Kunde länger bleiben muss, damit dann der Versorger an ihm verdienen kann. Im zweiten Vertragsjahr müssen sich dann diese Kunden mit eher hohen Preisen auseinandersetzen. Es gab auch Preiserhöhungen oder, wenn die Boni wegfallen, dann kostet einfach der Strom oder das Gas deutlich mehr.
    Zum anderen ist die BEV aufgefallen durch die Art des Kundenservices. Zum einen wurden beispielsweise diese hohen Abschlagszahlungen vereinbart. Der Kunde hat aber gesetzlich das Recht, dass die Kosten nach seinem vermutlichen Verbrauch oder seinem Verbrauch im Vorjahr ausgerichtet werden. Darauf hat die BEV zögerlich oder auch gar nicht reagiert. Die Abschläge wurden nicht angepasst. Dann gab es Probleme mit der Auszahlung von Guthaben, auch schon im Jahr 2018, dass die nicht unverzüglich ausgezahlt wurden, sondern dass die Kunden da nachhaken mussten. Dann nach mehreren Wochen gab es dann vielleicht einmal eine Überweisung. Die Bonuszahlungen wurden auch nicht zeitnah gezahlt. Manche Kunden haben da Monate drauf gewartet, dass die BEV diese Zahlungen überwiesen hat. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Es gab Fälle, da wurden sogar Abschläge vor Beginn der Lieferung bereits eingezogen. Das ist auch gesetzlich nicht vorgesehen. Und schließlich: Abrechnungen waren durchaus auch fehlerhaft und wurden nur auf Nachforderung der Kunden korrigiert.
    Bonustarif bedeutet spätere Preiserhöhung
    Ehring: Ja, die Liste ließe sich fortsetzen. Wenn ich einen neuen Versorger aussuchen will, ob als BEV-Kunde oder anderer, und keine solchen Probleme haben will, worauf sollte ich dann achten?
    Rutschmann: Wer einen Tarif mit hohen Bonuszahlungen wählt, der sollte sich immer im Klaren sein, dass der Versorger erst einmal mit diesem Kunden Minus macht und dass er erst ab dem zweiten oder vielleicht auch erst ab dem dritten Jahr mit dem Kunden verdient. Die Strategie dahinter ist, dass man, sobald man kann, sobald eine Preisgarantie abgelaufen ist, die Preise erhöht oder beziehungsweise der Bonus fällt weg und dann sind automatisch die Kosten höher.
    Ehring: Also bei solchen Tarifen muss man dann vorsichtig sein?
    Rutschmann: Ja, nicht nur mit Bonustarifen. Es gibt auch Tarife ohne Bonus, die nicht kostendeckend sind. Unser Tipp ist deshalb, es reicht nicht, einfach nur Tarife ohne Bonus zu wählen. Ein guter Indikator ist der Grundversorgungstarif, mit dem auch immer auf Vergleichsportalen verglichen wird. Unser Tipp ist: Wenn der Grundversorgungstarif bis zu zehn bis 15 Prozent über dem Angebot liegt, das ich da ins Auge fasse, dann ist das eine gute Wahl.
    Ehring: Herzlichen Dank, das war Ines Rutschmann vom Portal Finanztip zu Pleite von BEV.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.