Donnerstag, 25. April 2024

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Bildungspolitik in Sachsen unter Schwarz-Gelb

Freifrau von Schorlemer (parteilos) war bislang Lehrstuhlinhaberin für Völkerrecht, Recht der EU und Internationale Beziehungen an der Technischen Universität Dresden. Ministerpräsident Stanislaws Tillichs Entscheidung, sie in sein neues Kabinett zu berufen, überraschte einige - doch an Kompetenz fehlt es von Schorlemer nicht.

05.10.2009
    Regina Brinkmann: Was haben Sie sich als Wissenschaftsministerin von Sachsen vorgenommen?

    Sabine Freifrau von Schorlemer: Ja, zunächst einmal in aller Bescheidenheit: Mein Anliegen wäre zunächst einmal, Bewährtes zu bewahren und auch an die Stärken Sachsens anzuknüpfen, was da wären: die reiche Geschichte, Tradition, die kulturelle Vielfalt, die Lebendigkeit auch der Kunst- und Wissenschaftsszene. Darüber hinaus natürlich gilt es auch, nicht nur mit diesem Pfund zu wuchern, sondern auch dort anzusetzen und neue Impulse zu geben. Von daher ist ja das Leitbild der Regierung unter Minister Tillich ein weltoffenes und modernes, innovatives, und ich möchte hinzufügen, auch kreatives Sachsen zu schaffen. Und das wird nicht einfach sein, denn die vorhandenen Spielräume müssen genutzt werden, aber sie werden eher enger mit dem Rückgang der Bevölkerung, mit dem Einbruch bei den Abiturienten, der sächsischen Abiturienten, und natürlich auch im Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Also, hier wird es wohl schon darum gehen, gerade in schwierigen Zeiten sich dafür einzusetzen, dass hier zum Beispiel die Kulturförderung auf hohem Niveau fortgeführt wird.

    Brinkmann: Sie haben es gerade angesprochen, sinkende Schüler- und Studentenzahlen. Wie wollen Sie denn Sachsens Hochschulen für den demografischen Wandel dann fit machen? Haben Sie da schon Ideen?

    von Schorlemer: Ideen haben wir natürlich schon, es wird darum gehen, jetzt zunächst einmal die Hochschulen, die ja auch zentral für die geistige und gesellschaftliche Entwicklung dieses Landes sind, auch konstruktiv zu begleiten auf ihrem Weg zu mehr Eigenverantwortung, Autonomie. Das heißt, sie haben selbst für strategische Orientierung, Personal- und Finanzausstattung zunehmend die Verantwortung. Das ist zunächst eine Phase auch, die Belastungen mit sich bringt. Ich denke, hier wird man vorangehen müssen und die Hochschulen insgesamt natürlich auch brauchen nicht nur Geld, sondern auch ein geistiges Klima, an dem sie exzellente Lehre und Forschung betreiben können. Hier wird die Frage der Exzellenz sicherlich eine Rolle spielen, auch in unmittelbar nächster Zeit. Es wird darum gehen, die Leistungen ...

    Brinkmann Was haben Sie da vor?

    von Schorlemer: Da gibt es unterschiedliche Konzepte, die werden mit dem Einvernehmen der Universitäten – auch mit diesem Haus, was ich ja gerade auch kennenlerne – vorangebracht. Im Koalitionsvertrag ist zum Beispiel das Dresden-Konzept erwähnt, das sind Dinge, die werden sehr explorieren und da gibt es sicherlich viel zu tun.

    Brinkmann In dem Koalitionsvertrag ist erst mals auch von Studiengebühren für Langzeitstudenten die Rede. Das hat ja für einigermaßen Unruhe gesorgt. Wie sehen denn da die konkreten Pläne in dieser Richtung aus?

    von Schorlemer: Zunächst einmal ist ja das Präsenzstudium, Erststudium, Bachelor- und Masterstudien gebührenfrei, dabei wird es auch bleiben in Sachsen. Es ist gebührenpflichtig das Zweitstudium, das ist auch bundesweit so üblich, und auch das Fernstudium. Was die Gebührenpflichtigkeit für eventuelle Langzeitstudenten angeht, da wird man darüber befinden müssen, was das dann ist – eine bedeutsame Verlängerung der Studienzeit. Das ist ja nicht entschieden. Also, insofern ist das vielleicht etwas, was die Studierenden sehr viel weniger belasten würde, als sie jetzt im Augenblick annehmen.

    Brinkmann Das ist noch offen von Ihrer Seite.

    von Schorlemer: Das ist offen.

    Brinkmann Sie haben an Hochschulen im In- und Ausland gelehrt, seit 2000 an der TU Dresden. Wie werden Sie diese Erfahrung in Ihrem Amt als Wissenschaftsministerin nutzen?

    von Schorlemer: Ja, lassen Sie es mich vielleicht so formulieren: Diese Tätigkeit als Professorin an der TU Dresden neun Jahre aber auch als Professorin, Dozentin an fünf Universitäten im Ausland – das ist sicherlich kein Nachteil. Ich denke, die interdisziplinäre Herangehensweise wird erstens sein, wie ich gut anknüpfen kann, ich bin ja Politik- und Juraprofessorin, eine gewisse Gremienerfahrung bringe ich mit. Ich denke, die Perspektive der Studierenden und der Nachwuchswissenschaftler sind mir vertraut. Vielleicht, was ich auch noch mitbringe, ist Frauenförderung, Frauenforschung auch und Ähnliches mehr. Ich denke, da gibt es auch inhaltlich, fachlich zahlreiche Anknüpfungspunkte, die mir jetzt da auch von Nutzen sein können.

    Brinkmann Sie haben die Sorgen und Nöte angesprochen: Bologna-Reform ist ja ein ganz großes Stichwort. Haben Sie da Ideen, dass man da vielleicht noch an den Hochschulen in Sachsen was verändern sollte?

    von Schorlemer: Das sind ja nicht nur die Hochschulen in Sachsen, die hier angesprochen sind. Ich denke, es wird allgemein darum gehen, den Bologna-Prozess zu optimieren, Stichwort Reform, es wird sicherlich darum gehen, hier auch an die kritischen Punkte heranzugehen wie etwa die hohe Prüfungslast der Studierenden, weil Sie auch die Studierenden angesprochen haben, die übrigens auch eine Prüfungslast (unverständlich) auf die Professoren zukommt; dann die Präsenzpflicht, das ist auch etwas, was die Studierenden zum Teil belastet, weil sie weniger die Möglichkeit haben, parallel zu arbeiten; die immer noch etwas zu geringe Mobilität, das wird etwas sein wie die Straffung der Curricula. Da gibt es mehrere Punkte, und da wird der Bologna-Prozess sicherlich weitergehen. Das ist ja auch kein abgeschlossener Prozess, das ist, wie gesagt, auch eine Phase des Wandels und die wird man auch gestalten.