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Bildungspaket
Verwaltungsaufwand erschwert Teilhabe

Seit 2011 gibt es das Bildungs- und Teilhabepaket, kurz BuT. Damit stellt der Bund den Ländern und Kommunen Geld bereit, das bedürftige Familien bei der Finanzierung von Klassenfahrten oder dem Mittagessen unterstützt. Generell eine gute Entwicklung, doch die Bürokratie ist kompliziert.

Von Martina Preiner | 28.08.2014
    Leeres Klassenzimmer mit hochgestellten Stühlen, aus dem ein Drittklässler läuft.
    Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) vom Bund soll die Teilhabe von Schülern finanziell unterstützen. (picture alliance / dpa - Armin Weigel)
    "Wo hängt der Vertretungs... die Vertretungspläne?"
    Am Humboldt-Gymnasium in Köln machen sich die frischgebackenen Fünftklässler mit ihrer neuen Schule vertraut.
    "Vielleicht läufst mal hin und guckst." - "Ok, danke!"
    Mareike Mangold ist Sozialpädagogin und kümmert sich maßgeblich um die Übermittagsbetreuung an der Schule. Eine Einrichtung, bei der sich Kinder und Jugendliche spielender Weise mit sich und vor allem miteinander beschäftigen. Aber diese Art der Sozialisierung kostet Geld. Klassenfahrten, Exkursionen und gemeinsames Mittagessen - nicht jeder Schüler hat Eltern, die sich den sozialen Anschluss ihrer Kinder leisten können.
    Genau für solche Fälle hatte der Bund 2011 ein Gesetz verabschiedet. Das Bildungs- und Teilhabepaket oder BuT hatte für Länder und Kommunen Gelder bereitgestellt, die bedürftigen Familien zugutekommen sollten. Darunter Empfänger von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe. Der Schulleiter des Gymnasiums, Dr. Harald Junge, begrüßt diese Idee.
    "Also generell sind die ganzen Entwicklungen mit dem Bildungs- und Teilhabepaket alle sehr gut. Die helfen bei uns an der Schule generell, diese Teilhabe zu verbessern. Wir haben jetzt die Möglichkeit Klassenfahrten zu finanzieren über den Staat, nicht mehr über den Förderverein. Wir haben jetzt die Möglichkeiten zum ermäßigten Mittagessen. Das sind alles sehr gute Maßnahmen, generell."
    Enormer Verwaltungsaufwand
    Doch das generelle Problem des BuTs ist wie so oft die Bürokratie. Besonders bei den Zuschüssen zum Mittagessen wurde es am Humboldt-Gymnasium schnell kompliziert, der Verwaltungsaufwand war enorm. Denn zu dem BuT kam noch ein Härtefallfond des Landes NRW, "Alle Kinder essen mit", kurz AKEM. Denn nicht alle Fälle von Bedürftigen werden von dem Paket des Bundes auf die gleiche Art und Weise abgedeckt. Geringverdiener und Empfänger von Kindergeldzuschlägen erhielten somit Zuschüsse aus dem AKEM-Topf.
    "Das sind verschiedene Anträge mit verschiedenen Fristen, mit verschiedenen Stichtagen, die an verschiedene Abrechnungsstellen gehen – und das muss ständig kontrolliert werden. Da durchzublicken und das immer abzusprechen, die Eltern zu informieren, was wie gemacht werden muss, das ist unheimlich aufwendig."
    Meggie de Decker, die stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins des Humboldt-Gymnasiums. Vor ihr liegt ein mehrseitiger Verfahrenshinweiskatalog. Also eine Anleitung zum Anträge stellen.
    Änderungen von Modalitäten in den Sommerferien
    Die Modalitäten der Zuschüsse haben sich bisher mindestens einmal pro Jahr geändert. Meist kamen die Änderungen in den Sommerferien, in denen Schulen geschlossen sind. Innerhalb kürzester Zeit musste Mareike Mangold die betroffenen Familien kontaktieren und über das neue Verfahren aufklären. Es geht um knapp drei Euro pro Mittagessen, das ist für die betroffenen Familien viel Geld. Für Mangold bedeutet ihr Engagement auch zusätzliche Arbeitszeit neben der Übermittagsbetreuung, die vom BuT nicht berücksichtigt wird. In diesem Fall trägt der Förderverein die Kosten.
    Trotz Mangolds Bemühungen kommt ein Teil der neuen Anträge aber zu spät. Die Zahl der letztendlich unterstützten Kinder variiert somit ständig.
    "Es wäre mal wünschenswert, wenn jedes Jahr das Verfahren das gleiche wäre. Was ich dringend erforderlich finde ist, dass man vor Beginn der Ferien, also Ende des Schuljahres, einen Antrag stellen kann, der noch rechtzeitig bearbeitet werden kann, sodass eben mit Beginn des Schuljahres die Kinder, die einen Anspruch haben, vergünstigt essen können."
    Nachteile und Mehraufwand für Geringverdiener
    "Alle Kinder essen mit" wurde in den vergangenen Monaten offenbar eingestellt. Zumindest erhielt das Humboldt-Gymnasium mal wieder während der Sommerferien kurzfristig eine Benachrichtigung vom Amt für Schulentwicklung der Stadt Köln.
    Diese besagt, dass nur noch nach BuT-Richtlinien gefördert werden kann. Zwar entknotet das die bürokratischen Wege, aber es bringt beispielsweise für Geringverdiener wieder Nachteile und Mehraufwand mit sich. Denn sie müssen das Geld zunächst vorstrecken, ohne sicher sein zu können, ob es im Nachhinein erstattet wird.
    "Wenn es eben so ist, dass die Hürden so hoch sind, dann bleiben Kinder außen vor, gehen nicht mit in die Mensa, nehmen nicht am Mittagessen teil, sondern werden sich mit ihrem Schulbrot in irgendeine Ecke verdrücken."
    Und die Kinder stehen für Mareike Mangold und ihre Kollegen im Vordergrund. So bleibt man am Humboldt-Gymnasium optimistisch, dass sich die Bürokratie-Hürden auf Dauer überwinden lassen - bei nur circa 40 geförderten Kindern ist das auch realistisch. Es gibt aber auch Schulen, bei denen ein Großteil der Schüler BuT-berechtigt ist. Ob man den Verwaltungsaufwand dort stemmen kann, ist fraglich.