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Bilanz der Dioxin-Krise

Kurz vor Weihnachten kamen im letzten Jahr die ersten Meldungen über Dioxin-Funde, den ganzen Januar blieb dieser Skandal auf der Agenda. Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner verkündete - für manche reichlich spät - einen Zehn-Punkte-Aktionsplan, der nun abgearbeitet ist.

Von Sina Fröhndrich | 13.12.2011
    Mit zwölf Seiten Papier versucht Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner im Januar ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen. Darin enthalten: ein 10-Punkte-Plan als Reaktion auf den Dioxin-Skandal.

    "Vieles wird noch in diesem Jahr passieren – das kündige ich an. Ein konkreter Zeitplan liegt auch vor."

    Glaubt man ihren Pressemitteilungen, hält die Ministerin Wort. Fast monatlich heißt es: Weitere Maßnahmen des Aktionsplans sind auf den Weg gebracht oder umgesetzt.

    Das bezweifelt jedoch die Verbraucherorganisation Foodwatch. Sie hat Aigners Zehn-Punkte-Plan untersucht und kommt zu dem Ergebnis: Vier Punkte seien komplett, sechs weitgehend wirkungslos. Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von Foodwatch:

    "Bedauerlicherweise ist der Aktionsplan in keiner Weise geeignet, das eigentliche Problem zu bekämpfen."

    Nämlich zu verhindern, dass Dioxin überhaupt erst ins Futter und damit in die Lebensmittelkette gelangt. Um das zu vermeiden, hatte Aigner in Punkt 3 formuliert:

    "Alle Lebensmittel und Futtermittelunternehmer werden verpflichtet, sämtliche Untersuchungsergebnisse von Dioxinen und ähnlichen Stoffen an die Behörden zu melden."

    Soll heißen: Die Unternehmen müssen jeden einzelnen Futterbestandteil überprüfen. Eine sehr gute Idee, findet Foodwatch – aber:

    "In der Umsetzung ist es geschehen, dass die Ministerin die Vorgaben für die Futtermittelwirtschaft immer weiter aufgeweicht hat; sodass in der Zwischenzeit überhaupt nur noch bestimmte Komponenten getestet werden mussten. Der Fall der Zuckerrübenschnitzel vom November 2011 zeigt, wie dringend nötig es ist, sich nicht nur auf Fette und Öle zu konzentrieren."

    Auch mit Punkt vier gibt sich Foodwatch nicht zufrieden. Er besagt: Sollten Labore bei der Untersuchung einen zu hohen Dioxinwert feststellen, haben sie eine Meldepflicht.

    "Die Labore, die dieses messen und Grenzwertüberschreitung feststellen, müssen dieses auch noch melden."

    Matthias Wolfschmidt von Foodwatch befürchtet jedoch, dass gerade kleinere Labore sich nicht an diese Vorgabe halten.

    "Man stelle sich vor, ein solches Labor, also ein privatwirtschaftliches Labor, das ja finanziell abhängig ist von Aufträgen aus nicht zuletzt der Futtermittelwirtschaft, spürt den ökonomischen Druck, weil die Meldung eines problematischen Befundes womöglich mit dem Entzug künftiger Aufträge verbunden wäre."

    Ebenfalls in Aigners Plan enthalten: Die Trennung der Produktionswege; damit soll verhindert werden, dass dem Futter Industriefette beigemischt werden.

    "Das heißt: Diejenigen, die ja für technische Verfahren auch Fette herstellen, dürfen nicht mehr Futtermittel herstellen."

    Auch dieser Punkt geht Foodwatch nicht weit genug – da ein vorsätzliches Mischen von Futterfetten und Industriefetten damit nicht ausgeschlossen werde.

    "Die Trennung der Produktionsströme würde vielleicht dazu führen, dass es in Zukunft insgesamt weniger wahrscheinlich ist, dass aus Versehen irgendwelche technischen Fette und Fette, die für die Nahrungsmittelkette bestimmt sind, miteinander vermischt werden, wenn aber Absicht dahinter steht, wie in dem Fall von Dezember und Januar, würde eine Trennung der Produktionsstrenge mit Sicherheit keine Wirkung entfalten."

    Das Bundesverbraucherschutzministerium weist die Kritik von Foodwatch zurückt: Die Umsetzung des Aktionsplans sei weit fortgeschritten, erklärte gestern ein Sprecher. Ziel sei es, Dioxin in Futtermitteln so früh wie möglich aufzuspüren. Dass Dioxin überhaupt erst entsteht, könne jedoch nicht durch staatliche Maßnahmen verhindert werden.