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Bildungsgipfel-Denkzettel: Lebenslanges Lernen

Obwohl alle Welt vom Lebenslangen Lernen spricht, sind die Weiterbildungsbedingungen hierzulande nicht einladend. Und entsprechend ist das Ergebnis: Im Jahr 2005 nahm nicht einmal jeder dritte Beschäftigte an einer beruflichen Weiterbildung teil.

Von Svenja Üing | 21.10.2008
    "Stellen sie sich vor, Sie haben eine Beratungszeit von 20 Minuten und jetzt haben sie jemanden dort sitzen und der erzählt und erzählt und ihre Zeit rennt."

    Dem Patienten aufmerksam zuhören und trotzdem ökonomisch arbeiten. Das steht heute auf dem Stundenplan in der TÜV Rheinland Akademie in Köln-Mühlheim. Zwanzig Frauen und Männer werden hier zu Ernährungsberatern für ältere Menschen fortgebildet. Eine von ihnen ist Cornelia Melcher. Die berufsbegleitende Fortbildung kostet die gelernte Krankenschwester 2000 Euro:

    "Ich zahle den Kurs selber, komplett. Der Arbeitgeber beteiligt sich nicht daran. Ich weiß, dass das im Betrieb sehr schwierig ist, weil ich mal nach einer anderen Fortbildung gefragt hatte."

    Ihr Arbeitgeber kann oder will das Geld nicht auf den Tisch legen. Immerhin: Cornelia Melcher bekommt Bildungsurlaub. Auch das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn obwohl alle Welt vom Lebenslangen Lernen spricht, sind die Weiterbildungsbedingungen hierzulande nicht einladend. Und entsprechend ist das Ergebnis: Im Jahr 2005 nahm nicht einmal jeder dritte Beschäftigte an beruflicher Weiterbildung teil. Dabei will sich die Mehrheit der Deutschen durchaus weiterbilden, das hat eine Umfrage des Online-Karriereportals Monster ergeben. Und zwar nicht nur berufsbegleitend, sondern auch on-the-job. Und auch 90 Prozent Arbeitgeber halten Weiterbildung, laut Meinungsforschungsinstitut forsa, für wichtig. Doch die Realität sieht anders aus: Aus Kostengründen schaffen die Unternehmen die Weiterbildung ab. "Wer an der Bildung spart, spart an der falschen Stelle", hat daher Bundespräsident Horst Köhler mit Blick auf den Dresdner Bildungsgipfel gewarnt. Siegfried Schmauder, Vorsitzender des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung, fordert deshalb:

    "Die Unternehmen müssen mehr Geld in die Hand nehmen, müssen das Thema Weiterbildung als einen Eckpfeiler der Personalentwicklung verstehen und müssen, wenn sie es schon selber nicht aus Ressourcengründen packen können, durchaus auch mit professionellen Organisationen in diesem Markt der Weiterbildung zusammenarbeiten."

    Die notwendigen Voraussetzungen, quer durch alle Unternehmen und gesellschaftlichen Schichten, muss jetzt der Bildungsgipfel schaffen. Und zwar auch, um einer gesellschaftlichen Schieflage entgegenzusteuern. Denn auch das ist Fakt: Große Unternehmen bilden häufiger fort als kleine und mittlere. Männer bilden sich eher fort als Frauen, jüngere Beschäftige eher als Menschen über 50. Und Hochschulabsolventen nehmen viermal so häufig an einer Fortbildung teil wie Menschen ohne Berufsausbildung. DIHK-Weiterbildungsexperte Knut Diekmann:

    ""Wir brauchen mehr Einsicht in die Weiterbildung, in die Notwendigkeit der individuellen Weiterbildung, und die muss natürlich auch auf Eigenverantwortung basieren und das bedeutet zum Ende natürlich auch, Geld in die Hand zu nehmen."

    Doch Weiterbildung ist teuer, das Angebot oft unübersichtlich und die finanziellen Förderinstrumente nicht allen bekannt. Deshalb muss Schluss sein, mit dem Schwarze-Peter-Spiel, wer Schuld hat an der Weiterbildungsmisere. Nach dem Medienspektakel der Merkelschen Bildungsreise müssen in Dresden jetzt klare Signale und konkrete Lösungen folgen, wie Deutschland seine magere Weiterbildungsbeteiligung von 43 Prozent auf die versprochenen 50 Prozent hochschrauben will. Die ersten Schritte in die richtige Richtung hat die Bundesregierung gemacht: Für Geringverdiener gibt es eine, wenn auch niedrige, Bildungsprämie, für besonders Begabte das neue Aufstiegsstipendium. Von diesen Fördermöglichkeiten braucht Deutschland noch mehr. Jetzt muss das Meister-BAFöG tatsächlich ausgeweitet werden. Der Hochschulzugang, auch ohne Abitur, muss leichter werden. Und die Hochschulen müssen sich stärker für die Weiterbildung öffnen. Die Uni Oldenburg geht da mit gutem Beispiel voran: Dort kann man schon jetzt bestimmte Studiengänge in Teilzeit studieren und für berufliches Vorwissen credit points, also Kreditpunkte, kassieren. Damit wird das Studium auch für Berufstätige endlich flexibler.