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Billen: Das Gesundheitsrisiko ist relativ gering

Angesichts der bislang bekannt gewordenen Menge an Aflatoxin in Futtermais wolle er nicht von "verseuchter Milch" sprechen, sagt Gerd Billen, Leiter der Verbraucherzentrale Bundesverband. Beim Kauf von Bio-Milch sei man "relativ auf der sicheren Seite". Die Politik müsse jetzt aber endlich für eine bessere Lebensmittelüberwachung und strengere Strafen sorgen.

Gerd Billen im Gespräch mit Bettina Klein | 02.03.2013
    Bettina Klein: Pferdefleisch in der Lasagne, Bio-Eier, die nicht unter Bio-Bedingungen gelegt wurden, und nun noch möglicherweise Giftstoffe in der Milch, verursacht durch Pilzbefall von Futtermitteln, Giftstoffe, die in die Nahrungskette gelangt sind. Futtermittel aus Serbien, verarbeitet in vor allem niedersächsischen Landwirtschaftsbetrieben. In anderen Bundesländern wird derzeit noch geprüft, in Niedersachsen dürfen etliche Höfe im Moment keine Milch ausliefern.

    Infrage steht im Augenblick also, wie viel von dem giftigen Stoff vor allem in die Milch gelangen konnte und inzwischen bei uns Bürgern gelandet ist. Einerseits heißt es ja, es bestehe keine Gefahr, andererseits sind die Prüfungen noch nicht abgeschlossen. Wie groß also ist das Risiko, das habe ich vorhin Gerd Billen gefragt, Leiter der Verbraucherzentrale Bundesverband.

    Gerd Billen: Das Bundesamt für Risikobewertung hat ja Grenzwerte entwickelt, auch für die Belastung von Milch mit Aflatoxin. Die gehen davon aus, dass es bei einem einmaligen Genuss zu keiner Gesundheitsbeeinträchtigung kommt. Ein anderes Problem wäre es, wenn jetzt jemand über längere Zeit eine hochbelastete Milch zunimmt. Also ich würde mal sagen, es gibt sicherlich in Einzelfällen Produkte, bei denen dieser Grenzwert überschritten ist, aber auch das hat jetzt nicht sofort eine Gesundheitsauswirkung. Also insgesamt glaube ich eher, dass das etwas ist, was nicht so dramatisch aussieht.

    Klein: Aber wenn es zufälligerweise so gekommen ist, dass ich dann eben doch größere Mengen von vergifteter oder von verseuchter Milch zu mir genommen habe, dann kann es durchaus zu Gesundheitsschäden kommen?

    Billen: Es handelt sich ja hier um Schimmelpilze, die in dem Mais enthalten waren, die über die Futtermittel auch in die Tiere und in die Milch gelangt sind. Ich würde auch den Begriff verseuchte Milch, glaube ich, an der Stelle nicht verwenden. Es gibt auch andere Gelegenheiten, wo wir verschimmelte Lebensmittel manchmal unabsichtlich essen, deswegen, in den Bereichen, die bisher jedenfalls bekannt sind in den Mengen – ich kann jetzt kein Risiko ausschließen, aber ich glaube, es ist relativ gering.

    Klein: Aber es klingt schon, was Sie sagen, deutlich nach Entwarnung aus Sicht der Verbraucherzentrale.

    Billen: Ich kann die Daten mir ansehen, die Informationen, die bekannt sind, und da ist es so, dass Überschreitungen festgestellt wurden bei Milch. Und es laufen ja auch noch sehr viele Untersuchungen, und wenn das auf diesem Level bleibt, glaube ich, wird das kein flächendeckendes Gesundheitsproblem werden.

    Klein: Welche Möglichkeiten hat denn der Verbraucher, haben wir alle im Augenblick, uns davor zu schützen, vor möglicherweise kontaminierter Milch? Denn wenn man eben Produkte kauft, die halt nicht von bestimmten Firmen her etikettiert sind, weiß ich nicht, wo die Milch entstanden ist, wo sie produziert wurde, wo sie abgefüllt wurde vielleicht noch. Welche Möglichkeiten habe ich als Verbraucher?

    Billen: Das ist, glaube ich, im Moment schwierig, weil wir auch nicht wissen, welche Partien genau betroffen sind. Wer eine Molkerei in der Nähe hat, die er kennt, die gute Qualität liefert – Bio-Milch, ich glaube, da ist man relativ auf der sicheren Seite. Also all die Betriebe, bei denen jetzt nicht zugekauftes Mischfutter eingesetzt wurde, auch, ich würde mal vermuten, Milch aus der Eifel – da wird das ein Stück weit anders aussehen. Aber es gibt da keine völlige Sicherheit.

    Klein: Welche Konsequenzen sollten im Augenblick gezogen werden Ihrer Meinung nach? Wir haben ja wieder das bekannte Spiel von Schuldzuweisungen Bund in Richtung Länder, Länder in Richtung Bund.

    Billen: Wenn die Informationen so zutreffen, dann haben wir es hier mit einem gravierenden Versagen der Futtermittelhersteller zu tun. Es war schon nach Dioxin so, es gab Versprechungen, man achtet stärker auf die Qualität der Rohstoffe für die Futtermittel, das scheint überhaupt nicht zu funktionieren, und deswegen sollten Bund und Land jetzt nicht streiten, wer welche Verantwortung hat, sondern endlich sich zusammensetzen und für eine bessere, funktionierende Lebensmittelüberwachung, strengere Strafen und mehr Druck auf die Futtermittelhersteller ausüben. Und ich meine, aus Verbrauchersicht stehen die Handelsunternehmen in der Verantwortung. Also ich kann nur auffordern, dass die Discounter, die Supermarktketten, die Handelsunternehmen hier einfach darauf bestehen, dass die Ware qualitativ hochwertig ist. Wir haben nun den dritten Skandal in diesem Jahr, die Dinge kommen immer aus einer ähnlichen Richtung, und das muss nicht sein.

    Klein: Sagt Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.