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Biologie
Erdmännchen vertrauen auf Erfahrung

Bei Erdmännchen lösen die Warnrufe erfahrener Wächtertiere mehr Aufmerksamkeit hervor als die der weniger erfahrenen, wie eine neue Studie zeigt. Den Tieren, die am häufigsten auf Wache gingen, würde offenbar mehr Vertrauen entgegengebracht, sagte Studienautorin Ramona Rauber im Dlf.

Ramona Rauber im Gespräch mit Lennart Pyritz | 27.09.2018
    Ein Erdmännchen hält aufrecht stehend Wache auf einem Baumstamm im Kgalagadi Transfrontier Park Kalahari in Südafrika.
    Einer hält Wache, die anderen spielen, fressen, dösen - Arbeitsteilung bei den Erdmännchen (Suricata suricatta) (picture alliance / Nigel Dennis)
    Lennart Pyritz: Es ist ein vertrauter Anblick aus dem Zoo oder der Kalahari im südlichen Afrika: Ein Erdmännchen steht auf den Hinterbeinen und beobachtet die Umgebung, während die anderen am Boden nach Nahrung suchen. Wie entspannt sie dabei Insekten, Skorpione und Eidechsen verspeisen, hängt unterdessen davon ab, wer gerade Wache hält. Das hat ein Forschungsteam kürzlich im Fachmagazin Scientific Reports beschrieben. Welche Eigenschaften dabei besonders vertrauenserweckend wirken - darüber habe ich vor der Sendung mit der Studienautorin Ramona Rauber gesprochen, Biologin an der Universität Zürich. Ich habe sie zuerst gefragt, wie die Wächter mit ihren Artgenossen kommunizieren und vermitteln, ob es gerade entspannt oder gefährlich ist.
    Ramona Rauber: Also die Erdmännchen haben verschiedene Rufe, um diese Informationen zu kommunizieren. Einige davon sind beruhigende Rufe, "Alles klar"-Rufe, und andere sind eher warnend, also dass dann die ganze Gruppe etwas mehr aufmerksam ist und auch selbst nach Räubern Ausschau hält, und die dritte Kategorie wären dann noch die Alarmrufe, wenn dann tatsächlich ein Räuber gesichtet worden ist. Also jedes Erdmännchen tönt ein bisschen anders von der Frequenz der Stimme her, also ganz ähnlich eigentlich auch wie bei uns Menschen, und schon, nur wenn sie die Rufe hören, wissen sie, wer auf Wachfunktion ist.
    Anders Wachtier, andere Aufmerksamkeit
    Pyritz: Bislang war offenbar unklar, wie sich solche Faktoren wie Alter, Geschlecht, Dominanz, Status soziale Beziehungen oder die Erfahrung eines Wächters auf das Verhalten der anderen Gruppenmitglieder auswirken. Genau das haben Sie jetzt in der aktuellen Studie untersucht. Wie sind Sie methodisch dabei vorgegangen?
    Rauber: Wir haben von jedem Gruppenmitglied, das natürlicherweise auf Wache ging, diese Rufe aufgenommen im Feld in Südafrika und haben dann die beruhigenden Sentinelrufe im Rahmen von Playback-Experimenten an futtersuchende Tiere abgespielt und dabei ihr Verhalten beobachtet. Die Idee eigentlich dahinter ist, um zuerst einmal zu untersuchen, ob die Tiere sich unterscheiden in ihrem Wachsamkeitsverhalten, je nachdem, welches Sentinel, welches Wächterindividuum wir zurückgespielt haben, also haben wir dann verglichen, wie oft die Tiere selbst aufmerksam waren oder ob sie sich auf die beruhigenden Rufe des Sentineltieres verlassen haben. Dann in einem zweiten Schritt konnten wir dann analysieren, bei welchen Tieren die Fokustiere am wenigsten aufmerksam waren, also auf welche Rufe sie sich am meisten verlassen haben in Beziehung auf Alter, Geschlecht, Dominanzposition oder, wie in unserem Fall, auch Erfahrung.
    Pyritz: Was waren die Ergebnisse bei diesen beiden Fragestellungen, die Sie jetzt geschildert haben?
    Rauber: Zuerst konnten wir ganz klar zeigen, dass die verschiedenen Sentineltiere unterschiedliche Wachsamkeitsverhalten hervorrufen. Also bei einigen waren die Fokustiere dann selbst sehr aufmerksam, obwohl sie die beruhigenden Rufe gehört haben und bei anderen Tieren weniger aufmerksam. In einem zweiten Schritt dann konnten wir zeigen, dass wir die höchste Wachsamkeitsraten quasi fanden, wenn wir Sentinels abgespielt haben, die am häufigsten auf Wächterposition gegangen sind und daher auch am erfahrensten sind.
    Wer wacht am meisten?
    Pyritz: Also der Erfahrung wird vertraut. Gibt es denn auch Untersuchungen dazu, ob es bei unerfahrenen Wächtern tatsächlich öfter zu brenzligen Situationen mit Angreifern, zum Beispiel mit Greifvögeln oder Schlangen, kommt, weil zu spät oder in irgendeiner anderen Weise missverständlich vor denen gewarnt wurde?
    Rauber: Also im Moment ist es einfach eine mögliche Interpretation unserer Daten, dass dies mit Erfahrung assoziiert wird bei dem Rest der Gruppe, und wir würden dann gerne in einem nächsten Schritt auch spezifische Experimente planen, um dies genau herauszufinden, ob diejenigen Tiere, die am meisten auf Wache gehen, auch am zuverlässigsten sind.
    Pyritz: Wie schaffen es denn vermutlich die Erdmännchen überhaupt, sich daran zu erinnern, wer bereits wie oft Wache gehalten hat? Führen die sozusagen eine innere Strichliste?
    Rauber: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Wie sich natürlich jetzt hier ergibt aus unseren Resultaten, eine mögliche Erklärung wäre, dass die Tiere das quasi assoziieren. Also die Rufe, die sie ja wissen, von wem die sind, die sie am meisten hören, assoziieren sie mit einer sicheren Informationsquelle.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.