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Bezahlung von Frauen und Männern
Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West

Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen ist im Westen größer als im Osten, das geht aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Im Osten sind zudem mehr Frauen in Führungspositionen. Ein Grund dafür ist, dass es im Osten mehr Betreuungsangebote für Kinder gibt.

Von Sina Fröhndrich | 15.09.2020
Geschäftsleute mit Trolleys laufen über einen Gang
Männer arbeiten öfter Vollzeit, verdienen mehr und sind eher in Führungspositionen (picture alliance/dpa - STOCK4B/VisualEyze)
Frauen verdienen weniger als Männer – und sie arbeiten häufiger in Teilzeit. Das zeigen verschiedene Daten immer wieder. Doch natürlich ist das nur ein Durchschnitt und vor allem zwischen Ost und West gibt es Unterschiede – eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat sich das genauer angesehen.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Ost und West?

Der Gender Pay Gap ist im Westen viel größer als im Osten: Die unbereinigte Lohnlücke liegt bei 21 Prozent im Westen, im Osten sind es hingegen nur sieben Prozent.
Und im Osten sind Frauen viel häufiger als Führungskraft vertreten – vor allem auf der zweiten Führungsebene – da sind Frauen so präsent wie es ihrem Anteil an allen Beschäftigten entspricht. Also in der Privatwirtschaft arbeiten 44 Prozent Frauen. Und auf der zweiten Führungsebene gibt es auch 45 Prozent Frauen. Auch auf der ersten Führungsebene sind Frauen in Betrieben in den östlichen Bundesländern häufiger zu finden.

Warum ist der Gender Pay Gap im Osten kleiner?

Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen liegt es an der Vollzeit, die spielt im Osten eine viel größere Rolle. Beispielsweise ist das Familienmodell Vollzeit/Vollzeit im Osten verbreiteter und das liegt, so die Studie, auch daran, weil dort die Kinderbetreuung viel umfassender ist – immer noch. Ein weiterer Grund für viel Vollzeitbeschäftigung ist das niedrigere Lohnniveau im Osten. Das führt dazu, dass in einer Beziehung, in einer Familie, beide Vollzeit arbeiten müssen, weil es sonst einfach nicht reicht.
Zwei Miniatur-Figuren, eine männlich, eine weiblich, stehen auf einer schiefen Ebene einer Wasserwaage. Die männliche Figur steht etwas weiter unten.
In Rumänien verdienen Frauen und Männer gleich schlecht
Frauen verdienen im EU-Durchschnitt noch immer 16 Prozent weniger als Männer. In Rumänien fällt diese Diskrepanz am geringsten aus. Allerdings fällt der Lohn für alle ziemlich schlecht aus.
Und der Gehaltsabstand zwischen den Geschlechtern ist auch deswegen geringer im Osten, weil Männer nicht so viel verdienen wie im Westen. Dort gebe es einfach deutlich weniger gut bezahlte Industriejobs, sagt Aline Zucco, Genderforscherin bei der Hans-Böckler-Stiftung: "Wenn man sich gerade die hohen Einkommen über 5000 Euro anschaut, sehr häufig bei westdeutschen Männern, Während die ostdeutschen Männern eher niedrigere Einkommen beziehen."

Warum sind Frauen im Osten stärker in Führungspositionen?

Das hat laut Aline Zucco auch damit zu tun, dass im Osten mehr in Vollzeit gearbeitet wird. Und Führungspositionen in erster Linie als Vollzeit angeboten werden. Was die Genderforscherin nicht unbedingt gutheißt. Weil es mit Führen in Teilzeit längst alternative Modell gibt.
Die besten Einkommenschancen auf dem Arbeitsmarkt haben im Durchschnitt und statistisch gesehen übrigens laut der Studie Männer aus den westlichen Bundesländern. Mit neuer Ansiedlung von Industriestandorten – wie Tesla in Brandenburg, und Batteriefabriken in Brandenburg und Thüringen etwa – könnte sich daran aber etwas tun.

Was sagt uns so eine Studie 30 Jahre nach der Wiedervereinigung?

Menschen ziehen um: Wer in Sachsen geboren ist, zieht vielleicht nach Bayern – und anders herum. Aline Zucco ist deshalb überzeugt, dass die Unterschiede weniger mit den Menschen und mehr mit den Bedingungen vor Ort zusammenhängen.
"Wir schauen uns nur den Querschnitt an, wer lebt heute im Westen und im Osten, vergleichen das, aber merken, dass vieles von den institutionellen Rahmenbedingungen abhängt", sagt Zucco.
Und damit ist dann im Wesentlichen gemeint: Die Ganztags-Kinderbetreuung, das Kita-Angebot. Und auch darüber hinaus geht es um die Forderung nach mehr Partnermonaten beim Elterngeld, kein Ehegattensplitting – das wären dann so die üblichen Forderungen – in Richtung Politik, die diese Studie ableitet.