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Beziehung mit Konfliktpotential

Prominente Autoren erhöhen das Renommee von Verlagen. Verlage verdienen an der Prominenz der Autoren. Alles dreht sich um die Auflage. Wer sie nicht erreicht, dem werden schon mal Ratschläge für marktgängiges Schreiben erteilt. Die Folge: Immer mehr grundsolide und berufsmäßige Schriftsteller, die ihren eigenen Weg suchen und gehen, fühlen sich mit ihrer literarischen Arbeit an den Rand gedrängt.

Von Detlef Grumbach | 12.03.2009
    "Man fragt sich ja heute, wer schreibt eigentlich kein Buch, ja? Es gibt noch ein paar, die keins schreiben."
    Bodo Kirchhoff, sechzig Jahre alt und freiberuflicher Schriftsteller in Frankfurt am Main, klingt etwas sarkastisch, wenn man ihn nach seiner Rolle als Autor im heutigen Literaturbetrieb fragt. Er hat gerade einen bitter-komischen Roman publiziert, in dem er die Krisen hier mit denen der
    Finanzwelt und des Liebeslebens kombiniert. Titel: "Erinnerungen an meinen Porsche". Inhalt: Ein impotenter Banker schreibt ein Buch.

    "Heute ist es eben so, dass jeder, der in irgendeiner Weise einmal Teil der Öffentlichkeit geworden ist, daraus ein Buch dann am Ende macht. Das ist die eine Seite. Und die andere Seite, es ist aber auch eine ganz klare Geldmaschine geworden. Seien es Skandale oder irgendwas, Fernsehgeschichten, Albernheiten, wie auch immer. Es mündet immer in einem Buch."
    Beispiele gibt es genug, etwa Michael Hirtes "Der Mann mit der Mundharmonika", Guido Westerwelles " ... und das bin ich!" oder Rainer Calmunds "Fußball bekloppt"?
    Wend Kässens hat seine Laufbahn als Lektor im Suhrkamp-Verlag begonnen und hat dann lange Jahre als Literaturredakteur des Norddeutschen Rundfunks gearbeitet. Mittlerweile im Ruhestand, stellt er fest:

    "Die Literatur hat generell das Problem, dass heutzutage alles, was sich irgendwie als Buch vermarkten lässt, auch als Buch hergestellt wird. Also: Wenn der Schwimmstar oder der Fußballstar ein Buch veröffentlichen will, dann kriegt er dieses Buch auch und dieses Buch wird optimal vermarktet, mit enormem Aufwand an Werbung und so, und das führt dazu, dass die Verlage die Belletristik, die Literatur, die Erzählungen, Lyrik sowieso, eher in den Hintergrund schieben und gucken, womit sich Geld verdienen lässt."

    "Die Schere geht immer weiter auseinander."
    So erklärt es Günter Berg, lange Zeit in verantwortlichen Positionen beim Suhrkamp-Verlag und heute Programm-Geschäftsführer bei Hoffmann & Campe in Hamburg.

    "Wir haben die ganz erfolgreichen Bücher und wir haben Bücher, die mit Anstand ihren Weg gehen. Aber die 20.000er, 30.000er, 40.000er Auflagen, so ein ganz stabiles, auch meinungsbildendes Mittelfeld, das gibt es kaum noch. Es gibt eine enorme Konzentration auf wenige Titel. Das ist neu."
    Der Markt für Bücher teilt sich auf, konzentriert sich auf immer weniger Bestseller und ihre Autoren, die in den Medien präsent sind. Dazu gehören neben Politikern und den Stars aus Film und Fernsehen auch ernstzunehmende Literaten wie Günter Grass, Daniel Kehlmann oder Uwe Tellkamp.

    "Im Grunde ist der Autor ein Teil der Kulturindustrie geworden und das stellt gewisse Anforderungen an ihn, die er mit erfüllen muss und da hat sich doch das Bild des Autors sehr gewandelt in den letzten zehn, fünfzehn Jahren."
    Prominente Autoren erhöhen das Renommee von Verlagen. Verlage verdienen an der Prominenz der Autoren. Alles dreht sich um die Auflage. Wer sie nicht erreicht, dem werden schon mal Ratschläge für marktgängiges Schreiben erteilt. Die Folge: Immer mehr grundsolide und berufsmäßige Schriftsteller, die ihren eigenen Weg suchen und gehen, fühlen sich mit ihrer literarischen Arbeit an den Rand gedrängt.
    Die Hamburger Autorin Dorothea Dieckmann stellt fest,

    "dass die Verlage immer mehr als Agenten des Marktes operieren und immer weniger als Betreuer, Mitentwickler einer künstlerischen Tätigkeit, einer Autorin. Hinzu kommt das Problem, dass man offenbar als Verleger oder Lektor einem Autor nicht eindeutig sagt, du pass auf, wenn du unter 4000 verkauften Exemplaren bleibst, dann sind wir geschiedene Leute. So läuft das ja auch heute nicht. Denn man möchte die Sprache des Geldes doch nicht sprechen, obwohl sie ja sozusagen die wahrhaftige Sprache wäre."
    Das Buch - so die Statistik des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels - ist in den letzten zwanzig, dreißig Jahren zu einem riesigen Geschäft geworden. 1990 flossen an die 6,5 Milliarden Euro in die Kassen der Buchhändler, 1998 waren es gut neun Milliarden. Nach einem Wachstumsknick zu Beginn des neuen Jahrzehnts kletterte die Zahl wieder auf etwa zehn Milliarden Euro.
    Auch die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen ist rasant angestiegen. Knapp 45.000 Neuerscheinungen kamen 1990 auf den Markt. Jetzt werden um die 90.000 angepeilt - doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren also. Autoren, die sich im überhitzten Markt behaupten wollen, sollten also besser gefragte Leute sein.
    Einige sind das auch. Die Stars, die Prominenten und auch einige von den Jungen, von denen man hofft, dass sie sich zu Stars entwickeln. Die meisten aber, die sich im großen Mittelfeld und im unteren Bereich bewegen, sind unzufrieden. Denn auch die Zahl der Autoren wächst. Immer mehr wollen und müssen vom Schreiben leben. Wahrscheinlich sind es zu viele, als dass der Markt sie alle ausreichend ernähren könnte.
    Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Die Künstlersozialkasse, in der die meisten Schriftsteller, aber auch freie Journalisten versichert sind, meldete im letzten Jahr im Bereich der Wortschaffenden insgesamt 40.000 Versicherte. Das Durchschnittseinkommen liegt bei 15.000 Euro im Jahr - brutto.
    Christoph Links, in der DDR zuletzt Assistent der Geschäftsführung beim Aufbau-Verlag und seit 20 Jahren selbständiger Verleger im Bereich des politischen Sachbuchs, führt viele Gespräche mit Autoren.

    "Junge Autoren, die noch keinen Namen haben und etwa aus dem Journalismus kommend versuchen, ins Sachbuchgeschäft einzusteigen, werden mit wenig seriösen Angeboten konfrontiert, dass sie ihr Projekt selber finanzieren sollen, dass sie schon eine fertige, satzfähige Datei liefern sollen, weil es kein Lektorat mehr in bestimmten Häusern gibt, dass sie die Werbemittel, Anzeigen selber bezahlen sollen. Das sind natürlich Sitten, wo die wirtschaftliche Not, die es ja am Markt auch gibt, weitergegeben wird an die Autoren."
    Hinzu kommt eine deutliche Diskrepanz zwischen den Arbeitsweisen von Verlagen und Autoren: Das Buch ist heute zu einem Saisonartikel geworden. Neuerscheinungen kommen halbjährlich auf den Markt. Das bedeutet, dass die Bücher sechs Monate Zeit haben sich durchzusetzen. Dann schwappt die nächste Welle über Handel, Medien und Leser. Autoren schreiben ein, zwei, oft mehr Jahre daran.
    Dem Hamburger Hermannus Pfeiffer wurden für ein Buchexposé über die Weltmeere, Rohstoffe und Ökologie 2000 Euro Vorschuss angeboten. Nicht eine Zeile stand auf dem Papier, mindestens ein Jahr hätte die Arbeit gedauert. Wovon sollte er in der Zeit leben? Der Autor zog sein Exposé zurück.
    Matthias Altenburg begann Anfang der 90er Jahre mit dem Schreiben.
    Verlage, so kam es ihm damals vor, setzten auf Neuerscheinungen wie ein Spieler seine Jetons auf das Spielbrett setzt. Einige wenige Bücher erweisen sich dann sofort als erfolgreich, für die anderen lohnt sie kein weiterer Einsatz. Sein erster Roman erschien 1992 bei Piper, der zweite bei Eichborn, der dritte bei Kiepenheuer& Witsch. Seit fünf Jahren publiziert er unter dem Pseudonym Jan Seghers erfolgreiche Kriminalromane bei Wunderlich, einer Sparte des Rowohlt-Verlags.
    Dieckmann: "Wo kommt es denn schon mal vor, dass ein verantwortlicher Verleger oder Lektor seinem Autor, seiner Autorin sagt, pass mal auf, wir setzen uns jetzt zusammen und besprechen jetzt im Einzelnen: Wie können wir deinem Buch die angemessene Wertschätzung draußen erarbeiten? Wie können wir das zusammen machen? Was fällt dir ein?"
    Dorothea Dieckmann teilt die Erfahrung vieler Kollegen: Verlagswechsel sind keine Seltenheit mehr. Sie debütierte 1993 bei Rowohlt, wechselte dann zu Rotbuch, von dort zum Berlin Verlag. Auf der Suche nach einem Verlag, der ihr eine stabile, individuelle, auch die künstlerische Entwicklung begleitenden Partnerschaft bietet, ist sie beim renommierten Klett-Cotta-Verlag gelandet.

    "Je weiter ich in der Verlagslandschaft in Anführungsstrichen aufgestiegen bin, das heißt, je renommierter und größer auch die Verlage waren, in die ich jeweils eingestiegen bin, desto deutlicher hat sich doch gezeigt, dass das Verhältnis zwischen Autorin und Verleger beziehungsweise zwischen Autorin und Lektor, zur Leistungsbeziehung wurde. Sprich: Die Anzahl der verkauften Exemplare ist direkt proportional zum Umgang mit der Autorin."

    "Verlage leben von ihren Autoren."

    So Günter Berg von Hoffmann & Campe.

    "Das ist absolut schlicht, wird aber nicht von allen Verlagen beherzigt, weil nicht alle Verlage genau wissen, was Autoren überhaupt sind. Autoren sind nicht Menschen, die gelegentlich mal Bücher schreiben, Autoren sind Menschen, die nichts anderes tun, als Bücher zu schreiben, und die mit einem Verlag möglichst lange, möglichst eng und am besten ohne etwas zwischen den Parteien verbandelt sind und arbeiten wollen."

    Hoffmann & Campe steht in der Tradition des alten Julius Campe, des Verlegers von Heinrich Heine und vom Jungen Deutschland. Campe gilt als "Prototyp des frühkapitalistischen Verlegers", der es schon Mitte des 19. Jahrhunderts verstand, aus seinen literarischen Überzeugungen Gewinn herauszuholen. Später wurde das Bild des Verlegers geprägt von Dynastien wie Fischer oder Rowohlt, zuletzt noch von Persönlichkeiten wie Siegfried Unseld.
    Solchen Verlegern geht es nicht um einzelne Bücher, die wie ein Profitcenter in einem Großunternehmen betrachtet werden. Sie schätzen ihre Autoren, wollen mit ihnen ein Werk entwickeln, begleiten sie oft ein Leben lang. Aber:

    "Die Idee, dass man mit einem Autor durch sein eigenes Verlagsleben geht und den Autor sein Leben lang mit seinen Büchern begleitet, womöglich ihm noch monatlich etwas bezahlt, also Vorschüsse bezahlt, diese Idee ist eigentlich im Rahmen einer Kulturindustrie und einer Buchindustrie so nicht mehr durchzuhalten. Das ist nicht mehr zu machen."
    So der pensionierte Literaturredakteur Wend Kässens.

    "Ein Autor, der zwei, drei wenig oder gar nicht erfolgreiche Bücher herausgebracht hat, der wird auch schon mal, auch wenn er sechs andere erfolgreiche Bücher in dem Verlag hat, vor die Tür gesetzt."
    Die Struktur der großen Verlage und der Status der Programmmacher hat sich grundlegend geändert. Verleger als Eigentümer gibt es heute fast nur noch im Bereich kleiner und kleinster Verlage. Mittlere und große Häuser gehören meist zu Verlagsgruppen, zu Konzernen wie Holtzbrinck oder Bertelsmann. Verleger wie Günter Berg agieren lediglich als Programmgeschäftsführer. Sie teilen sich die Entscheidungsmacht mit den kaufmännischen Geschäftsführern, gemeinsam sind sie dafür verantwortlich, dass die Eigentümer zufrieden, dass deren Renditeerwartung erfüllt wird.
    Bei solchen Häusern ist schwer betteln oder fordern, so wie Heinrich Heine es selbstbewusst bei Julius Campe getan hat. Heine gilt als einer der ersten freien Schriftsteller. Er wollte von der Literatur leben, war nicht bei Hofe angestellt, hatte keinen Mäzen. Aber er hatte dann wenigstens einen reichen Onkel. Davon träumen viele Autoren noch heute.
    Immer mehr lassen sich aber auch von Agenten vertreten: Die einen, um ihre Manuskripte überhaupt an einen Verlag heranzutragen, die anderen um noch erfolgreicher zu werden. Agenturen beobachten den Markt und filtern das Angebot, schon bevor es in die Lektorate der Verlage gelangt. So können sie auch die ökonomischen Interessen und Fragen des Marketings für ihre Autoren effektiv vertreten.

    "Die Agentur kann zunächst schon die Ausgangssituation des Autors stärken."

    So Teresa Löwe-Bahners von der Berliner Agentur Graf & Graf, mit knapp 15 Jahren Erfahrung einer der ältesten Agenturen in Deutschland.

    "Wenn ein Verlag einen ordentlichen Vorschuss gezahlt hat, strengt er sich stärker an, den auch wieder einzuspielen. Zudem kann der Agent stärker darauf drängen, dass dieser Titel auch mit den entsprechenden Marketinginstrumenten, also Spitzentitel-Etikett usw., positioniert wird und dann wird ein Agent immer darauf drängen, dass eine Staffel ausgehandelt wird, das heißt, je mehr der Autor verkauft, desto mehr%e bekommt er dann auch vom Verkauf."
    Autoren, Agenten, und ihre Verlage: Auch bei denen, die nicht nur aufs Geld schauen, wachsen ökonomischer Druck und Unsicherheit. Günter Berg von Hoffmann & Campe:

    "Es werden sehr viele Entscheidungen getroffen, die dann in letzter Konsequenz nicht getragen werden, Autoren werden ausprobiert, wenn es nicht funktioniert, gehen sie zu einem anderen Verlag. Das hat auch sehr viel damit zu tun, dass zunehmend Agenten im Spiel sind, die den Autoren raten, es bei einem Verlag zu probieren. Wenn der Erfolg dann nicht so ist, wie man ihn sich vorgestellt hat, dann gehen wir zum nächsten Verlag. Was Autoren und Agenten häufig nicht sehen, ist, dass nach zwei oder drei Fehlversuchen die Chance, dass ein Autor dann einen Verlag findet, der sich dann mit ganzer Kraft, nachhaltig, für sie oder ihn einsetzt, sinken."
    Ein weiterer Grund für die allgemeine Verunsicherung: der häufig gewordene Wechsel in den Führungspositionen der Verlage. Eigentümer, ob Aktionäre oder Gesellschafter, wollen bessere Geschäftsergebnisse, die Ausrichtung der Programme soll sich danach richten. Wer da anderer Meinung ist oder nicht mehr in die angepeilte Richtung passt, wird ausgewechselt.
    Wolfgang Ferchl beispielsweise war erst Programmleiter bei Rotbuch in Hamburg, dann bei Eichborn. Von dort wechselte er zu Piper und nahm Starautoren wie Thommie Bayer und Walter Moers gleich mit nach München. Jetzt wird Ferchl von Marcel Hartges abgelöst, der bei Rowohlt Erfolge wie Heinz Strunks "Fleisch ist mein Gemüse" verantwortet hat und dann bei DuMont Charlottes Roches "Feuchtgebiete" zum Bestseller machte. Die Folge dieses Personalkarussels, so Teresa Löwe-Bahners, ist dann,

    "dass man gar nicht genau weiß, wie lange ein Verlag so ausgerichtet ist wie er im Augenblick ausgerichtet ist und ob man in zehn Jahren da noch sehr gut aufgehoben ist. Wer weiß denn, wie es mit DuMont weitergeht, wenn wir jetzt den aktuellen Fall nehmen, wo man ja deutlich den Einfluss vom Herrn Hartges gesehen hat und wahrscheinlich danach der Verlag wieder etwas anders aussehen wird."
    Um solchen Wechseln nicht ausgeliefert zu sein, schließen immer mehr Autoren auch Verträge auf Zeit ab. Ist die Frist abgelaufen, wird neu verhandelt oder gewechselt. Wend Kässens:

    "Es gibt kaum einen Autor, der nicht über Verlagswechsel nachdenkt. Das ist auch ein Phänomen, das es früher gar nicht so gegeben hat. Die wenigsten wechseln dann den Verlag, aber es sind nach wie vor natürlich sehr viele mehr als es vor zehn oder 15 Jahren der Fall war."

    Löwe-Bahners: "Wenn früher die Lebensbeziehung häufig die zwischen Autor und Verleger oder Autor und Lektor war, dann ist das häufig heutzutage so, dass die Lebensbeziehung zwischen Autor und Agenten besteht und die Kontakte zu den Verlagen, zu den Lektoren, zu den Verlegern wechseln."
    Autoren werden aber auch gegenüber ihren Agenten skeptisch. Denn ein Allheilmittel bilden sie nicht. Auf dem Markt der Eitelkeiten und Tantiemen können sie nur umverteilen, den Spielraum erweitern, die Konkurrenz abschwächen können sie kaum. Auch hier wird ausprobiert, gewechselt. Die zitierten "Lebensbeziehungen" dauern alle noch nicht allzu lange. Viele Autoren - man denke nur an das gesamte so genannte Mittelfeld aus der ehemaligen DDR - bleiben in den rasant veränderten Marktbedingungen auch einfach auf der Strecke.
    Die Verlagslandschaft ist in Bewegung, das Bild der Autoren ändert sich, Agenten sind seit den 90er-Jahren die neuen Akteure auf dem Spielfeld. Neu ist auch, das trotz eines ernormen Konzentrationsprozesses in den letzten Jahren gerade kleine und Kleinst-Verlage einen Aufschwung erleben. Sie verkaufen keine riesigen Auflagen, haben keine Etats für Werbung, kaum Eigenkapital. Sie heißen Weissbooks, Liebeskind oder Blumenbar, Verbrecher-Verlag oder Mairisch.
    Daniel Beskos vom Mairisch-Verlag weiß genau, was ein kleines Haus wie seines den Autoren bieten kann:

    "Was uns glaube ich ein bisschen speziell macht, ist, dass wir, dadurch, dass wir sehr wenige Titel im Jahr machen, momentan vier bis fünf, dass wir die sehr intensiv betreuen können. Und es ist auch so, dass die Autoren einfach die Gewissheit haben, dass sie dann das halbe oder ganze Jahr, in dem das Buch erschienen ist, im Vordergrund stehen bei uns."
    Der Verlag bewegt sich nahe an einer jungen Literaturszene, organisiert seinen Autoren bis zu 80 Lesungen im Jahr, direkten Kontakt zum Publikum. Autoren und Verleger sind befreundet:

    "Es geht darum, dass sich die Autoren einfach eine bestimmte Art der Zusammenarbeit wünschen, ein Arbeitsumfeld, ein Klima, in dem sie gut arbeiten können. Gerade bei jüngeren Autoren habe ich festgestellt, dass der Verkauf zwar interessant ist, aber eigentlich geht es erstmal darum, das eigene Schreiben in eine bestimmte Richtung zu bringen."
    Auch eine Autorin wie Dorothea Dieckmann hat zwischendurch bei zwei Kleinverlagen publiziert, nicht aus der Not, sondern weil es ihr Spaß gemacht hat, weil sie den verlegerischen Ethos schätzt, den sie ausstrahlen. Unterm Strich ist sie aber froh, dass ihr nächstes Buch wieder bei Klett-Cotta erscheint. Und der Schriftsteller Bodo Kirchhoff?
    Der impotente Pleitebanker, der in seinem Roman "Erinnerungen an meinen Porsche" auch noch zum Schriftsteller mutiert, stellt sich selbstverständlich die Frage nach dem marktgerechten Schreiben. Er fragt sich,

    ob meine kleine Story auch eine große Zielgruppe hätte. Es gab bei mir weder Gottsuche noch Selbstfindung, und es gab keine jüdische Großtante, die von ihrer Familie erzählt; überhaupt gab es keine Familie und auch keine bedrohte Natur und außer mir auch keinen Behinderten. Es gab nur mich und das, was buchstäblich an mir hängen geblieben war.

    Bodo Kirchhoff, der seinem Protagonisten diese Zeilen in den Mund gelegt hat, war erst bei Suhrkamp, dann bei der kleinen Frankfurter Verlagsanstalt, mit dem Porsche-Buch ist er bei Hoffmann & Campe vorgefahren. Marktgerechtes Schreiben? Kirchhoff gehört zu den literarischen Autoren, die es wirklich ernst meinen mit ihrer schriftstellerischen Arbeit. Und er gehört zu den auch nicht ganz so wenigen, die zwar keine Bestsellerlisten anführen, die aber doch von ihrem Schreiben leben können:

    "Ich glaube an das gute Buch, und ein gutes Buch muss sich nicht unbedingt bei allen Käufern durchsetzen. Ich versuche ein Buch zu schreiben, was gut ist."