Donnerstag, 25. April 2024

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Bibel-Serie "The Chosen"
Smarter Jesus auf dem Smartphone

Jesus Christ Serienstar. Bibel-Filme gibt es viele. Die neue Serie "The Chosen - der Auserwählte" ist aber anders: Per App lässt sie sich aufs Handy holen, in mehr als 50 Sprachen. Finanziert wird die süffig erzählte Story durch Spenden. Die Reihe könnte ein gigantisches Missionsprojekt werden.

Von Mechthild Klein | 06.08.2021
- Nikodemus: "Mein ganzes Leben habe ich mich gefragt, ob ich diesen Tag erleben würde."
– Jesus: "Komm mit mir Nikodemus und du erlebst noch mehr!"
- Jesus: "Gott liebt diese Welt sosehr, dass er seinen einzigen Sohn gab."
– Samariterin: "Das muss ich allen erzählen!"
– Jesus: "Das hatte ich gehofft."
– Jünger Andreas: "Alles ist jetzt möglich, siehst du das nicht?"
- Jesus: "Gehen wir."
Eine Szene aus der neuen Jesus-Film-Serie "The Chosen" – der Auserwählte". Bald gibt es die Serie auch auf Deutsch. Schon jetzt kann man die ersten beiden Staffeln in einer App mit deutschen Untertiteln sehen. Kostenlos. Andere Fassungen auf Französisch, Spanisch oder Portugiesisch sind geplant, aber auch Arabisch, Hindi und Chinesisch. Die Klickraten steigen unentwegt. Sogar einzelne Film-Szenen, die mit emotionaler Musik unterlegt sind, kann man über die sozialen Medien teilen. Bis Anfang August zählt die App mehr als 240 Millionen Aufrufe.
"Durch diese Distribution in der App ist "The Chosen" natürlich sehr, sehr zeitgemäß und sehr auf heutige Sehgewohnheiten hin trainiert oder hin angelegt. Und die Tatsache, dass dort dann die einzelnen Klickzahlen auch dargelegt werden und wie viele Personen schon sich am Crowdfunding beteiligt haben, wie viele Folgen von einzelnen Serien bereits heruntergeladen wurden, das erzeugt natürlich einen großen Eindruck", sagt Viera Pirker, Professorin für Religionspädagogik und Mediendidaktik an der Goethe-Universität in Frankfurt. "Ob da wirklich Personen ganze Folgen geschaut haben oder sich einmal durch gescrollt haben, das ist ja in den Zahlen natürlich nicht sichtbar. Aber es ist ein international angelegtes Projekt."

Christliches Marketinggeschäft

Der Filmemacher Dallas Jenkins ist ein evangelikaler Christ aus den USA. Er sagt, er möchte mit dem Jesusfilm-Projekt durchaus den Netflix-Serien wie "Game of Thrones" Konkurrenz machen und die Aufmerksamkeit auf Jesus richten. Als Sohn des christlichen Bestsellerautors Jerry B. Jenkins kennt er das Marketinggeschäft. Sein Vater hatte mit seiner "Left Behind"-Serie mehr als 60 Millionen Bücher verkauft. Und das mit einem christlichen Buch, das die Apokalypse in die Gegenwart verlegt.
Durch die eigene App sind die Filmemacher unabhängig von Verleih und Kino. Jeder kann sich die App aufs Smartphone oder Tablet laden. Die Filme sind kostenlos. Auf der App wirbt Jenkins auch ihre Gelder ein für weitere geplante Staffeln.
"Da wird da sicherlich auch Geld mit verdient. Da wird auch Geld hinein investiert. Ich sehe es ein bisschen in der Tradition reicher evangelikaler Personen, die früher Bibeln gedruckt haben. Und das ist vielleicht jetzt die Bibel… das Missionsgeschenk der Gegenwart, das hier jetzt eben über so ein Crowdfunding. Es ist ja ein Crowdfunding finanziertes Projekt. Dass auf die Art sozusagen das Evangelium heute neu distribuiert werden soll. Ganz klar natürlich in missionarischer Absicht und ganz klar auch in einer theologisch deutlichen Ausrichtung in der Interpretation der Evangelien."
Dallas Jenkins versteht auch sein Handwerk als Filmemacher. Er erzählt so, wie es das Publikum der Streaming-Dienste gewohnt ist: spannend, schnell, verständlich.
Viera Pirker sagt: "Ich habe jetzt in einige Folgen reingeschaut aus der ersten und der zweiten Staffel, die im Moment schon zugänglich sind. Die dritte Staffel ist gerade erst im Drehen befindlich, sodass man im Moment erst über einen sehr kleinen Teil eigentlich sprechen kann. Ich meine, gelungen ist natürlich schon so das Setting. Die Ausstattung. Es ist gedreht in Texas. Es ist so in der Tradition der Bibel-Filme, Kostümfilme gedreht. Dasselbe mit recht lebendigen Dialogen, mit kurzen Szenen, kurzweilig auch konzipiert. Und das ist sicherlich lobend zu erwähnen."

Petrus hat Schulden, Maria Magdalena ein Trauma

Im Film hat Jesus Humor, er macht Witze und es wird immer wieder gelacht. Da gibt es eben auch Szenen, die sehr fantasievoll erzählen. Etwa, dass Simon-Petrus Schulden hatte. Dass Maria von Magdalena ein Trauma aus einer Vergewaltigung eines römischen Soldaten hatte, dass sie vorher Lilith hieß usw. Umfangreich erzählt ist auch die Hochzeit zu Kana, wo Jesus Wasser in Wein verwandelt.
- Maria: "Mein Sohn – sie haben keinen Wein mehr."
– Jesus: "Mutter, meine Zeit ist noch nicht gekommen!"
– Maria: "Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Jesu Mutter selbst fordert ihren Sohn auf, ein Wunder zu tun, weil der Wein auf der Hochzeit ausgegangen ist. Viera Pirker beobachtet dieses Auserzählen an vielen Stellen im Film, es verleihe den Figuren mehr Lebendigkeit. Es kämen "unglaublich viele fiktionale Charaktere in die Evangelien" mit vielen Verknüpfungen zwischen Personen, die "absolute Neuerfindungen" seien und auf jeden Fall nichts zu tun hätten mit der Basis der Evangelien. Der theologische Fokus verschiebe sich dadurch. In der ersten Folge ist Maria Magdalena eine der zentralen Personen des Films.
Viera Pierker schildert kurz den Plot: "Maria von Magdala hat offensichtlich als Prostituierte gearbeitet. Oder es gibt so eine Vergewaltigungsszene mit einem römischen Soldaten, die sie sozusagen in diese Umnachtung hinein zwängt und hinein drängt. Und die Heilung geschieht dann durch ihre Begegnung mit Jesus. Und das ist eine sehr schön auserzählte Geschichte. Aber es ist keine Geschichte, die eine biblische Fundierung hat. Es gibt da auch diese fiktive Begegnung zwischen dem Pharisäer Nikodemus und Maria von Magdala. Es ist der Versuch einer Dämonen-Austreibung, die dann nicht funktioniert. Das ist ganz interessant erzählt, sozusagen filmisch seriell interessant erzählt. Aber die Basis in den Texten der Evangelien ist natürlich eine ganz andere."

Andachtsbücher im Angebot

Es verschiebt sich an einigen Stellen im Film der theologische Fokus, sagt die Religionspädagogin. Zum Beispiel als Jesus am Schabbat einen Gelähmten heilt. Da sei das Zentrale eigentlich die Begegnung des Gelähmten mit Jesus, was seine Heilung bedeutet und auslöst.
Viera Pirker: "In der Religionspädagogik würden wir immer mehr darauf achten, auch die offenen Stellen der Texte wahrzunehmen. Die offenen Lücken, in die sich Menschen selbst hinein erzählen können, in denen sie sich von einem Text ergreifen lassen können. Und auch in der Exegese wird sehr genau mit den Leerstellen, die eben gerade nicht erzählt sind und gerade nicht formuliert sind, zum Beispiel in solchen Heilungserzählungen - damit wird gearbeitet. Und das ist das ganz wesentliche Charakteristikum eigentlich auch der Evangelien, dass es offene Stellen gibt, die durch die Rezipienten und Rezipientinnen gefüllt werden müssen. Und dieses Füllen der Stellen, in denen dann die persönliche Glaubensgeschichte entstehen kann, die ist in so einer Serie-Erzählung überhaupt nicht möglich. Also da bin ich als Rezipientin zur Zuschauerin verdammt und verdonnert."
Der Film spiegelt eben auch die persönliche Glaubensrichtung des Filmemachers von "The Chosen", der ja aus der Tradition der Faith Based Media stammt – der glaubensbasierten Medien. Zum Film werden auch Andachtsbücher verkauft mit Anregungen wie man mit Glaubenszweifeln umgeht.
Man müsste in den kommenden Staffeln verfolgen, wie der Auserwählungsaspekt subtil miterzählt wird. Die Film-Reihe ist noch nicht zu Ende gedreht. Die dritte von sieben oder acht Staffeln wird gerade erst vorbereitet. Immerhin die Geldeinwerbung für die dritte Staffel ist fast abgeschlossen.