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Biologie
Was ein Hund riecht

Sie nehmen eine Fährte auf, verfolgen Verbrecher oder suchen nach Lawinenopfern: Ihre gute Nase macht Hunde zu wichtigen Mitarbeitern von Polizei und Rettungsdiensten. Wie ihr Geruchssinn genau funktioniert, wollen Rechtsmediziner der Uni Leipzig gemeinsam mit der sächsischen Polizei erforschen.

Von Hartmut Schade | 03.12.2014
    Ein Hund sitzt am 14.10.2014 in Lübz (Mecklenburg-Vorpommern) auf einer mit Kopfsteinen gepflasterten Straße in der Altstadt.
    Personensuchhunde brauchen einen eindeutigen Geruch (picture alliance / dpa / Jens Büttner)
    Die Kirchturmuhr von Stollberg, einer Kleinstadt am Rande des Erzgebirges, schlägt sechs. Die Marktstände sind abgebaut, nun parken Autos mit Hundeboxen im Kofferraum auf dem Hauptmarkt. Ein Dutzend Männer und Frauen in grünen und orangenen Reflektorwesten begrüßen sich. "Polizei" und "Rettungshundestaffel DRK Bayern" steht auf ihren Warnwesten. Training für Mantrailer-Hunde ist angesagt.
    "Das ist die Suche nach der individuellen Geruchsspur eines jeden Menschen. Das heißt, jeder Mensch riecht individuell, speziell", erklärt Hundeausbilder Armin Schweda vom Bayrischen Roten Kreuz. Personensuchhunde, neudeutsch Mantrailer, sind trainiert, diesen ganz persönlichen Geruch eines Menschen aufzunehmen und ihm quer durch Menschenmassen, durch Wald und Flur zu folgen.
    Welche Stoffe sind für eine Hundenase entscheidend?
    Polizeihauptmeister Ralf Blechschmidt zum Beispiel ist mit seiner Bluthündin Hermine schon 17 Kilometer der Geruchsspur eines Mopedfahrers gefolgt. Auch alte Geruchsspuren sind für die empfindliche Nase des Tieres kein Problem.
    "Die ältesten Trails, die wir gemacht haben, gingen etwa fünf Monate. Danach war nichts mehr möglich, aber das wissen wir nicht, warum das so ist."
    Hunderte chemische Stoffe sondert der Mensch ständig ab, weiß Rechtsmediziner Carsten Hädrich von der Uni Leipzig. Es gibt darüber dutzende Bücher, aber keines verrät, welche Substanzen für eine Hundenase entscheidend sind.
    "Es könnte die Atemluft sein, es könnten Bakterien auf der Haut sein, es könnten Stoffe sein, die der Mensch selbst produziert und über die Haut abgibt mit dem Schweiß. Also viele Varianten und wir versuchen es einzugrenzen."
    Im Stollberg hat Hundeführer Ralf Blechschmidt Hermine aus dem Auto geholt, ihr das Führgeschirr umgebunden und lässt sie nun an einem Schlüsselbund schnuppern, der in einer Plastetüte steckt. Die Personensuchhunde brauchen einen eindeutigen Geruch, schließlich sollen sie nicht irgendeiner der tausend menschlichen Geruchsspuren auf dem Marktplatz folgen.
    "Wir haben schon alles mögliche ausprobiert: Haare, Hautabrieb oder Schweiß oder einfach nur ein Schlüsselbund, den die Person in der Hand hatte. Wichtig ist nur für uns, dass es sauber ist, dass dieser Geruchsträger nicht fremdkontaminiert ist."
    Ralf Blechschmidt weiß, das er sich auf Hermines Nase verlassen kann. Doch das sollen auch Richter. Denn Mantrailerhunde wie Hermine suchen nicht nur nach Vermissten, sondern werden auch an Tatorten eingesetzt sagt Polizeioberrat Leif Woidtke.
    "Insbesondere bei der Rekonstruktion von Straftaten werden die Hunde dafür eingesetzt festzustellen, ob die gesuchte Person an dem Ort gewesen ist oder eine gewisse Strecke zurückgelegt hat. Und vor dem diesem Hintergrund ist es natürlich wichtig, gerichtsfest diese Feststellungen zu treffen."
    Test per Ausschlussprinzip
    Und dazu muss man wissen, woran genau eine Hundenase den Menschen erkennt. Rechtsmediziner Carsten Hädrich hat dazu ein Studiendesign entwickelt.
    "Wir kultivieren die Bakterien von der Hautoberfläche im Labor und geben das dem Hund als Vergleichsspur. Oder wir isolieren die DNA eines Menschen und geben ihm das als Vergleichsspur und schauen dann, was riecht der Hund noch oder nicht mehr. Und dann versuchen wir uns quasi über das Ausschlussprinzip der Frage zu nähern, was riecht er denn nun tatsächlich."
    Auf dem Stollberger Hauptmarkt schüttelt sich Hermine kurz und läuft dann los, die Nase knapp über dem Granitpflaster. Nicht lange und sie hat die Schlüsselbesitzerin gefunden.
    "Toll, Klasse. Super!"
    Künftig soll es für Hermine nicht mehr so einfach sein: Um herauszufinden, was ein Hund wirklich riecht, sollen die Suchpersonen demnächst mit Atemmasken oder in Vollschutzanzügen die Spuren legen. Oder eben keine mehr hinterlassen.