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Bezeichnung von Viren
"Begriff der Afrikanischen Schweinepest ist ja Tradition"

Die Afrikanische Schweinepest hat Deutschland erreicht und damit auch eine Debatte, ob ein Virus mit einem Kontinent verknüpft werden sollte. Auch wenn es aktuell eher eine afro-eurasische als eine afrikanische Schweinepest sei, sehe er keinen Grund für eine Umbenennung, so der Virologe Thomas Mettenleiter im Dlf.

Thomas Mettenleiter im Gespräch mit Christiane Knoll | 11.09.2020
Ein Schild warnt während einer Übung im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest an einem Sperrbezirk in Dresden.
Ein Schild warnt während einer Übung im Kampf gegen den Erreger in einem Sperrbezirk bei Dresden (dpa/Jan Woitas)
Für Virologen ist das Afrikanische Schweinepest-Virus in erster Linie ein Virus. Doch einige Hörer des Deutschlandfunk störten sich an der Bezeichnung des Virus, einer fasste die Kritik so zusammen: "Wieso wird Trump an den Pranger gestellt, weil er Covid-19 als "Chinesische Grippe" bezeichnet und gleichzeitig ist im DLF von der afrikanischen Schweinepest die Rede?" Das sei beschämend, sagt er, und offenbare ein hohes Maß an Doppelmoral.
Um die Eindämmung der Afrikanischen Schweinegrippe nach dem ersten Fall in Deutschland kümmert sich das Friedrich-Löffler-Institut. Der Deutschlandfunk fragte den Präsidenten Thomas Mettenleiter, ob der die Kritik nachvollziehen kann:
Thomas C. Mettenleiter: Na, jetzt im Kontext der Äußerungen von Trump, der das ja nun wirklich auch explizit abwertend verwendet, klar, aber der Begriff der Afrikanischen Schweinepest, der ist ja Tradition. Das Virus wurde 1921 zum ersten Mal in Kenia nachgewiesen, und es hat eben auch seinen Ursprung in Afrika, es gibt unterschiedliche genetische Varianten in Afrika. Das heißt, lange Zeit war das wirklich eine Afrikanische Schweinepest, die es aber immer wieder aus Afrika hinausgeschafft hat, auch Einträge nach Europa, und jetzt seit 2007 breitet sie sich eben in Europa und in Asien aus. Wenn ich jetzt meine Vorträge halte, dann sage ich, eigentlich ist Afrikanische Schweinepest, dieser traditionelle Name, ein Misnomer, also eine - ich will nicht sagen Fehlbezeichnung - aber doch trifft es den Kern nicht mehr so wie früher, und ich sage, eigentlich ist es im Moment eine afro-eurasische Schweinepest geworden.
Erstbeschreibung nach Städten, Flüssen, Ländern
Christiane Knoll: Wie verbreitet ist es denn, Viren geografisch, also nach ihrem geografischen Ursprung zu benennen?
Mettenleiter: Das ist sehr verbreitet. Da gibt es unterschiedliche Erreger, die zum Teil nach der Erstbeschreibung oder Erstisolierung nach Städten, nach Flüssen, nach Regionen, nach Ländern benannt worden sind, und in dem Fall ist es eben ein Kontinent. Die klassische Schweinepest, die wurde früher als europäische Schweinepest bezeichnet, ist dann im Zuge einer - ich weiß gar nicht, was der genaue Grund war - umbenannt worden in die klassische Schweinepest, also Classical Swine Fever und nicht mal mehr European Swine Fever – wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund, dass es eben keine europäische Schweinepest in dem Sinne war, sondern das eben auch in anderen Regionen der Erde aufgetreten ist. Aber dass die Viren benannt werden oder Erreger benannt werden nach dem Ursprung der ersten Isolierung oder Identifizierung, das ist sehr weit verbreitet.
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Eine wirklich "traditionelle Bezeichnung"
Knoll: Aber das leistet eben auch immer wieder Vorschub für Stigmatisierung. Bei der Spanischen Grippe zum Beispiel ist das passiert.
Mettenleiter: Ja, das ist ein Beispiel, da können ja sozusagen die Spanier nichts dafür, dass das als Spanische Grippe bezeichnet wird, vor dem Hintergrund eben der Zensur in den anderen Ländern, wo diese Infektion deutlich früher aufgetreten ist, eben damals der kriegsführenden Länder. Solche Bezeichnungen sind sicherlich auch im Zuge der Geschichte heutzutage nicht mehr immer so konkret und so wichtig, wie sie am Anfang waren, aber in dem Fall ist es wirklich eine traditionelle Bezeichnung, die jetzt also nichts mit irgendwelchen Diskriminierungen zu tun hat.
"Ich sehe jetzt keine Diskriminierung"
Knoll: Ja, aber ich wollte auf einen anderen Punkt raus: Sie sagen es gerade, einzelne Länder haben damals nicht offen über die Fälle von Grippe berichtet, die Spanier waren die Ersten, und deswegen ist der Name eben an ihnen hängen geblieben. Aber im Nachhinein wurden die Spanier diskriminiert – der Name war erst mal da, und die Stigmatisierung folgte.
Mettenleiter: Ich sehe jetzt nicht, dass der Name der Afrikanischen Schweinepest, den es wie gesagt seit 1921 gibt, hier in einer Diskriminierung irgendwie sich äußert. Ich sehe jetzt keine dringende Notwendigkeit einer Umbenennung. Für uns ist es wichtig, dass wir in der Terminologie immer das Gleiche meinen, wenn wir dann davon sprechen, und das ist das Wichtige aus unserer Sicht.
Internationales Komitee beschäftigt sich mit Bezeichnungen
Knoll: Wir erleben ja gerade eine Debatte über diskriminierende Sprache. Die Mohren-Apotheke steht am Pranger, das ist jetzt nur ein Beispiel, die soll umbenannt werden. Ist es denn denkbar, dass auch die Virologie Umbenennungen vornimmt, die ja noch nicht mal so falsch wären in dem Fall, wie Sie gerade beschrieben haben.
Mettenleiter: Auch das kommt hin und wieder vor. Die Nomenklaturen werden geändert, es gibt ein International Committee on Taxonomy of Viruses, ICTV, das heißt, das ist ein internationales Komitee, das sich speziell mit der Taxonomie der Viren, also dann unter anderem auch mit Bezeichnungen beschäftigt. Wie man jetzt dort einen Vorschlag gibt, dieses Virus anders zu benennen, wie auch immer dann ein anderer Name aussehen könnte, dann habe ich damit keine grundsätzlichen Probleme. Für uns ist wichtig, dass wir die Differenzierung von anderen Erregern dann auch entsprechend klarmachen. Das ist im Bereich Afrikanische Schweinepest, African Swine Fever auf Englisch, ist das gegeben. Die Familie heißt African Swine Fever and Related Viruses, Asfarviridae, aber auch das lässt sich natürlich, wenn die Notwendigkeit besteht oder der Wunsch danach, umbenennen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.