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Biologie
Krokodile überraschen mit kaltblütiger Intelligenz

Krokodile sind intelligenter als gedacht: Sie kommunizieren mit Körpersprache, Duftstoffen und Schall, sie umsorgen ihren Nachwuchs. Besonders ausgefeilt sind ihre Jagdstrategien, das zeigen neue Studien im Fachjournal "Ethology, Ecology and Evolution".

Von Dagmar Röhrlich | 19.11.2014
    Einerseits gefährlich, andererseits lethargisch und langweilig, so erscheinen Krokodile den meisten Menschen. Vladimir Dinets teilt diese Ansicht ganz und gar nicht.
    "Sie sind sehr intelligent, allerdings scheinen ihre Denkprozesse anders abzulaufen als bei Säugetieren, und die Zeit vergeht für sie anders."
    Der Verhaltensbiologe Vladimir Dinets forscht am Psychologischen Institut der New University of Tennessee in Knoxville.
    "Ich habe meine Studien in 26 verschiedenen Ländern durchgeführt, vor allem in den USA, Südamerika, Afrika und Indien. Es waren vergleichende Untersuchungen an 20 von weltweit 28 Krokodilarten, und zwar an Tieren, die in freier Wildbahn lebten und in Gefangenschaft. Die meisten Beobachtungen machte ich während der Nacht und in den frühen Morgenstunden, tagsüber ist bei Krokodilen nicht viel zu sehen."
    Stöcke als Jagdwerkzeuge
    Nachts jedoch zeigen sie ihre aktive Seite. Allerdings sind Beobachtungen in der Dunkelheit und im oft schlammigen Wasser schwierig. Deshalb setzte Vladimir Dinets neben der eigenen Arbeit auf die Kooperation mit Tierschützern, Rangern und dem Personal von Tierfarmen. Außerdem durchforstete er alte Berichte. Mithilfe dieser verbreiterten Datenbasis kann er eigene Beobachtungen unterfüttern. Etwa dass manche Krokodile einem exklusiven Kreis angehören: dem Kreis der Lebewesen, die Werkzeuge einsetzen:
    "Wenn sie schwimmende Stöcke finden, tauchen sie unter sie und bringen sie auf ihrer Schnauze in die richtige Position. Denn Nistmaterial ist in Vogelkolonien oft knapp, und so locken sie damit Schreitvögel wie Reiher an, die auf der Suche nach kleinen Stöcken sind."
    So liegen Indische Sumpfkrokodile oder Mississippi-Alligatoren stundenlang im Wasser und balancieren kleine Zweige auf ihren Schnauzen. Nichts passiert - bis sich ein Vogel nähert und mit dem Schnabel nach dem Stöckchen greift. Das Krokodil schießt hoch - und um den Reiher ist es geschehen. Durch systematische Beobachtungen fand Vladimir Dinets dann heraus, dass die Mississippi-Alligatoren diese Technik nur zur Brutzeit der Vögel einsetzen. Sie passen ihr Verhalten also der Jagdsaison an:
    "Krokodile setzen wirklich einige interessante Jagdstrategien ein, jagen beispielsweise in Gruppen. Zur Trockenzeit, wenn der Wasserstand niedrig wird und sich die Fische zusammendrängen, schwimmen kleinere Krokodile ins flache Wasser, während die großen die Fische auf sie zu treiben, und so bekommt jeder etwas vom Fang ab."
    Gemeinsam auf der Jagd
    Eine andere Strategie: Wie Delfine treiben sie einen Fischschwarm mit immer engeren Kreisen zusammen, bis die Tiere dicht gedrängt ist - und dann beginnt für die Krokodile das große Fressen.
    "Sie arbeiten auch an Land zusammen: Dort warten einige Krokodile im Hinterhalt, während die anderen die Beute in die Falle treiben, so habe ich es einmal gesehen, als sie ein Schwein gejagt haben."
    Obwohl Krokodile auch über Schall und Infraschall kommunizieren könnten, sind sie bei der Jagd still: Wie Löwen, bei denen auch jedes Mitglied der Gruppe wisse, was zu tun sei, so Vladimir Dinets. Noch ist jedoch offen, ob das Verhalten angeboren ist oder erlernt, und ob im letzteren Fall die Strategie innerhalb der Gruppe weitergegeben wird. Dass das durchaus so sein könnte, darauf deuten Versuche mit solitär lebenden Landschildkröten hin: Sie lernen durch Beobachtung von anderen.