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Bildgebende Verfahren
Mit Licht-Mikroskopie den ersten Herzschlag sehen

Dem Embryo eines Zebrafischs beim Wachsen zusehen - das ist Wissenschaftlern nun mithilfe der Licht-Mikroskopie gelungen. Denn bei diesem bildgebenden Verfahren überlebt die "Probe" im Mikroskop und kann tagelang beobachtet werden. Auch der Medizin kann das wichtige Erkenntnisse bringen.

24.04.2019
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Modernste Verfahren der Lichtmikroskopie zeigen eine frühe Phase der Embryonalentwicklung beim Zebrafisch - die sogenannte Gastration (Jan Huisken, University of Wisconsin)
In der Mikroskopie werden Objekte normalerweise angefärbt. Oft mit Fluoreszenzfarbstoffen, die beim Belichten mit einem Laserstrahl selbst leuchten. Doch wenn etwas Lebendiges untersucht werden soll, geht das nicht so einfach. Denn dann schädigt das intensive Licht auf Dauer die Probe. Jan Huisken vom Morgridge Institute an der Universität von Wisconsin nutzt deshalb einen Trick: Der Laserstrahl wird nur in einer Richtung fokussiert und beleuchtet so nur ganz kurz eine dünne Schicht des Objekts. Fachleute sprechen von einem Licht-Blatt.
"Und man bewegt dann die Probe langsam durch dieses Lichtblatt hindurch und erzeugt dadurch ein dreidimensionales Bild des Objekts. Und kann dann eben auch Filme aufnehmen, wenn die Probe im Mikroskop lebt, von den Entwicklungsprozessen, die sich abspielen. Das ist der Hauptvorteil von der Technik: dass die Probe die Bildgebung überlebt und dadurch auch am Ende lebend aus dem Mikroskop rauskommt und weiter leben kann."
Lebende Objekte tagelang im Detail untersuchen
Über Tage hinweg kann der Wissenschaftler damit dasselbe lebende Objekt beobachten. Zum Beispiel, wie sich der Embryo eines Zebrafischs entwickelt, der nahezu durchsichtig ist. Die mikroskopischen Aufnahmen werden im Computer zusammengesetzt: Aus den einzelnen Schichten, den Lichtblättern, wird so ein Bild des gesamten Embryos. Und das nicht nur einmal, sondern nacheinander immer wieder, sodass ein Film entsteht.
"Das erlaubt uns, die ganz frühe Organentwicklung zu beobachten. Der Zebrafisch hat ein relativ primitives Herz mit zwei Kammern. Und unsere Technik, die Lichtblatt-Mikroskopie, ist nicht nur sehr schonend, sondern auch sehr schnell. Damit haben wir die Möglichkeit, mit mehreren hundert Bildern pro Sekunde das schlagende Herz anzuschauen und können über die Entwicklung verfolgen, wie sich so ein Herz entwickelt, können praktisch den ersten Herzschlag sehen."
Auch Pflanzenwurzeln kann man beim Wachsen zusehen
Es sind faszinierende Aufnahmen, die so entstehen. Etwa die Entwicklung eines Fliegenembryos von der befruchteten Eizelle bis kurz vor dem Schlüpfen der Made - 20 Stunden verdichtet auf eine Minute. Wie sich die Mundwerkzeuge bilden, ist in allen Einzelheiten zu sehen. Genau wie man Pflanzenwurzeln nun erstmals beim Wachsen zuschauen kann. Was das Herz angeht, hat Jan Huisken die Technik jüngst auf die Spitze getrieben.
"Da haben wir mit einem Kamerahersteller zusammengearbeitet, der uns Kameras zur Verfügung gestellt hat, die normalerweise für Crashtests eingesetzt werden, die also bis zu 10.000 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Und damit können wir einzelne Blutkörperchen im Zebrafisch-Herz verfolgen, wie die sich in 3D durch das Herz bewegen. Und das war vorher so noch nicht möglich."
Die Entwicklung von Embryonen in Echtzeit verfolgen
Die neue Technik erlaubt es auch, Embryonen zu untersuchen, bei denen Gene gezielt ausgeschaltet oder verändert wurden. Welche Aufgaben diese Erbabschnitte haben, das lässt sich jetzt durch die direkte Beobachtung feststellen. Das könnte auch die Medizin weiterbringen, hofft der Forscher. Grenzen hat das Verfahren aber auch: Es arbeitet mit sichtbarem Licht, das durch Brechung und Streuung rasch geschwächt wird. So erkennt man Details höchstens noch in einem halben Millimeter Tiefe.
"Da die Objekte, die wir uns anschauen, manchmal auch durchaus größer sind, Millimeter oder Zentimeter teilweise, haben wir auch eine Technik entwickelt, wo wir die Probe drehen können. Also wir haben die Möglichkeiten, mehrere Aufnahmen aus verschiedenen Richtungen zu machen. Und dann klebe ich die Datensätze zusammen und bekomme ein komplettes Bild von dem Organismus."
Auch hier wird natürlich virtuell geklebt, am Computer. Trotz dieses Tricks können die Proben nicht beliebig groß sein. Und das liegt an den Datenmengen, die schnell viele Terabyte umfassen können. Einem Elefanten-Embryo können die Forscher also nicht beim Wachsen zusehen. Noch nicht.