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"Bewahr Dir Deine Identität"

Marie-Claire Nun aus Augsburg hat es geschafft! Mit ihrem Plakat hat sie die Jury überzeugt und gewinnt den ersten Preis des für Design-Studierende. Das Thema in diesem Jahr: "Chancen und Risiken des Studium Digitale".

Von Viktoria Wagensommer | 07.06.2010
    Marie-Claire Nun ist 22, im vierten Semester studiert sie an der Hochschule Augsburg Kommunikationsdesign. Sie sitzt am Küchentisch in ihrer Wohnung und erzählt davon, wie überrascht sie war, als sie von der Auszeichnung ihres Plakats erfuhr:

    "Ich konnt’s eigentlich am Anfang gar nicht glauben. Es war auch das erste Mal, dass ich an so einem Wettbewerb teilgenommen hab’. Ich hab’ echt gedacht ich schick’ das da halt ein, weil das ist mit im Kurs so vorgesehen gewesen."

    In einem Seminar an der Hochschule war es die Aufgabe, ein Plakat vorzubereiten und beim Wettbewerb einzureichen. Aus insgesamt knapp 500 Arbeiten von Studierenden aus ganz Deutschland hat die Jury Nuns Plakat als Sieger ausgewählt. Die 22-Jährige rollt es vorsichtig aus.

    "Es ist groß ein Mädchen abgebildet, also bis zu den Schultern, mit einem ziemlich neutralen Blick und kleine Pfeile, die ihr Gesicht zerfressen. "

    Die Pfeile scheinen das Porträt allmählich zu verschlucken. Die linke Gesichtshälfte ist mit hunderten der kleinen Zeiger übersät. Das ist die Anspielung aufs Studium Digitale, erklärt Marie-Claire Nun:

    "Die Pfeile sind weiß, wie man sie auch eben am Rechner verwendet. Also umso öfter man die Person im Internet angeklickt hat, umso mehr Pfeile sind auf ihrem Gesicht und umso mehr wird die Identität zerfressen."

    Die Darstellung hat etwas Hartes an sich. Das ist Absicht, denn die Preisträgerin will mit ihrem Plakat eine kritische Botschaft vermitteln:

    "Also man soll sich im Internet nicht falsch präsentieren oder auch nicht zu viel im Internet von sich preisgeben, weil dann wissen ja die Leute schon alles über einen. Man bewahrt sich nichts. Das Mädchen bei dem Plakat hat schon viel von sich preisgegeben und dürfte nicht noch weiter in diese Richtung der Selbstdarstellung und Selbstzerstörung dadurch gehen."

    "Bewahr Dir Deine Identität" – das steht in dicken Buchstaben am oberen Plakatrand. Marie-Claire Nun warnt mit dem Appell nicht vor allen Aspekten des Studiums Digitale. E-Learning und Online-Recherche zum Beispiel begrüßt sie sogar. Die Risiken virtueller Netzwerke brennen ihr allerdings unter den Nägeln. Als Studentin im digitalen Zeitalter kann sie sich Online-Communities nämlich nicht entziehen:

    "In einem Fach zur Zeit haben wir uns da echt in Facebook eine Gruppe angelegt, in der wir uns dann gegenseitig darüber informieren, was als nächstes geplant wird. Und man stellt was von sich rein, und man weiß, man kann’s dann eben nicht mehr rückgängig machen, und das ist schon eine Bedrohung irgendwie. "

    Auch dass immer mehr soziale Kontakte virtuell ablaufen stört die 22-Jährige. Ihr sind direkte Begegnungen lieber. Nicht umsonst wohnt sie mit drei ihrer Kommilitoninnen in einer Wohngemeinschaft. Alle vier haben sich am Plakatwettbewerb beteiligt. Marie-Claire Nun hat sich für ihr Plakat aber am meisten Mühe gegeben. Stundenlang saß sie am Computer. Hunderte von Mausklicks später war ihr Plakat schließlich fertig. Professorin Gerda Müllner hat Nuns Arbeit betreut. Sie freut sich über den Erfolg ihrer Studentin ganz besonders:

    "Ich finde da hat es den Richtigen beziehungsweise die Richtige getroffen, weil sie traut sich immer nicht so viel zu und ist sich immer unsicher, hat auch bei diesem Plakat x Ausführungen am Ende gemacht, also war sich auch nicht sicher, ob das überhaupt gut ist und ist nicht sehr selbstbewusst, was teilweise ihre Arbeit betrifft. Und deswegen finde ich es so super, dass sie den ersten Preis gewonnen hat, weil ich glaube, das gibt ihr einen richtigen Schub."

    Für’s Selbstbewusstsein und für den Lebenslauf ist der Preis ein Plus. Nicht zuletzt wirft der Wettbewerb auch ein gutes Licht auf die Hochschule Augsburg, sagt Müllner:

    "Klar, wir stehen ja genauso in Konkurrenz mit anderen Hochschulen und können uns natürlich auch durch Preise und Auszeichnungen genauso profilieren, wie die Studenten selber."

    Der erste Platz ist mit 2000 Euro dotiert. Etwa ein Viertel davon muss die Preisträgerin an die Hochschule abtreten. Den Rest kann sie gut gebrauchen:

    "Demnächst werde ich nach Bologna gehen für’s Auslandsemester, und da werd’ ich wahrscheinlich auch ein bisschen Geld zum Überleben brauchen. Und der Rest wird in Studiengebühren fließen müssen. Leider."

    Geld für Urlaub oder Freizeit bleibt wohl nicht übrig – am meisten freut Marie-Claire Nun aber ohnehin nicht das Geld, sondern dass ihr Werk bald auf Deutschlandtournee geht: Die dreißig besten Plakate des Wettbewerbs sind Teil einer Wanderausstellung. In den kommenden eineinhalb Jahren sind sie in den Räumen der Studentenwerke verschiedener Städte wie zum Beispiel Essen, Freiburg und Magdeburg zu sehen.


    Ergebnisse der Jury zum 24. Plakatwettbewerb "Studium Digitale - Chancen und Risiken" (PDF-Dokument)