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Bildungsreform
Frankreich will Deutschunterricht kürzen

Die französische Bildungsministerin will neben alten Sprachen wie Griechisch und Latein auch den Deutschunterricht in ihrem Land eindampfen. Die Reform soll zum neuen Schuljahr 2016 umgesetzt werden. Kritiker befürchten, dass dadurch auch langfristig die deutsch-französische Freundschaft leiden könnte.

Von Christiane Kaess | 20.07.2015
    Der Blick in ein Container-Klassenzimmer
    Geplant ist es, die sogenannten bilingualen Kurse abzuschaffen. (picture-alliance / dpa/Bernd Weißbrod)
    Seit die Reform-Vorschläge von Bildungsministerin Najad Vaullaud-Belkacem auf dem Tisch liegen, ist die junge Ministerin unter Beschuss:
    "Sie werden die Ungleichheiten noch verschärfen, indem sie den Schülern, die in Schwierigkeiten sind, nicht erlauben, sich elementares Wissen anzueignen, was ihnen ermöglicht, frei zu sein", echauffiert sich der ehemalige Minister der Konservativen, Bruno Le Maire.
    Reform als "Untergang" in einem offenen Brief bezeichnet
    Unter seiner Führung haben sich mehr als 160 Parlamentarier, Senatoren und Europaabgeordnete an Präsident François Hollande gewandt. In einem offenen Brief bezeichnen sie die Reform als "Untergang" des französischen Schulsystems. Ministerin Najat Vallaud-Belkacem aber will nichts mehr ändern an ihren Plänen und kontert:
    "Die Frage ist doch. Wie können wir mit unserem Programm die sozialen Unterschiede ausgleichen - darum geht es. Und Ihr gesellschaftliches Ideal ist eine Schulde und ein Bildungswesen, das nicht jedem Zugang gibt."
    Ein zentraler Punkt der Diskussion: die Abschaffung der sogenannten bilingualen Kurse, in denen die Schüler die Fremdsprachen Deutsch und Englisch intensiv lernen. Najat Vallaud-Belkacem ist der Ansicht, diese förderten vor allem eine elitäre Minderheit, weil vor allem Schüler aus gut bürgerlichen Verhältnissen das Angebot wahrnehmen. Das will Joachim Umlauf, Direktor des Goethe-Instituts in Paris, so nicht unterschreiben. Ohnehin präge das französische Schulsystem, vor allem beim Abitur stark Eliten aus. Das liege nicht unbedingt an den bilingualen Klassen:
    "Die werden ja auch in Schulen angeboten, in Gegenden, die strukturschwach oder benachteiligt sind. Und dort können sie eben Kindern, die benachteiligt sind, die Möglichkeit bieten. Sich stärker zu qualifizieren."
    Jetzt befürchtet Umlauf einen Gegeneffekt: Die Privatschulden, die größere Freiräume bei der Umsetzung der Reform haben, würden von nun an die bilingualen Klassen anbieten. Wahrnehmen könnten sie dann nur die Kinder, deren Eltern eine private Schule auch bezahlen können. Die Ministerin auf der anderen Seite argumentiert, man wolle jetzt die Fremdsprachen allen Schülern eröffnen. Anstatt sechs Stunden zusätzlichem Unterricht in Englisch und Deutsch ab der 6. Klasse wie bisher soll es künftig zweieinhalb Wochenstunden für alle Schüler ab der 7. Klasse geben. Außerdem kann man Deutsch bereits in der Grundschule wählen. Joachim Umlauf vom Goetheinstitut beruhigt das nicht.
    "In vielen Bereichen ist der Fremdsprachenunterricht in den Grundschulen mehr Vertrautmachen mit dem Lernen einer Sprache als wirkliches Sprachen lernen."
    Förderung der deutschen Sprache schon im Elysée-Vertrag festgehalten
    Er fürchtet auch, das Deutsche werde bei der Auswahl in der Grundschule gegenüber dem Englischen den Kürzeren ziehen. Bei dem bilingualen Unterricht dagegen hat die deutsche Sprache von einem "Mitnahmeeffekt" profitiert. Seitdem diese Klassen 2003 eingeführt wurden, hat sich der Anteil der Deutschschüler nach einem Tiefstand zuvor nun bei 15 Prozent stabilisiert. Die Förderung der deutschen Sprache ist schon im Elysée-Vertrag von 1963 festgehalten. Konservative Politiker, wie der ehemalige Premierminister, François Fillon behaupten, die Reform verstoße gegen deutsch-französische Regierungsvereinbarungen. Kritiker werfen der Regierung auch vor, das neue Schulprogramm nehme Kindern Chancen - zum Beispiel auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Dem Direktor des Goethe-Instituts, Joachim Umlauf, geht es auch um die deutsch-französischen Beziehungen. Er sieht die Sprache - wie er sagt - am Fuße einer Pyramide.
    "Wir machen uns natürlich Sorgen wird es in Zukunft noch genug Schülerinnen und Schüler geben, die genug Sprachkenntnisse habe, um in die sogenannten Abi-Bac-Klassen zu kommen. Also Klassen, wo das deutsche und das französische Abitur abgelegt wird. Wird es noch genug Schulen in Frankreich geben, die Schüler in einen Austausch nach Deutschland schicken. Und wir sind natürlich der Meinung solide Sprachkenntnisse gehen einher mit der Freundschaft zum anderen Land. Dann steht natürlich für uns das Freundschaftsverhältnis infrage."