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Billigkleidung von Primark
Im Kaufrausch setzt das Gewissen aus

Nicht erst seit den vermeintlichen Hilferufen in Kleidungsstücken steht der Textildiscounter Primark wegen seiner Arbeitsbedingungen in der Kritik. Bei der Eröffnung eines neuen Primark-Ladens am Berliner Alexanderplatz störte das aber nur wenige.

Von Philip Banse | 04.07.2014
    Zwei junge Frauen sehen sich am 03.07.2014 in Berlin bei der Eröffnung einer Primark-Filiale Kleidung an.
    Zwei junge Frauen sehen sich am 03.07.2014 in Berlin bei der Eröffnung einer Primark-Filiale Kleidung an. (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Berlin Alexanderplatz. Vor dem Primark-Laden hat sich eine Menschentraube gebildet, 200 bis 300 Menschen warten in der Mittagssonne darauf, in die neue Filiale des Kleidungsdiscounters gelassen zu werden. Rund 30 Sicherheitsmänner in schwarzen Anzügen lassen Kunden nur in Gruppen hinein und verteilen Wasserflaschen. Der Eingangsbereich ist abgesperrt wie bei einem Popkonzert. Marlene, 19, Englisch-Studentin aus Berlin hat schon öfter bei Primark eingekauft:
    "Weil's billig ist und man für wenig Geld gute Schnäppchen ergattern kann."
    Daneben die Sonderschlange für Familien: 26 Kinderwagen warten hintereinander wie Autos an der Tankstelle.
    "Warum wollen sie zu Primark?"
    "Billig und Qualität gut. Hose und Hemd, alles ist sehr billig. Ich habe große Familie, muss so ein bisschen billig kaufen."
    Neben der Schlange steht Tim Aeberle vom Bund für Umwelt und Naturschutz, per Megafon wendet er sich an die Wartenden in der etwa 100 Meter langen Schlange:
    "Wenn ihr Euch umdreht zu eurer Linken ist eine Kleidertauschparty. Ihr seid alle herzlich eingeladen, mal vorbei zu kommen!"
    "Na, na. Passt scho'."
    Problem erkannt, aber nicht gebannt
    Einige Meter vom Primark-Eingang entfernt haben Umwelt- und Menschenrechtsgruppen ihre Stände aufgebaut, um gegen die Arbeitsbedingungen bei Primark zu protestieren. Bernd Hinzmann von INKOTA, der Kampagne für saubere Kleidung:
    "Primark selbst gibt ja zu, dass sie ein Problem haben im Bereich Löhne, dass die Löhne also keinesfalls existenzsichernde Löhne sind. Sie erkennen die Probleme an. Sie wissen, dass sie ein Problem haben, was Gewerkschaften betrifft in den Zulieferbetrieben, dass in viel Betrieben keine Gewerkschaften existieren. Das kennen sie aber, sie machen keine strukturellen Veränderungen."
    Hinzmann fordert nicht weniger als eine Abkehr vom Geschäftsmodell des "Fast Fashion", das T-Shirts für zwei Euro ermöglicht und Kleidung zum Wegwerfartikel degradiert:
    "Es kann nicht immer schneller und billiger produziert werden. Das ist aber eine Kernstrategie von Primark. Das wird immer negative Folgen haben bei den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Das ist die erste Abkehr. Da heißt es, das Geld muss auch zur Verfügung stehen für Trainings, für Sicherheitsmaßnahmen und vor allem für Löhne, die ausreichen zum Leben. Und wichtig ist, dass sie Auskunft geben, was sie in diesem Kerngeschäft verändern. Das muss nachvollziehbar sein."
    Primark war nicht zu einem Interview bereit, wollte keine Fragen beantworten, sondern schickte nur eine Pressemitteilung, in der steht, dass Primark "größten Wert auf das Wohlergehen der Arbeitskräfte in seiner Lieferkette" lege. Drei in Primark-Kleidung eingenähte Hilferufe kämen nicht von Arbeitern, das habe eine Untersuchung ergeben, sondern seien eine Fälschung.
    Primark-Kritiker fordern keinen Boykott
    Marlene, die 19jährige Englisch-Studentin kommt mit ihrer Freundin aus dem neu eröffneten Primark-Laden, in der Hand die braunen Tüten mit blauem Aufdruck.
    "Was habt ihr denn gekauft?"
    "Ach so einiges, von Accessoires über Oberteile, ein Kleid. Ganz unterschiedlich."
    "Was habt ihr ausgegeben?"
    "59 Euro, aber wir hatten beide einen Gutschein bekommen."
    "Welche Rolle spielen denn die Arbeitsbedingen der Leute, die diese Klamotten herstellen, für euch beim Kauf?"
    "Ja, natürlich hat man auch schon mal darüber nachgedacht. Aber letztlich ist das nicht bei H&M auch nicht anders. Klar hat man da mal drüber nachgedacht, aber wenn man da in seinem Kaufrausch ist, denkt man da nicht mehr so viel drüber nach."
    "Meint ihr denn, dass Ihr etwas verändern könnten, wenn ihr nicht bei Primark einkaufen würdet?"
    "In erster Linie wäre den Leuten nicht geholfen, denn die machen ihre Arbeit, verdienen nicht viel, aber sie verdienen Geld. Und wenn die Leute es nicht kaufen, dann verdienen die Leute eben kein Geld mehr."
    Deswegen ruft Primark-Kritiker Hinzmann von INKOTA auch nicht zum Boykott der Kleidungsdiscounter auf. Gleichzeitig könne Primark aber nur zu Änderungen gedrängt werden, wenn die Gefahr steige, dass Kunden woanders einkaufen. Ein schmaler Grad auf dem Weg zu sauberer Kleidung.