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Bibel der Umweltvorschriften

Alle irgendwo verstreuten Vorschriften im Umweltrecht in einem Gesetzbuch zusammen zu fassen, das war das Ziel der Bundesregierung, das noch in dieser Legislaturperiode verwirklicht werden sollte. Heute bezogen die führenden deutschen Umweltverbände in Berlin zum Referentenentwurf des Umweltgesetzbuchs Stellung.

Von Ralph Ahrens | 12.06.2008
    Das Umweltgesetzbuch - kurz UGB - hat bereits eine lange Vorgeschichte. So bemühten sich Umweltminister Klaus Töpfer und seine Nachfolger Angela Merkel und Jürgen Trittin vergeblich, die Idee "ein Buch für alle Umweltgesetze" mit Leben zu füllen. Doch jetzt scheint die Zeit dafür reif zu sein. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes:

    "Warum? Alle haben ein Interesse daran - sagen wir mal fast alle -, ein Umweltgesetzbuch zu haben, welches transparent ist, das die sehr verstreuten Vorschriften zusammenfasst."

    Im Zentrum steht "die Genehmigung von Industrieanlagen aus einer Hand". Eine Behörde soll künftig festlegen, mit wie viel Schadstoffen etwa ein neues Kraftwerk oder eine neue Chemieanlage Luft und Gewässer belasten darf. Die Wirtschaft müsste sich über diese Vereinfachung freuen. Sie tut es aber nicht mehr so wie zu Zeiten von Bundesumweltministerin Angela Merkel. Andreas Troge hat einen Verdacht:

    "Die Industrie ist im Augenblick gar nicht so fanatisch für ein UGB, weil die großen heimischen Unternehmen das Geschäft aus dem Effeff kennen. Die kleineren Konkurrenten nicht - und diejenigen, die als Konkurrenten von außen möglicherweise kommen - auch nicht. So dass man fast vermuten könnte, um zu erklären, warum spielen die jetzt eigentlich nicht mehr beim UGB eine aktive Rolle, darin liegen könnte, dass das filigrane unkoordinierte Umweltrecht ein Schutzmechanismus gegen Konkurrenten sein könnte."

    Hinzu herrsche in der Wirtschaft die Stimmung...,

    "... es könnten irgendwelche Ökos kommen und das UGB für Verschärfungen der rechtlichen Anforderungen im Umweltschutz nutzen. Dazu gibt es aber die klare Aussage der Bundesregierung und dazu steht übrigens auch das Umweltbundesamt, dass wir hier keine Verschärfung machen - Gedankenstrich, auch keine Abschwächung."

    Doch das UGB wird den Umwelt- und Naturschutz stärken - etwa durch die "Genehmigung aus einer Hand":

    "Eine integrierte Genehmigung führt gerade dazu, dass man sich systematisch fragt, welche Schutzgüter der Umwelt können betroffen sein. Dann: Welche sind betroffen? Wie stark sind die betroffen und was müssen wir gegen diese Betroffenheit tun. "

    Das könnte etwa dem Naturschutz - also schützenswerten Tieren, Pflanzen und Lebensräumen - nutzen:

    "Die Feldhamster und die Fledermäuse tauchen ja nicht in der Presse auf, weil sie plötzlich aufgetreten seien oder Naturschützer sie dort abgelegt hätten oder angesiedelt. Sondern die treten auf, weil der Antragsteller - in Klammern: auch die eine oder andere Behörde - nicht rechtzeitig bemerkt hat, dass die dort einen Lebensraum haben."

    Dennoch: Viele Umweltschützer kritisieren den Entwurf des Umweltgesetzbuchs als zu lasch - etwa in der Klimapolitik. Das weiß der Präsident des Umweltbundesamtes:

    "Wir haben die meisten Umweltverbände draußen mit "Genehmigt keine Kohlekraftwerke mehr". Die Antwort ist: Wir müssen die Kohlekraftwerke genehmigen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, die im Immissionsschutzrecht verankert sind. Und das ändert sich ja nicht mit dem UGB."

    Und die Forderung, im Umweltgesetzbuch einen Mindest-Wirkungsgrad für Kraftwerke festzuschreiben, hält Andreas Troge zwar für bedenkenswert. Der Emissionshandel sei aber effektiver, denn ...

    "... die Mindesteffizienz begrenzt ja praktisch nur den CO2-Ausstoß pro Stromeinheit oder Wärmeeinheit. Aber sie können die Zahl der Kraftwerke darüber nicht steuern. Alle, die diese Effizienz erreichen, da können sie zig Kohlekraftwerke bauen. Der Emissionshandel macht ja eine Jahresfrachtbeschränkung und ist insofern viel restriktiver - deshalb rate ich allen, da nicht auf dem falschen Platz zu kämpfen."

    Trotz der Vorbehalte von vielen Lobbyisten ist der Präsident des Umweltbundesamtes optimistisch: Die ersten Teile des Umweltgesetzbuchs werden spätestens 2010, also am Ende dieser Legislaturperiode verabschiedet sein.