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Bildungspolitik
Bundestag debattiert über PISA-Ergebnisse

Die jüngste PISA-Studie hat für Deutschland erfreuliche Ergebnisse gebracht. Ein Erfolg, den die Bildungspolitiker der Bundesregierung in der Bundestagsdebatte zum Thema aufs eigene Konto verbuchten.

Von Christiane Habermalz | 16.01.2014
    Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) verfolgt am 16.01.2014 in Berlin die Sitzung des Bundestages. Eines der Themen der Beratung war der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit.
    Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) verfolgt am 16.01.2014 in Berlin die Sitzung des Bundestages. (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Es war die erste politische Debatte des neu konstituierten Bundestages, und sie wurde der jüngsten PISA-Studie gewidmet: Ein Fakt, den die Abgeordneten als klares Zeichen verstanden wissen wollen, welch große Bedeutung sie der Bildungspolitik für die kommende Legislaturperiode beimessen. Zum vierten Mal in Folge hatten sich 15-jährige Schüler in den Kernkompetenzen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen verbessert. Für Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, CDU, ein großer Erfolg, der unter anderem darauf zurückzuführen sei, dass Deutschland nach dem PISA-Schock im Jahr 2000 "nicht in Schockstarre verfallen" sei:
    "Es sind nur drei Länder, Deutschland, Mexiko und die Türkei, denen es gelungen ist, seit 2000 einerseits ihre Leistungen zu verbessern und andererseits den Einfluss der sozialen Herkunft zurückzudrängen. Es gibt nur drei Länder, denen das gelungen ist, und dazu gehört Deutschland."
    Allerdings dürfe man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, erklärte Wanka, und mahnte an, in Zukunft die Leistungsstarken mehr in den Blick zu nehmen:
    "Es ist eine Sache, dass die Schwächeren zugelegt haben, aber in der Spitzengruppe haben wir wenig Bewegung, und deshalb müssen wir uns auch um die Leistungsstarken mehr kümmern, das ist der Bereich, wo wir international auch mehr punkten können."
    Programm zur Förderung der leistungsstarken Schüler
    Gemeinsam mit den Ländern werde sie ein Programm zur Förderung der leistungsstarken Schüler auflegen, dafür solle "extra Geld in die Hand genommen" werden. Ein Punkt, mit dem der Sozialdemokrat Hubertus Heil offenbar keine Probleme hatte:
    "PISA hat uns gelehrt, dass Chancengleichheit und Leistungsstärke keine Gegensätze sind, sondern wechselseitige Bedingungen."
    Aber die Sozialdemokraten sehen vor allem die Anstrengungen in ihren drei bildungspolitischen Kernforderungen als Schlüssel für mehr Bildungserfolg: Flächendeckender Ausbau der Kindertagesstätten, Verstärkung der Schulsozialarbeit und der Ausbau von Ganztagsschulen. Da sieht Hubertus Heil den Bund in der Pflicht, die Länder zu unterstützen - auch finanziell. Schüler aus bildungsfernen Schichten seien allerdings immer noch zu sehr benachteiligt - trotz der jüngsten Erfolge:
    Benachteiligt seien Schüler aus bildungsfernen Schichten
    "Nach wie vor entscheidet der Bildungshintergrund zu stark über Lernerfolg und Bildungschancen. Als Sozialdemokraten werden wir uns damit nicht abfinden. Unser Menschenbild ist ein anderes. Es geht nämlich im Kern nicht um Gerechtigkeit, es geht um Freiheit. Wir wollen nicht, dass Herkunft, Geschlecht oder Hautfarbe den Lebensweg beschreiben und die Menschen auf ihre Verhältnisse festnageln. Wir wollen, dass Menschen selbstbestimmt Autor ihres eigenen Lebens sind."
    In seiner ersten Rede vor dem Bundestag zog Özcan Mutlu, der bildungspolitische Sprecher der Grünen, eine ganz andere Bilanz: Zwar sei Deutschland im Länderranking aufgestiegen, aber:
    "Ist das alles? Reicht Ihnen das? Geht es Ihnen nur um Rankings? Ist das Ihr Verständnis von Bildungspolitik? Besser vielleicht, aber gerechter? Nein, keineswegs: 2001 gehörten 23 Prozent der teilnehmenden Schüler zur Risikogruppe. Heute sind es immer noch 18 Prozent. Besonders betroffen waren damals Schülerinnen und Schüler aus Arbeiterfamilien oder Kinder mit Migrationshintergrund. Auch heute entscheidet in der Mehrheit der Geldbeutel der Eltern über den Bildungserfolg. Das war und das ist und bleibt ein Skandal, und das können Sie hier nicht mit Floskeln wegdiskutieren."
    "Riesige Chance vertan"
    Am härtesten ging seine Parteikollegin Katja Dörner mit den Regierungsparteien ins Gericht. Wenn es Erfolge in Pisa zu verbuchen gebe, dann habe die Bundesregierung jedenfalls nichts dazu beigetragen. Im Gegenteil. Erfolgreiche Bildungsprogramme wie der Ausbau der Ganztagsschulen hätten aufgegeben werden müssen. Grund: Das von Bund und Ländern verabschiedete Kooperationsverbot, dass es dem Bund verbietet, sich in die Bildungshoheit der Länder einzumischen. Dies sei ein absurder Zustand, so Dörner:
    "Die Große Koalition hat offensichtlich nicht vor, diesen Fehler zu beheben. Damit wird eine riesige Chance vertan."