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Bildhauer Alexander Archipenko
Neuerfinder der Skulptur

Einer der Pioniere der Moderne war der Bildhauer Alexander Archipenko. Er übertrug den Kubismus, die Auflösung des einheitlichen Bildraums, in die Skulptur. Vor 50 Jahren starb der ukrainisch-amerikanische Künstler in New York.

Von Jörg Biesler | 25.02.2014
    Eine im Jahr 1927 von dem russischen Bildhauer Alexander Archipenko geschaffene Büste zeigt den Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954).
    Eine im Jahr 1927 von dem russischen Bildhauer Alexander Archipenko geschaffene Büste zeigt den Dirigenten Wilhelm Furtwängler (1886-1954). (picture-alliance/ dpa)
    "Der erste, der sich rühmen kann, der Skulptur des 20. Jahrhunderts neue Kraft gegeben zu haben, ist Alexander Archipenko. Er hat ihr ein völlig neues Feld eröffnet und seine Werke zeichnen sich dadurch aus, dass es so etwas nie zuvor gegeben hat."
    Der Kunsthistoriker Hans Hildebrandt 1924 in seinem Buch "Die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts". Alexander Archipenkos Bildhauerei erregte da schon weltweit Aufsehen. Seine Skulpturen waren gut zehn Jahre zuvor in New York auf der legendären Armory Show gezeigt worden. Er war befreundet mit Braque und Picasso, Marcel Duchamp, den Berliner Dadaisten und den Lehrern am Bauhaus. Archipenko, der Erfinder einer neuen Skulptur, ließ sich wie viele seiner avantgardistischen Künstlerkollegen inspirieren von neuen philosophischen Gedanken.
    "Die Skulptur muss über ihre Formen hinaus eine Bedeutung haben, damit sie zum Symbol wird und damit eine Assoziation auslöst. Nur dadurch wird die Bildhauerei in einer metaphysischen Sphäre sublimiert, wie es die Mission der Kunst ist."
    Kunst als Einheit von Natur, Kosmos und Mensch
    "Er begann sich sehr zu interessieren für die Lebensphilosophie von Henri Bergson, dem französischen Philosophen, der die Einheit von Natur, Kosmos und Mensch betonte. Und für Archipenko war es wichtig, dass seine Kunst diese Einheit darstellt. Er wird ja oft gefeiert als der Pionier, der die formale Sprache der Skulptur erneuert hat, aber es geht ihm auch um einen metaphysischen Inhalt."
    Alexandra Keiser ist Forschungskuratorin der amerikanischen Archipenko Foundation. Mit seiner Kunstauffassung eckt Archipenko früh an. 1887 in der Ukraine geboren, wird er 1906 von der Akademie in Kiew verwiesen wegen "Rebellion gegen die Lehrmethode". Auch die Pariser École des Beaux-Arts verlässt er schnell. Gleichgesinnte findet er im Salon des Independants. Dort stellt er 1910 erstmals aus, Skulpturen, die schon mit den verwendeten Materialien demonstrieren, dass sie anders sein wollen.
    "In den ersten Jahren hat er vor allem in Plastik und Terrakotta, aber auch in Zement und Kunststein gearbeitet. Etwa um 1912/'13 hat er dann mit sehr unkonventionellen Konstruktionen begonnen, in denen er verschiedene Materialien wie Metallbleche, Glasscheiben, Holzplatten, Spiegel aber auch Draht und Bälle mit eingearbeitet hat. Und dieses Streben nach Materialien zieht sich durch seine ganze Karriere, später hat er dann auch mit Bakelit und Plexiglas gearbeitet.
    Alexander Archipenko verwendete aber auch traditionelles Material, Bronze etwa. Das Thema fast immer: der Mensch!
    Wie sich auf den Bildern der Kubisten die Körper auflösen in geometrische Formen, wirken auch Archipenkos Figuren wie zerlegt in Fragmente. An rechteckige Rümpfe sind spitzwinklige Gliedmaßen montiert. Aus umgestürzten Kegeln werden Leiber mit Kugelköpfen und dreieckigen Beinen. Seltsam kommt das vielen Zeitgenossen vor, die Kunstkritik lobt die Überwindung der Statik und den Ausdruck von Kraft und Bewegung.
    Auch Archipenko selbst ist ständig in Bewegung. Er lebt in Moskau und Paris, während des Ersten Weltkriegs in Nizza, danach in Berlin. Überall gründet er Kunstschulen und unterrichtet, auch um Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen. 1923 geht Archipenko mit seiner deutschen Frau Angelika Schmitz, selbst Mitglied der Dresdner Sezession, in die USA.
    "Ich glaube, dass die Mobilität Teil seiner künstlerischen Praxis war. Es waren immer verschiedene Welten, mit denen er sich auseinandergesetzt hat. Ich glaube, dass dieses ständige Anpassen an einen neuen kulturellen Kontext eine Herausforderungen war, aber auch etwas, das er gebraucht hat."
    In den USA findet Archipenko auch ganz neue Materialien, bewegte und von innen beleuchtete Skulpturen aus Plexiglas entstehen. Er lebt und lehrt in Chicago, Kalifornien, in New York und Woodstock. In Deutschland werden seine Werke 1937 als entartet geschmäht. Zehn Jahre nach Kriegsende aber gibt es große Ausstellungen in Münster, Saarbrücken, Düsseldorf und in Hagen, wo er schon 1912 gezeigt wurde. Seinen Nachlass mit mehr als 100 Gipsmodellen vermacht er dem Saarland-Museum in Saarbrücken. Am 25. Februar 1964 stirbt Alexander Archipenko in New York, ein Revolutionär der Bildhauerei, der wusste, dass er viele überfordert.
    "Kunst ist für alle geschaffen, aber nicht alle sind für die Kunst geschaffen."