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Biologische Hybride
Zwischen den Arten

Lange gingen Zoologen davon aus, dass Mischlinge zweier Arten - sogenannte Hybride - unfruchtbar oder verringert fertil sind. Aber nicht immer führt die Verbindung zweier Arten in eine genetische Sackgasse. Die Forscher stellten nun viele fortpflanzungsfähige Gegenbeispiele vor.

Von Michael Lange | 13.06.2019
Ein Amazonenkärpfling und sein Spiegelbild
Amazonenkärpflinge, Flohkäfer, Strandschnecken - Zoologen haben das Erbgut untersucht und verschiedene Mischformen miteinander verglichen (imago/blickwinkel (Montage))
Lange Zeit glaubten Zoologen, dass Mischlinge zweier Arten, so genannte Hybride, in der Natur eine absolute Ausnahme darstellen. Heute wissen sie es besser. Dank der Genom-Forschung kennen sie viele fortpflanzungsfähige Hybride, die ohne Genforschung unentdeckt geblieben wären, wie die kleinen Flohkäfer im Labor am Institut für Zoologie der Universität Hamburg.
"Das sind nur auf genetischer Ebene Hybride. Optisch kann man das nicht erkennen. Die sehen alle gleich aus."
Erläutert die Wissenschaftlerin Kim Rohlfing aus der Arbeitsgruppe für Molekulare Evolutionsbiologie. Sie holt einen der kleinen Pflanzenfresser aus einem Glas. Er sitzt dort auf einem Blatt.
"Hier sind jetzt Flohkäfer drinne: "Altica lythri". Vier bis fünf Millimeter große, blau schimmernde Käfer, geht auch manchmal ins Grünliche. Sie leben hier auf heimischen Pflanzen: Zottiges Weidenröschen, was überall zu finden ist."
Die Mehrheit der hybriden Flohkäfer ist weiblich
Das Hamburger Zoologen-Team um Professorin Susanne Dobler hat das Erbgut der Flohkäfer genau untersucht und verschiedene Mischformen miteinander verglichen.
"Für diesen Käfer haben wir feststellen können, dass er tatsächlich mit anderen Käferarten hybridisiert hat. Wir finden im Genom der Käfer eindeutige Spuren, dass es eine Vermischung des genetischen Materials von drei verschiedenen dieser Flohkäferarten ist."
Was auffällt: Die große Mehrheit der Flohkäfer sind Weibchen. Männchen sind die Ausnahme. Bei einer bestimmten Hybridform sind sogar alle Tiere weiblich. Diese Hybride könnten alleine nicht überleben, sondern nur, wenn sie mit anderen genetischen Typen erneut Hybride bilden. Eine einfache Erklärung für das genetische Durcheinander haben die Zoologen noch nicht gefunden, aber sie verfolgen mehrere Spuren.
Der Lebensraum spielt eine Schlüsselrolle
In anderen Fällen ist das Vorkommen von Hybriden einfacher zu erklären. Bei Strandschnecken an der Ostseeküste spielen offensichtlich die Lebensbedingungen am Meer eine Schlüsselrolle. An der Küste leben zwei Arten von Strandschnecken nebeneinander. Eine kleinere Art gedeiht in der Brandung, dort wo der Strand direkt den Kräften des Meeres ausgesetzt ist. Eine größere lebt in geschützten Buchten, wo die Schnecken größer werden und eine dickere Schale ausbilden, um sich vor Krabben zu schützen.
"Das Ganze ist etwas, das sich offenbar mehrfach an den europäischen Küsten entwickelt hat. Diese Differenzierung in die brandungsexponierten kleinen und die krabbenexponierten großen Schnecken. Das Ganze passiert, obwohl die Schnecken in der Lage wären, hin und her zu kriechen und die Distanz zwischen der Landzunge und der geschützten Bucht zu überwinden."
Bei den Strandschnecken sind durch Evolution aus einer Art zwei entstanden. Eine in der geschützten Bucht und eine auf der Landzunge in der Brandung. Und dazwischen – dort, wo sich beide Arten begegnen - leben Hybride. Sie paaren sich mit beiden Arten. Ihnen fehlt jedoch eine eigene ökologische Nische, so dass sie keine weitere Art bilden können.
Der Klimawandel begünstigt die Begegnung der Arten
Vielerorts in der Natur kommen solche oder ähnliche Hybride vor, wenn zwei verwandte Arten sich begegnen. Ihre Bedeutung wird sogar noch zunehmen, erklärt Susanne Dobler. Denn die Natur muss sich in Zukunft schnell an neue Umweltbedingungen anpassen. Eine Möglichkeit dazu ist die genetische Vermischung vorhandener Erbanlagen.
"Im Grunde genommen können wir jetzt davon ausgehen, dass in nächster Zeit Hybridierung eine ganz große Rolle spielen wird, weil durch den Klimawandel sich Artareale verschieben. Jetzt gelangen Arten weiter in den Norden, die früher vermehrt im Süden gelebt haben. Das heißt: es begegnen sich jetzt immer mehr Arten, die zuvor geografisch getrennt waren."
Arten, die aus dem Süden kommen, begegnen solchen, die im Norden heimisch sind. Beide vermischen sich und bilden fortpflanzungsfähige Hybride. Und wenn diese Hybride besser an die neue Umwelt angepasst sind als die Ursprungsarten, dann kann es sein, dass eine neue Art entsteht.