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Beziehungskrisen am Arbeitsplatz

Einige werden ganz ruhig, sprechen sich vielleicht einmal aus und ziehen sich dann zurück. Andere stürzen sich in die Arbeit. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich.

24.05.2003
    Mit großer Sicherheit erkennt Alexandra Heinz liebeskranke Mitarbeiter. Im Callcenter der Münchner Telefongesellschaft M-Net hat die Teamleiterin schon so manchem Kollegen mit Beziehungssorgen Rat gegeben. Besonders gefährdet sind nach ihrer Erfahrung die jüngeren:

    Die Beziehungen wechseln häufiger, und da gibt es auch öfter mal Liebeskummer. Die älteren Kollegen sind verheiratet oder sind Single, da ist das Thema nicht so oft auf dem Tisch. Bei den jungen ist es so, die sprechen sich aber schneller aus. Die älteren Kollegen, wenn die Privatprobleme haben, wollen in Ruhe gelassen werden und die jungen Mädels, die kommen sofort und wollen reden.

    Doch auch um diejenigen, die nicht reden wollen, muss sich eine Führungskraft kümmern - meint Vertriebsleiterin Gabi Mitterer. Sie erkennt typische Symptome von Liebeskrankheit wie Übernächtigtsein, Weinen oder auch übersteigerten Arbeitseifer - und spricht ihre Mitarbeiter direkt an:

    Ich frage halt, was fehlt. Ich frage auch direkt, ob es private Probleme gibt, und die Leute erzählen mir dann mehr oder weniger, was sie mir erzählen möchten. Wenn es ganz schlimm ist, wenn sie sich von der Freundin getrennt haben oder gerade in einer Scheidungsphase sind, dann kann man halt mal sagen: Komm, geh heim, das hat keinen Sinn, so verheult am Tisch zu sitzen.

    Möglichst offene Gespräche mit den Vorgesetzten findet auch Dirk Kammlah wichtig. Der evangelische Theologe arbeitete im Team von Fernsehpfarrer Jürgen Fliege, bevor er vor zwei Jahren zum Siemens Konzern wechselte. Dort ist er als einer von bundesweit über 50 Sozialberatern auch Ansprechpartner für Mitarbeiter mit Beziehungsproblemen. Häufig kommen zu ihm Leute aus den technischen Abteilungen.

    Jetzt ist es natürlich so, dass die vom Metier her und von ihrer Ausbildung her jetzt vielleicht nicht immer so gut darin sind, mit Gefühlen und zwischenmenschlichen Problemen umzugehen. Das hat in der Arbeitswelt ja auch nur begrenzt Platz.

    Jeder Siemens Mitarbeiter kann deshalb zu einem Sozialberater gehen. In den Gesprächen gibt Kammlah keine konkreten Lösungsvorschläge zum Retten der Beziehung, sondern versucht, die Betroffenen zum Nachdenken über das Geschehene zu bewegen. Vom gut gemeinten Kollegenratschlag, sich vom Liebeskummer durch Urlaub abzulenken, hält er wenig:

    Da muss man aufpassen zu sagen: Jetzt steigen Sie halt mal aus und fahren mal eine Woche nach Ibiza oder so was, wenn man Pech hat, kriegt der da unten die Super-Depression, wenn er da alleine hängt.

    Trotz Beziehungsstress normal weiterarbeiten können aber nur die wenigsten. Und mit seinen Kollegen oder gar Vorgesetzten über intime Details aus dem Privatleben reden - das will auch nicht jeder. Thomas Knecht arbeitet bei M-Net als Gebietsleiter mit vielen Angestellten im Großraumbüro zusammen. Die dadurch gegebene Offenheit im Arbeitsalltag bedeutet in seinen Augen aber noch lange keine Pflicht zu privaten Offenbarungen.

    Die Privatsphäre ist natürlich auch heilig. Man sollte nicht jeden gleich ansprechen, wenn man das Gefühl hat, er möchte das nicht. Dann kommt es auch darauf an, wie gut man sich kennt oder wie gut man sich versteht, ob jemand es zulässt, das man fragt.

    Das offene Gespräch ist eben kein Allheilmittel bei Beziehungskrisen. Dirk Kammlah hält es dennoch für die bestmögliche Lösung. Um seinen Job macht er sich keine Sorgen.

    Auch für Gabi Mitterer ist klar, dass bei allem Verständnis für die privaten Sorgen ihrer Mitarbeiter die Arbeit weitergeht. Irgendwann muss dann selbst die schlimmste Beziehungskrise überwunden sein:

    Grundsätzlich heilt die Zeit die Wunden. In erster Linie muss halt verkauft werden, das ist der Job und der Job muss getan werden und ich muss schon versuchen, die Leute jobmäßig bei der Stange zu halten und dass das Private nicht zu sehr eingreift.