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Bewegte Vergangenheit

Planetologie. - Der Mond fasziniert die Menschheit seit vielen Jahrtausenden. Nach einer langjährigen Pause haben ihn die Raumfahrer auch wieder entdeckt. Jüngst umkreiste ihn unter anderem die Nasa-Zwillingsmission Grail. Die ersten Ergebnisse des Doppels wurden jetzt auf der AGU-Jahrestagung in San Francisco vorgestellt.

Von Monika Seynsche | 06.12.2012
    Seit dem ersten März 2012 umkreisen zwei waschmaschinengroße Raumsonden den Mond und untersuchen sein Schwerefeld, schauen also wo er welche Anziehungskraft ausübt. Verantwortlich für die beiden Zwillingsraumschiffe ist die Chefwissenschaftlerin der Grail genannten Mission, Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge.

    "Der eine Flugkörper jagt dem anderen hinterher um den Mond herum, in einem Abstand von bis zu 200 Kilometern. Jede kleinste Veränderung dieses Abstandes verrät uns etwas über die Anziehungskraft des Mondes an der Stelle, die gerade überflogen wird. Denn wenn die erste Sonde zum Beispiel über einen Berg fliegt, wird sie von der großen Masse des Berges stärker angezogen und fliegt ein kleines bisschen schneller. Dadurch vergrößert sich der Abstand zur zweiten Sonde und aus dieser Abstandsveränderung können wir auf die Masse des Mondes an dieser Stelle schließen. Die Messungen laufen die ganze Zeit, fünfmal pro Sekunde."

    Je größer die Masse eines Gegenstandes ist, desto stärker ist seine Anziehungskraft. Dieses Prinzip haben Maria Zuber und ihre Kollegen ausgenutzt, um das Schwerefeld des Mondes zu untersuchen.

    "Dieses Schwerefeld ist erstaunlich ebenmäßig. Das liegt daran, dass der Mond genauso wie die terrestrischen Planeten in seiner Geschichte heftig bombardiert wurde. Asteroiden und andere Himmelskörper prallten auf den Mond und zertrümmerten die oberste Kruste. Durch dieses starke Bombardement hat sich die Masse im Inneren des Mondes relativ gleichmäßig verteilt. Der Mond wurde viel stärker durchgeschüttelt, als wir bislang dachten."

    Die vorhandenen Unterschiede im Schwerefeld seien zum allergrößten Teil auf die Oberflächenstrukturen zurückzuführen, wie Berge und Täler, sagt Maria Zuber. Da ihre beiden Sonden in gerade einmal 55 Kilometer Höhe fliegen, können die Forscher diese Strukturen an der Mondoberfläche sehr genau erkennen.

    "Wir haben nicht nur Krater entdeckt, sondern auch einzelne Strukturen darin, wie Ringe und zentrale Gipfel in der Mitte der Krater, sowie tektonische Strukturen."

    98 Prozent aller Abweichungen im Schwerefeld des Mondes lassen sich durch diese Oberflächenstrukturen erklären. Für die verbleibenden zwei Prozent interessiert sich Jeff Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines in Golden. Seiner Ansicht nach sind es Hinweise auf vulkanische Strukturen unter der Oberfläche des Mondes.

    "Wir haben mit Grail sehr viele strichförmige Anomalien im Schwerefeld identifiziert, die der Wissenschaft bislang unbekannt waren. Diese linearen Anomalien haben eine Länge von bis zu 300 Meilen."

    Einige dieser Striche, die Jeff Andrews-Hanna im Schwerefeld des Mondes erkennen kann, werden von Einschlagkratern unterbrochen. Daraus schließt der Astronom, dass die Striche älter sind als die Krater.

    "Diese Anomalien haben eine stärkere Anziehungskraft als ihre Umgebung, und unsere Modelle zeigen uns, dass wir so ein Verhalten von bestimmten vulkanischen Strukturen erwarten würden, von sogenannten Gängen oder Dykes. Ein Dyke ist ein erstarrter, magmagefüllter Riss."

    Solche Dykes entstehen, wenn sich ein Himmelskörper erwärmt und ausdehnt. Dann reißt die Oberfläche auf und Magma füllt die Risse. Jeff Andrews-Hanna vermutet, dass genau das in der Frühzeit des Mondes geschehen ist.

    " Wir glauben, dass sich das Innere des Mondes erwärmt hat. Wenn Sie sich das Temperaturprofil des Mondes kurz nach seiner Entstehung anschauen, war sein Inneres kalt aber sein Äußeres wurde durch die zahlreichen Einschläge immer heißer. Denn beim Aufprall wird Energie frei, die in Wärme umgewandelt werden kann. Dadurch wurde der Mond nach außen hin immer wärmer."

    Nach und nach, so Jeff Andrews-Hanna, wärmte sich dann das Innere des Mondes auf, dehnte sich aus, und die Dykes entstanden. Eine Milliarde Jahre nach der Entstehung des Erdtrabanten sei dieser Prozess abgeschlossen gewesen. Seitdem kühlt sich der Mond wieder ab und wird kleiner und kleiner.